Die Ukraine ist in Sachen Leihmutterschaft weltweit führend. Der Krieg lässt nun Eltern vergeblich auf ihre Kinder, Leihmütter auf die Geschäftsabwicklung und Kinder auf ihr Zuhause warten.
Leihmutterschaft und Eizellspende sind in Deutschland verboten, nicht so in der Ukraine. Babyglück zum Schnäppchenpreis – ab 39.900 Euro, mit Geld-zurück-Garantie, so beginnt eine Reportage des WDR. Darin wird die Ukraine als Low-Budget-Babyfabrik für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch aus aller Welt bezeichnet. Dass etwas schiefgeht, ist nicht vorgesehen. Wenn etwa ein behindertes Kind heranwächst, das abgetrieben werden soll, weil es nach der Geburt kein Zuhause finden würde. Nun ist der Krieg dazwischengekommen und wirkt als Brennglas auf einer Maschinerie von Kommerz, Ausbeute und der Sehnsucht nach Glück.
Seit 2015 gilt die Ukraine als ein weltweites Zentrum für Leihmutterschaft. Man schätzt, dass dort jährlich zwischen 2.000 und 3.000 Kinder von Leihmüttern für überwiegend ausländische Eltern geboren werden.
Im Vergleich zu anderen Ländern böte die Ukraine eine besonders günstige Leihmutterschaft an, heißt es auf der Website einer Agentur. Die Kosten seien dreimal niedriger als in den USA. Alles in allem kostet ein Kind zwischen 40.000 und 60.000 Euro, eine Leihmutter erhält zwischen 15.000 und 20.000 Euro in Ratenzahlungen für ein ausgetragenes Kind. Wie viele solcher Agenturen es in der Ukraine gibt, ist nicht bekannt; nur, dass 2019/2020 etwa 50 Kliniken in ein Leihmutterschaftsprogramm involviert waren. Ungewollt kinderlose Paare, vorwiegend aus Westeuropa, Australien, China oder den USA, schließen mit der Agentur einen Vertrag ab. Dieser regelt mittels eines „All-inclusive-Pakets“ vom ersten Besuch bis zur Ausstellung eines Reisepasses für das Kind alles: Auswahl einer Leihmutter, IVF-Behandlung, Betreuung von Schwangerschaft und Geburt, Dienstleistungen durch Dolmetscher, Rechtsanwälte, Kinderärzte und Fahrer.
Voraussetzung ist, dass die zukünftigen Eltern heterosexuell und verheiratet sind. Zusätzlich ist eine medizinische Begründung der Kinderlosigkeit erforderlich. Möglich sind eigene Eizelle und Sperma der Wunscheltern oder eine Kombination mit Eizellspende bzw. Spermaspende, wahlweise mit Pränataldiagnostik und Geschlechtsbestimmung. Von der Leihmutter erwartet man Gesundheit, sie sollte bereits ein eigenes Kind geboren haben und möglichst nicht älter als 36 Jahre sein.
Kommt das Kind in der Ukraine zur Welt, werden die Wunscheltern in die Geburtsurkunde eingetragen – die Leihmutter hat alle Ansprüche vertraglich abgegeben. Das Kind erhält einen Reisepass und die Eltern können es mit in ihr Heimatland nehmen, auch wenn dort eine Leihmutterschaft rechtswidrig ist.
In einem Bunker der größten ukrainischen Leihmutterschaftsklinik nahe Kiew warten derzeit 18 Neugeborene auf ihre neuen Familien. Durch den Krieg wird es immer schwieriger für die zukünftigen Eltern, ihre Kinder abzuholen. Hunderte Leihmütter sind noch schwanger und täglich werden weitere Kinder geboren, deren Schicksal im Moment ungewiss ist. Mit hochschwangeren Frauen durch umkämpfte Gebiete zu reisen, um sie in Sicherheit zu bringen, werde immer riskanter. Außerdem befürchte man, dass es zu Komplikationen oder außerklinischen Geburten kommen könnte. Flüchten die Schwangeren in ein Nachbarland, etwa nach Polen, wird die Lage sehr kompliziert: Werden die Kinder dort, wo Leihmutterschaft verboten ist, zur Welt gebracht, dann sind die austragenden Mütter auch rechtlich diejenigen, die in die Geburtsurkunden eingetragen werden.
