Bei Menschen mit Non-24 ist der zirkadiane Rhythmus durcheinander. Dadurch kommt es zu seltenen Schlaf-Wach-Störungen. Tasimelteon soll hier Abhilfe schaffen.
Die innere Uhr folgt einem 24-Stunden-Zyklus, der auch als zirkadianer Rhythmus bezeichnet wird. Das Schlaftiming, der Appetit und das Energieniveau werden vom Nucleus suprachiasmaticus gesteuert. Bei Blinden Menschen kann das Sonnenlicht diese innere Uhr nicht synchronisieren, es kann zur seltenen Erkrankung Non-24 kommen.
In den meisten Fällen wird in den Industrienationen nach einem Kalender mit einem 24-Stunden-Tag gelebt. Ohne Synchronisation durch Umweltreize hat der Mensch jedoch einen zirkadianen Rhythmus, der genetisch vorbestimmt ist. Das bedeutet, dass der zirkadiane Rhythmus freilaufend ist. Die meisten freilaufenden zirkadianen Rhythmen des Menschen sind etwas kürzer oder länger als 24 Stunden. Die zirkadiane Periode wird als Tau bezeichnet. Da die meisten Menschen ein Tau haben, das nicht genau 24 Stunden lang ist, muss der zirkadiane Rhythmus in den 24-Stunden-Zyklus der Umwelt eingebunden werden. Dies erfolgt durch Lichteinwirkung, Zeitpunkt der Mahlzeiten, soziale Interaktionen und andere äußere Reize.
Non-24 ist die Abkürzung für Non-24-Stunden-Schlaf-Wach-Störung. Die Erkrankung hat viele andere Namen: Free Running Disorder, Hypernychthemeral Disorder oder Circadian Rhythm Disorder. Etwa 70 % der vollständig erblindeten Menschen leiden an der ansonsten seltenen zyklischen Non-24-Schlaf-Wach-Rhythmusstörung. Man geht von einer Prävalenz von 1–9 pro 100.000 Einwohner aus.
Trotz seiner Prävalenz unter der blinden Bevölkerung wissen viele Betroffene nicht, dass sie an Non-24 leiden. Dies kann auf die zyklische Natur der Erkrankung zurückgeführt werden, die eine Woche lang schwere Schlaflosigkeit verursachen kann, gefolgt von drei Wochen erholsame Nächte. Häufig wird Non-24 auch mit Depression oder anderen Schlafstörungen verwechselt.
Unter den Blinden, die noch eine Rest-Lichtwahrnehmung haben, sind bis zu 30 % von der fehlenden Synchronisation bzw. einer Phasenverschiebung betroffen – und könnten unter Non-24 leiden. Licht ist nämlich der stärkste Taktgeber für das zirkadiane System und synchronisiert die meisten biologischen und psychologischen Rhythmen intern, was für eine optimale Funktion wichtig ist.
Menschen mit Non-24-Stunden-Schlaf-Wach-Störung sind nicht in der Lage, ihren endogenen zirkadianen Rhythmus an die 24-Stunden-Umgebung anzupassen. Infolgedessen verzögert sich der zirkadiane Schlaf- und Wachrhythmus typischerweise jeden Tag. Die Beschwerden von Non-24 lassen sich aber auch aus der fehlenden tageszeitlichen Synchronisierung von Kortison, Körpertemperatur, Blutdruck und Glukosestoffwechsel ableiten.
Non-24 ist nicht nur eine Schlafstörung, sondern eine zirkadiane Rhythmusstörung. Die Behandlung ist komplizierter, als die einfache Verwendung von Sedativa oder Hypnotika. Bei dieser Störung ist es wichtig, die zugrunde liegende Ursache und nicht nur die Symptome zu behandeln. Die American Academy of Sleep Medicine (AASM) gibt Empfehlungen für die Bewertung und Behandlung von Non-24, allerdings wurden diese zuletzt 2015 aktualisiert und spiegeln somit nicht mehr die aktuelle Pharmakotherapie wider.
Der Schlaf-Wach-Rhythmus wird u. a. durch Melatonin gesteuert. Der Melatoninspiegel steigt etwa ein bis zwei Stunden vor der normalen Schlafenszeit an. Wenn das Nacht-Signal vom Suprachiasmaticus (SNC) abnimmt, geht die Melatoninsekretion zurück und es werden andere zirkadiane Systeme, wie beispielsweise Kortisol, aktiviert, die die Aufwachphase einleiten.
Melatoninrezeptoren sind nicht nur im SCN lokalisiert, sondern auch in den wichtigsten Regionen des Gehirns sowie in zahlreichen peripheren Geweben. Es existieren mindestens zwei Melatoninrezeptoren (MT1- und MT2-Rezeptor), die sich im zentralen Nervensystem sowie in der Netzhaut und in der Peripherie befinden. Es wird vermutet, dass MT1- Rezeptoren für die Auslösung des Schlafbeginns und MT2-Rezeptoren für die Regulierung der zirkadianen Oszillation des SCN verantwortlich sind.
Exogenes Melatonin wird klinisch als Chronotherapeutikum und zur Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus eingesetzt. Metaanalysen haben jedoch gezeigt, dass Melatonin meist nicht ausreichend wirksam in der Behandlung der meisten primären Schlafstörungen ist. Zudem ist seine Halbwertzeit mit zwei Stunden sehr kurz.
