Zur Behandlung von COVID-19 stehen mittlerweile mehrere Optionen zur Verfügung. Aber gibt man einem Risikopatienten nun besser Molnupiravir oder Nirmatrelvir? Die Antwort findet ihr in unserem Überblick.
Auch wenn die Fallzahlen zurzeit sinken: SARS-CoV-2 begleitet uns auch weiterhin. Bei den ganzen neuen Varianten, Medikamenten und gefühlt täglich neuen Studienergebnissen kann es schwer sein, den Überblick zu behalten. Wie sieht aktuell die bestmögliche Covid-Therapie in Praxis und Klinik aus? Auf der DGIM 2022 lieferte Dr. Leif Erik Sander von der Charité Berlin einen umfassenden Überblick – die DocCheck News waren für euch live vor Ort dabei.
Welche Therapeutika eingesetzt werden, hängt maßgeblich von der Phase der Erkrankung ab. „Wir haben zwei große Therapiestrategien: Das eine ist die antivirale Strategie […], das andere ist die wirtsgerichtete Therapie, in der wir versuchen die Immunantwort des Wirts zu modulieren“, fasst Sander zusammen. Erstere ergibt nur in der Frühphase der Erkrankung einen Sinn, wenn die Virenreplikation in vollem Gang ist. 7 bis 12 Tage nach Symptombeginn erübrigt sich die antivirale Behandlung aufgrund der geringen Virenlast. Die Immunmodulation hingegen ist nur bei Patienten in der späteren, inflammatorischen Krankheitsphase sinnvoll: „Wenn Sie bei jedem Patienten IL-6 blockieren würden, dann handeln Sie sich Komplikationen ein.“
Bei der Therapie von schweren bis kritischen Covid-Fällen in der Klinik hat es sich ein Player fest etabliert: Das Glukokortikoid Dexamethason. „Das ist zu diesem Zeitpunkt absoluter Standard of care; jeder Patient mit Sauerstoffbedarf bekommt Dexamethason“, betont Sander. Wie sich in der RECOVERY-Studie zeigte, kann die Gabe von 6 mg p.o./i.v. des Entzündungshemmers die Mortalität bei Patienten mit respiratorischer Insuffizienz effektiv verringern. Besonders ausgeprägt ist der Effekt bei Patienten auf der Intensivstation, die invasiv beatmet werden müssen. Das Medikament sollte aber eben nur bei Covid-Patienten verabreicht werden, die auch eine Sauerstoffbeatmung brauchen – bei leichten Verläufen wirke sich die Gabe sogar nachteilig aus.
Für die schwersten Fälle kann die wirtsgerichtete Therapie auch erweitert werden: Studiendaten zeigten, dass sich durch zusätzliche Gabe des IL-6R-Inhibitors Tocilizumab eine weitere Mortalitätsreduktion erreichen lässt. Sander empfiehlt daher bei Patienten mit ausgeprägter pulmonaler Hyperinflammation (CRP ≥ 75 mg/l + SpO2 < 92 %) und rapider Zunahme des Sauerstoffbedarfs bei laufender Dexamethason-Behandlung die schnellstmögliche Gabe von Tocilizumab. Alternativ ist bei stabileren Patienten auch die orale Verabreichung des JAK-Inhibitors Baricitinib möglich. „Wir machen das in der Regel bei Patienten, die nicht so einen rapiden Verlauf haben.“
Für den Hausarzt ist das erst einmal weniger interessant: Im Bereich der Ambulanz bekommt man es schließlich mit Patienten in der Frühphase zu tun. Hier dreht es sich vor allem um eines, und zwar schwere Verläufe zu verhindern. „Das Beste, was wir hier machen können ist, uns zu impfen.“ Bei ungeimpften Patienten oder Patienten, die aufgrund einer Immunsuppression nicht auf die Impfung ansprechen, sei hier auch die Gabe von monoklonalen Antikörpern möglich.
War die Antikörperkombination Casirivimab/Imdevimab während der Delta-Welle noch sehr effektiv, stehe gegen Omikron nur noch ein wirksamer Antikörper zur Verfügung: Sotrovimab. Da sich dieser gegen ein evolutionär konserviertes Motiv im Spikeprotein von SARS-CoV-2 richtet, kann er auch gegenüber der neuen Variante eine neutralisierende Aktivität bewahren. Komplett unempfindlich gegenüber Mutationen ist aber auch Sotrovimab nicht, und so gehe die Verbreitung des BA.2-Subtyps leider auch hier mit einer gewissen Verringerung der Wirksamkeit einher.
„Die sich ständig ändernde Problematik der Immuneigenschaften dieser Viren hat uns wieder dazu zurückgebracht, antivirale Substanzen in den Fokus zu nehmen“, erklärt Sander das große Comeback von Remdesivir. Aufgrund des nur sehr kurzen Zeitfensters, in dem das Medikament von Nutzen ist, war der ehemalige Hoffnungsträger erstmal in der Versenkung verschwunden, bevor er zuletzt wieder an Popularität gewann. Studien konnten zeigen, dass das antivirale Mittel – sofern es in den ersten 5 Tagen der Erkrankung eingenommen wird – ähnlich gut abschneidet wie die Antikörper.