Dies im Nachhinein zu ändern, ist schwierig. Mittlerweile versucht man, alle bürokratischen Hürden möglichst gering zu halten, damit angereiste Eltern schnell mit ihren neugeborenen Kindern wieder außer Landes kommen.
Die Sehnsucht, Eltern zu werden und eigene Kinder aufwachsen zu sehen, ist ein ureigenes menschliches Bedürfnis und für viele ein großes Glück. Paare, denen dieser Wunsch zunächst verwehrt ist, finden in der modernen Reproduktionsmedizin neue Hoffnung. Darunter fallen Frauen, die von Geburt an keinen intakten Uterus besitzen, wie etwa beim Mayer-von-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom oder ihn durch eine Hysterektomie verloren haben. Schwere Erkrankungen, wie beispielsweise eine Herzinsuffizienz, bergen ein zu hohes Risiko für eine eigene Schwangerschaft.
Homosexuelle Paare können in bestimmten Ländern, jedoch nicht in der Ukraine, ein Kind zeugen, das zumindest mit einem der Partner genetisch verwandt ist. Eine geregelte Legalisierung in Deutschland könnte eine Alternative sein und der sozialen Ausbeute von Frauen in wirtschaftlich schwächeren Ländern entgegenwirken.
Kritische Stimmen sprechen davon, dass sich wohlhabende Menschen ein Kind kaufen können, wogegen wirtschaftlich schlechter gestellte Frauen ihren Körper, ihre Gesundheit und ihre Zeit verkaufen. Sie verzichten vertraglich auf das Sorgerecht eines Kindes, das sie monatelang ausgetragen haben und zu dem sie, wenn auch nur unbewusst, eine Beziehung aufgebaut haben. Es können beispielsweise Verdienstausfälle durch die Schwangerschaft entstehen, die in sozial schwächeren Ländern weniger gut geregelt sind. Selbst in Deutschland ist die Gefahr einer finanziellen Ausbeute nicht auszuschließen, denkt man an Leihmütter unter Migrantinnen oder sozialen Randgruppen.
Schwangerschaften nach Eizellspende sind häufiger mit Komplikationen, wie Präeklampsie und Frühgeburtlichkeit mit gesundheitlichen Folgen für Mutter und Kind, vergesellschaftet. Selbst in hochentwickelten Gesundheitssystemen kann eine Geburt lebensbedrohlich für die Mutter werden. Eine Eizellspende, falls die Wunschmutter selbst nicht spenden kann, ist mit medizinischen Risiken verbunden: Vorausgehende hormonelle Stimulation der Spenderin, invasive Follikelpunktion, hormonelle Stimulation der Empfängerin.
Hochproblematisch sind Konstellationen, in denen Kinder im Schwangerschaftsverlauf gesundheitliche Beeinträchtigungen zeigen und sie deshalb bei den Wunscheltern nicht mehr willkommen sind. Auch führende Medizinethiker, wie Prof. Giovanni Maio der Universität Freiburg, stehen Eizellspende und Leihmutterschaft kritisch gegenüber. Denn es besteht die Problematik der dissoziierten Mutterschaft für das Kind: Es hat eine genetische Mutter (Eizellspenderin) und eine biologische Mutter (Eizellempfängerin). Wenn die zukünftige Wunschmutter nicht die genetische Mutter ist, da die Leihmutter im Rahmen einer fremden Eizellspende schwanger wurde, wird sie ausschließlich zur sozialen Mutter, bei der das Kind heranwächst.
Eigenverantwortliche Fortpflanzungsfreiheit ist ein hohes Gut und die moderne Reproduktionsmedizin bietet zahlreiche Möglichkeiten, damit kinderlosen Paaren geholfen werden kann.
Mitunter stoßen wir aber an Grenzen und betreten medizinethische Graubereiche, die uns in Abgründe blicken lassen. Die aktuelle Situation in der Ukraine ist ein solcher Abgrund – für Leihmütter, Wunscheltern und Kinder.
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