Die orale Verabreichung von niedrig dosiertem Melatonin hat sich jedoch als wirksame Behandlung dieser zirkadianen Rhythmus-Schlafstörung erwiesen. Eine Studie belegte die Synchronisation der biologischen Uhr mit Melatonin-Dosen von nur 0,03 mg.
Zwar liegt Melatonin auch als retardierte Formulierung vor, dennoch ist die Wirkdauer sehr kurz. Tasimelteon ist ein starker und selektiver Agonist an den Melatonin MT1- und den MT2-Rezeptoren. Das Pharmakon verfügt über eine 4,4-fach höhere Affinität zum MT2-Rezeptor, als zum MT1-Rezeptor. Diese Eigenschaften ermöglichen eine zeitlich präzise und zielgerichtete Synchronisierung des zentralen Schrittmachers und eine Anpassung des endogenen zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus mit der 24-Stunden-Umgebung. Dafür ist es notwendig, dass Tasimelteon täglich zur selben Zeit eingenommen wird.
Tasimelteon ist derzeit das einzige von der US-amerikanischen Food and Drug Administration und der European Medicines Agency zugelassene Medikament für Non-24. Die Wirksamkeit von Tasimelteon wurde durch zwei randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studien belegt.
In der SET-Studie wurden 84 vollständig blinde Patienten mit Non-24- und Schlaf-Wach-Symptomen eingeschlossen und über 6 Monate mit Tasimelteon jeden Abend zur gleichen Zeit behandelt. Tasimelteon hat nach einem Monat (primärer Endpunkt) bei 20 % der Patienten zu einer Synchronisierung der zirkadianen Rhythmen geführt. Das klinische Ansprechen war definiert als kombinierter Endpunkt aus Synchronisation und der Non-24 Clinical Response Scale (N24CRS). In der N24CRS-Skala werden mehrere Kriterien gleichgewichtig erfasst: der klinische Gesamteindruck der therapiebedingten Veränderungen (Clinical Global Impression of Change Scale, CGI-C), die Steigerung der nächtlichen und der mittlere Zeitpunkt der Schlafzeiten.
In die RESET-Studie wurden 20 vollständig blinde Patienten eingeschlossen, die ihren Zyklus unter Tasimelteon synchronisiert hatten. Sie wurden zur Hälfte randomisiert auf Placebo umgestellt. Das Ergebnis: 9/10 Patienten in der Tasimelteongruppe hatten nach 8 Wochen ihre Synchronisierung beibehalten, jedoch nur 2/10 in der Placebogruppe. Dies zeigte sich auch darin, dass die Nachtschlafzeiten in der Placebogruppe wieder deutlich abnahmen und die Tagesschlafzeiten wieder zunahmen, während sie in der Tasimelteon-Gruppe relativ stabil blieben. Ein Zusatznutzen liegt vor, ist aber nicht quantifizierbar, weil die wissenschaftliche Datengrundlage eine quantifizierbare Aussage zum Ausmaß des Zusatznutzens für patientenrelevante Endpunkte zum derzeitigen Zeitpunkt nicht zulässt, so ein Gutachten des GBA.
Steckbrief Tasimelteon
Name der Erkrankung
Non-24
Weitere Namen
Free Running Disorder
Hypernychthemeral Disorder
Circadian Rhythm Disorder
Häufigkeit
1–9/100.000, 70 % der Blinden
Gestörte Funktion
Schlafstörung
Morgendliche Erschöpfung
Konzentrationsstörung
Gereiztheit
Genlokalisation
-
Orphan drugs
Tasimelteon (Hetlioz®)
Wirkung
Melatoninagonist
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Kopfschmerz (17 % vs. 7 % unter Placebo), erhöhte Leberenzyme (10 % vs. 5 % unter Placebo) und Albträume oder anomale Träume (10 % vs. 0 % unter Placebo). Am nächsten Tag kam es zu keinem hang-over-Effekt, keiner Schläfrigkeit, keinen klinisch relevanten endokrinen Effekten und auch zu keinem erhöhten Risiko für Entzugserscheinungen. Die Studien zeigen, dass Tasimelteon bei einem signifikanten Teil von Non-24-Patienten eine Synchronisierung der zirkadianen Rhythmen mit dem 24-Stunden-Tag herbeiführt.
Starke CYP1A2-Hemmer, wie Fluvoxamin, können die Tasimelteon-Exposition signifikant erhöhen und das Risiko unerwünschter Ereignisse steigern. Die Wirksamkeit von Tasimelteon kann bei Rauchern reduziert sein. Starke CYP3A4-Induktoren, wie Rifampin, können die Konzentrationen von Tasimelteon erheblich verringern und die Wirksamkeit steigern.
Tierstudien deuten darauf hin, dass es den Fötus schädigen kann und daher in der Schwangerschaft vermieden werden sollte. Allerdings wurde Tasimelteon bei stillenden Müttern oder Kindern nicht untersucht. Die Exposition ist bei geriatrischen Patienten etwa um das Doppelte erhöht, sodass das Risiko unerwünschter Ereignisse größer sein kann. Bei eingeschränkter Nierenfunktion oder leichter bis mittelschwerer Leberfunktionsstörung ist keine Dosisanpassung erforderlich, aber Tasimelteon wurde bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung nicht untersucht.
Bildquelle: Ihor Malytskyi, unsplash