Frauen werden bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit gefäßmedizinisch schlechter versorgt als männliche Patienten. Experten fordern ein Umdenken, vor allem im Hinblick auf Statine.
Das Projekt GenderVasc an der Klinik für Kardiologie I des Universitätsklinikum Münster untersucht die Versorgungsrealität der Patienten mit Herz- undGefäßerkrankungen in Deutschland mit dem Schwerpunkt von geschlechtsspezifischen Unterschieden. Die Ergebnisse der Studie wurden im European Heart Journal veröffentlicht.
„Unsere Analysen zeigen, dass PatientInnen mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) generell und häufig nicht den Leitlinienempfehlungen entsprechend behandelt werden. Diese mangelhafte Versorgung ist bei Frauen sogar noch deutlicher als bei Männern“, führt Dr. Lena Makowski, Erstautorin der Studie, aus.
„Unsere bisherigen Ergebnisse sind beunruhige Therapie von PAVK PatientInnen in einem so hoch entwickelten Gesundheitssystem wie in Deutschland. Hier muss seitens der betreffenden Fachgesellschaften, der Patienten-Organisationen und der Gesundheitspolitik mehr getan werden, “ erläutert Dr. Nasser Malyar, Leiter der Sektion Angiologie am Universitätsklinikum Münster und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Angiologie.
Die Autoren haben für die Analyse Daten aller stationär behandelten Patienten mit pAVK im Stadium der kritischen Ischämie (n = ca. 200.000) der AOK Krankenkasse aus den Jahren 2010 bis 2017 einbezogen. Die Ergebnisse ihrer Studien belegen, dass das männliche Geschlecht im jüngeren Alter (50–80 Jahre) bei der PAVK-Prävalenz dominiert. Im höheren Alter (> 80 Jahre) dominiert jedoch das weibliche Geschlecht.
Zum Zeitpunkt der Hospitalisierung sind Frauen demnach im Durchschnitt 7,6 Jahre älter als Männer. Sie weisen häufiger Endorganschäden wie Herz- und Niereninsuffizienz, sowie Vorhofflimmern als Komorbiditäten auf. Dahingegen weisen Männer häufiger Zigarettenrauchen, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie sowie eine koronare Herzerkrankung auf.
Die therapeutischen Basis-Maßnahmen bei allen Patienten mit PAVK sind, eine gesunde Lebensführung, ein regelmäßiges Gehtraining – soweit dies möglich ist – und das Einstellen der kardiovaskulären Risikofaktoren. Bei Patienten mit einer kritischen Extremitäten-Ischämie ist die Revaskularisation die Standardtherapie und die entscheidende Maßnahme zur Verhinderung einer Amputation. Wie in der aktuellen Studie gezeigt wurde, kommt eine Revaskularisations-Prozedur jedoch bei weniger als 2/3 der Betroffenen zur Anwendung, der Anteil bei Frauen ist sogar noch niedriger als bei Männern (60,6 % vs. 65,4 %, P < 0,001).
Neben den Basis-Maßnahmen und einer Revaskularisation kommen Plättchenhemmer und Lipidsenker (vorwiegend Statine) zum Einsatz. Diese senken nachweislich die Rate an schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkte, Schlaganfälle aber auch an Bein-Ereignissen wie erneute Revaskularisation und Amputation. Für beide Substanzen gibt es eine überwältigende Evidenz und sie sind daher mit dem höchsten Empfehlungsgrad in den nationalen und internationalen Leitlinien versehen. Nichtdestotrotz ist die Rate der Verschreibungen dieser Substanzen bei Patienten mit PAVK selbst nach der Diagnosestellung weiterhin unzureichend.
Auch hierbei ist die Verschreibungsrate bei Frauen niedriger als bei Männern (50,8 % vs. 61,8 % für Statine und 67,7 % vs. 73,5 % für Plättchenhemmer/orale Antikoagulantien, P < 0,001). „Interessanterweise zeigen unsere Analysen jedoch, dass trotz der schlechteren gefäßmedizinischen Versorgung Frauen im Langzeitverlauf im Vergleich zu Männern ein um 16 % geringeres Amputations- und 5 % geringeres Sterblichkeitsrisiko haben. Man kann davon ausgehen, dass die Prognose der PAVK-PatientInnen, insbesondere bei Frauen, sich deutlich verbessern könnte, wenn man die evidenzbasierten Empfehlungen konsequent umsetzte“, so Makowski.
Obwohl die Gesamt-Prävalenz der PAVK bei Frauen höher ist als bei Männern, sind Frauen in den Studien deutlich unterrepräsentiert. „Geschlechtsspezifische Unterschiede finden in unseren therapeutischen Entscheidungen und Empfehlungen keine Berücksichtigung, weil es noch an geschlechtsspezifischer Forschung und an entsprechenden Daten mangelt. Hier ist ein Umdenken nötig. Wir brauchen eine auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede fokussierte Forschung, um die Ursachen der Mangel- und Fehlversorgung zu identifizieren, um dann entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen,“ so Malyar.
Dieser Text basiert auf einer Pressmitteilung des Universitätsklinikum Münster. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Becca Tapert, Unsplash