Die seltene Erbkrankheit Singleton-Merten-Syndrom (SMS) kann zu Zahnausfall, Knochendemineralisierung und Gefäßverkalkung führen. Bei Erbgutuntersuchungen rückte eine Mutation im Gen IFIH1 als mögliche genetische Ursache in den Fokus.
Bekannt war bereits, dass das Singleton-Merten-Syndrom eine Erbkrankheit ist, die Ursache also in den Genen liegt. Da SMS in gleichem Maße an Jungen und Mädchen vererbt wird, konnte die genetische Ursache nicht auf dem X- oder Y-Chromosomen zu finden sein. Als Ursprung kam nur eines der übrigen 22 Chromosomenpaare in Frage. Um die Quelle der Krankheit zu finden, nahmen die Wissenschaftler das Erbgut von fünf SMS-kranken Menschen aus drei Familien und von insgesamt vier gesunden Verwandten unter die Lupe. Bei allen Kranken fand sich eine gemeinsame Mutation im Gen IFIH1, das auch bei anderen schweren Erbkrankheiten eine Rolle spielt. „Das Gen IFIH1 dient als Bauplan für das Protein MDA5“, erläutert Rutsch. „Dieses Protein wiederum ist wichtig für unser Immunsystem, denn es erkennt Viren, die Krankheiten auslösen können. Wenn der Bauplan fehlerhaft ist, funktioniert auch MDA5 nicht richtig – bei SMS-Patienten führt das fehlerhafte Protein zu einem überaktiven, schädlichen Immunsystem.“ Ein Zusammenhang von Zahnausfall und Gefäßverkalkung mit der Funktion von MDA5 konnte damit erstmals nachgewiesen werden. Studienleiter Prof. Dr. Frank Rutsch, Mitarbeiter der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Allgemeine Pädiatrie des Universitätsklinikum Münster, ist Experte für seltene Erkrankungen. Mit seinem Team hat er das Projekt koordiniert, die Familien mit den klinischen Daten zusammengetragen und die Proben zur Untersuchung gesammelt, außerdem wurde in Münster ein Teil der feingeweblichen Untersuchungen und der Auswertungen durchgeführt. Direkt anwendbare Therapieansätze lassen sich aus der Entdeckung der genetischen Krankheitsursache noch nicht ableiten. Originalpublikation: A Specific IFIH1 Gain-of-function Mutation Causes Singleton-Merten Syndrome Frank Rutsch et al.; The American Journal of Human Genetics, doi: 10.1016/j.ajhg.2014.12.014; 2015