Ein 55-jähriger Mann kommt im Schockzustand in ein Krankenhaus in Japan. Schnell vermuten die Ärzte eine zugrundeliegende Sepsis. Doch trotz Antibiose verschlechtert sich sein Zustand zusehends.
Einem 55-jährigen Japaner wurde vor über einem Jahr nach einer Hämoptyse ein Tumor im Hilum der linken Lunge diagnostiziert. Eine Biopsie war damals wegen des Risikos von Komplikationen im Zusammenhang mit der Krebslokalisation nicht möglich, doch basierend auf einer Sputumzytologie und der Tumormarkerwerte wurde ein Plattenepithelkarzinom vermutet. Daher unterzog er sich anschließend einer Strahlen- und Chemotherapie. Doch etwa 6 Monate später entwickelte er starken Husten. Eine Computertomographie (CT) der Brust zeigte zu diesem Zeitpunkt bereits ein Tumorwachstum und Metastasen im linken oberen Lungenlappen und in den Lymphknoten.
Nun - ein Jahr später - entwickelt der 55-Jährige plötzlich Fieber und Brustschmerzen, die einen Krankenhausaufenthalt unumgänglich machen. Bei der Aufnahme beträgt sein Blutdruck 69/58 mmHg, während sein bei Puls 146/min liegt und die Atemfrequenz bei 24/min - er befindet sich im Schockzustand. Sofort ist klar: Schnelle Maßnahmen sind gefragt. Sofort lassen die Ärzte CT-Aufnahmen des Thorax anfertigen. Diese zeigen, dass der Tumor inzwischen in den linken Vorhof und den linken Hauptbronchus eingedrungen ist. Doch noch etwas kommt den Ärzte merkwürdig vor: Innerhalb des Tumors und im Bereich des Darms sehen sie kleine Bereiche geringerer Dichte. Diese interpretieren sie als Luft infolge der Invasion des Lungenkrebses.
Auch echokardiographisch lässt sich die Tumorinvasion in den linken Vorhof zeigen, Hinweise auf eine infektiöse Endokarditis, welche den Schockzustand erklären könnte, ergeben sich jedoch nicht. Doch in Blutkulturen lässt sich Staphylococcus aureus nachweisen, weshalb die Ärzte einen septischen Schock diagnostizieren. Als Ursache hierfür vermuten sie eine nekrotische Infektion infolge der Tumorinvasion in den linken Vorhof. Sie behandeln den 55-Jährigen nun mit einem Vasopressor, Noradrenalin und intravenösen Antibiotika.
Doch am folgenden Tag klagt der Patient plötzlich über Schwierigkeiten beim Sprechen und Schwäche in der linken Körperhälfte. In der neurologischen Untersuchung zeigen sich ein einseitiger räumlicher Neglect links, eine Hemiparese links und eine leichte Schwäche der rechten unteren Extremität. Der GCS-Wert beträgt 15 Punkte. Um der Sache weiter auf den Grund zu gehen, fordern die Ärzte eine Kopf-CT an. Darauf zeigen sich mehrere hypodense Areale im rechten Kortex und im bilateralen Subkortex. In einer anschließend durchgeführten Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes ist auf diffusionsgewichteten Bildern eine schwache Hyperintensität entlang des rechten parietalen Kortex, des Subkortex und des linken frontalen Kortex zu sehen. Zusätzlich ist auf suszeptibilitätsgewichteten Bildern ein kleines punktförmiges hypointenses Signal im rechten frontalen Kortex und linken parietalen Subkortex erkennbar.
Doch worum handelt es sich hierbei? Aufgrund dieser Konstellation vermuten die Ärzte eine Luftembolie infolge der Invasion des Lungenkrebses in den linken Vorhof, doch auch ein ischämischer Schlaganfall oder eine Hirnmetastase lassen sich nicht ausschließen.
Am Abend des dritten Tages verschlechtert sich der Zustand des Mannes dann noch einmal: Plötzlich hat er systemische tonische und klonische Krämpfe für etwa eine Minute, gefolgt von myoklonusähnlichen Krämpfen in der linken unteren Extremität und einem rechtsseitigen Blick. Ein nach dem Krampfanfall durchgeführte EEG zeigt partielle epilepsieähnliche Wellen mit intermittierenden Spikes, die den bilateralen zentralen, parietalen und okzipitalen Regionen entsprechen, sowie eine diffuse langsame Welle im Bereich des linken Frontallappens.
Die Ärzte interpretieren die Krampfanfälle ebenfalls als Ausdruck der Luftembolie sowie eines ischämischen Schlaganfalls. Nach den Krampfanfällen wird der Mann mit Levetiracetam behandelt. Er erholt sich von der Sepsis, und es werden unter dieser Medikation auch keine weiteren Krampfanfälle beobachtet. Jedoch verstirbt er 50 Tage später infolge von Hämoptysen.
Text- und Bildquelle: Inatomi et al. /Journal of Medical Case Reports
Bildquelle: Ryan Vitter / Unsplash