Zwischenzeitlich ist mit dem Kombinationspräparat Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid®) auch ein SARS-CoV-2-spezifischer Inhibitor verfügbar. „Das ist ein Therapeutikum, dass Sie wirklich in der Praxis einsetzen können.“ Es habe eine vergleichbare antivirale Wirksamkeit wie Remdesivir, mit dem Vorteil, dass das Mittel oral eingenommen werden kann. Grundsätzlich sei das Medikament gut verträglich, allerdings sei es auch interaktionsfreudig. Um die Interaktionen mit anderen Medikamenten abschätzen zu können, empfiehlt Sander daher den Liverpool Drug Interactions Checker.
Der Vorteil der Virostatika gegenüber den monoklonalen Antikörpern: „Sie hemmen damit Bereiche im Virus, die nicht von den Mutationen betroffen sind.“ Dies sei auch in-vitro belegt. Daher ließen sie sich auch bei BA.2 und weiteren Subtypen und Varianten einsetzen, wo Antikörper womöglich in der Wirksamkeit beeinträchtigt sind. Eine Absage gibt es an Molnupiravir, da die Wirksamkeit gegenüber den anderen Optionen deutlich abfällt und es nachvollziehbare Vorbehalte gegenüber dem Wirkmechanismus gebe. „Wir haben andere Alternativen, die zumindest in den Studien deutlich bessere Wirksamkeiten zeigen“, stellt Sander daher fest.
Grundsätzlich gilt: Nicht jeder Patient mit Corona-Infektion muss behandelt werden. Wer vollständig geimpft ist und keine Risikofaktoren vorweist, kommt auch gut ohne spezifische Covid-Therapie durch – hier reicht bei Bedarf die symptomatische Behandlung aus. Auch bei unvollständigem Impfstatus ist ohne Risikofaktoren in der Regel keine Therapie nötig.
Anders sieht es bei den Risikopatienten aus: Die Behandlung muss hier entsprechend des individuellen Risikos des Patienten getroffen werden. Ist der Patient vollständig geimpft kann mit der Therapie zurückhaltend reagiert werden – sofern der Patient auf die Impfung auch angesprochen hat. Besteht der Verdacht auf ein Impfversagen, beispielsweise aufgrund einer Immunsuppression, sollte die Behandlung in Erwägung gezogen werden. Sander betont, es komme dabei viel auf die ärztliche Erfahrung an. Ein Patient, der schon zuvor eine schwere Pneumonie hatte, sei anders zu bewerten als einer, dessen bisherige Krankengeschichte in dem Hinblick unauffällig sei.
Ist der Patient jedoch ungeimpft oder nur unvollständig geimpft, bzw. besteht ein erhöhtes Risiko auf ein Impfversagen, ist die Covid-spezifische Therapie mit monoklonalen Antikörpern oder Virostatika angebracht. „So eine Substanz wie Paxlovid® – wenn Sie vorher die Interaktionen überprüfen – können sie ambulant geben und das ist in der Regel auch gut verträglich.“ Bei Schwerstgefährdeten sei gegebenenfalls auch eine kombinierte Behandlung von Virostatikum und Antikörpern möglich. Im Zweifel böten viele Universitätskliniken aber auch Beratungstelefone an, falls Ärzte bei einem Fall Rücksprache halten wollten.
Funktionieren können antivirale Therapien wie eingangs erwähnt nur in der Phase starker Virusreplikation. Es sei also entscheidend, die Medikation innerhalb der ersten 5 bis 7 Tage nach Exposition bzw. Beginn der Symptome zu beginnen. Sander warnt auch davor, die Behandlung zu verzögern, weil noch auf das PCR-Ergebnis gewartet wird. „PCR-Tests sollten meiner Meinung nach keine Voraussetzung sein.“ Sie brächten durch lange Wartezeiten eine zu große Latenz in die Behandlung, was die Patienten gefährde. „Wenn der Patient die Symptome hat, es eine Exposition gab und er einen positiven Antigenschnelltest hat, dann behandeln Sie den Patienten.“
Abschließend gibt Sander noch eine Warnung mit auf den Weg: Auch wenn Omikron hierzulande oft als harmlos wahrgenommen wird, müsse man sich bewusst sein, dass das der breiten Grundimmunisierung durch Impfungen und vorherige Infektionen zu verdanken ist – in einer immunnaiveren Bevölkerung kann auch Omikron verheerend sein, wie in Hongkong geschehen. Daher müsse man sich bei den Risikopatienten auch jetzt noch Sorgen machen: „Leute, die nicht gut immunisiert oder ungeimpft sind, müssen eine Omikron-Infektion ernst nehmen.“
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