Kontroversen um Sovaldi® ohne Ende: Verantwortliche hierzulande ringen um einen Erstattungspreis, derweil gehen indische Behörden andere Wege. Sie lehnen den Patentantrag ab – freie Fahrt für Generikahersteller. Experten wollen Folgen für internationale Märkte nicht ausschließen.
Hersteller und Kassenvertreter im Clinch: Bis 17. Januar hätte sich Gilead mit dem GKV-Spitzenverband über Erstattungspreise von Sovaldi® verständigen müssen. Kostenträger wollen nicht 700 Euro pro Tablette berappen, die gesamte Behandlung schlägt mit etwa 60.000 bis 120.000 Euro zu Buche. Jetzt haben beide Seiten die Schiedsstelle eingeschaltet. Ihnen bleibt bis zum 17. April Zeit, den Konflikt zu klären.
Nicht nur Deutschland stört sich an „Mondpreisen“ des Präparats zur Therapie von Hepatitis C. Gerade ärmere Staaten haben Probleme, entsprechende Beträge aufzubringen. Zwar erklärte Hans Reiser, medizinischer Leiter bei Gilead, mehrfach, der Preis hänge vom Bruttoinlandsprodukt und vom Reichtum eines Landes ab. Indien schenkt diesen Worten wenig Glauben – und geht jetzt eigene Wege.
Behörden lehnten Gileads Antrag, Sofosbuvir zu patentieren, kurzerhand ab. Unter anderem hatten der indische Generikahersteller Natco Pharma und die New Yorker Initiative for Medicines, Access & Knowledge (I-MAK) Widerspruch eingelegt. Als Begründung schreibt das Patentamt aus Mumbai, der Wirkstoff sei „im Vergleich zu bereits bekannten Molekülen nicht innovativ genug“. Möglich war diese Entscheidung, da laut indischem Patentrecht kleine Veränderungen bestehender Substanzen nicht ausreichen. Ohne Patent können Generikahersteller selbst Präparate mit besagtem Wirkstoff herstellen – zu erschwinglichen Preisen, versteht sich. „Durch das Urteil bekommen wir Sofosbuvir aus der Monopol-Festung Gileads heraus“, kommentiert Dr. Christiane Fischer, die ärztliche Geschäftsführerin von MEZIS.
Was bedeutet das Urteil für Deutschland? Bei uns steht Sofosbuvir unter Patentschutz. Indische Generikahersteller dürfen ihre Präparate nicht einführen – theoretisch. Experten des Zolls rechnen schon jetzt mit zunehmenden Aktivitäten von Schmugglern. Damit nicht genug: „Entgegen der Verlautbarung des Herstellers, der keine Konsequenzen für Europa aus diesem Urteil erwartet, gehen wir von einem Preiseinbruch in Deutschland aus“, schreibt MEZIS in einer Mitteilung. „Der politische Druck auf Gilead, Sofosbuvir günstiger zu verkaufen, wird auch in Deutschland wachsen“, so Dr. Niklas Schurig von MEZIS. Gesundheitspolitiker sind teilweise anderer Meinung: „Arzneimittel mit einem echten Zusatznutzen dürfen durchaus auch mehr kosten als die bisherigen Therapien, bei großem Fortschritt auch deutlich mehr“, so Jens Spahn (CDU). Jetzt warten Heilberufler gespannt, ob die Schiedsstelle ein salomonisches Urteil fällt.