Nach einer Stammzelltransplantation entwickeln Leukämiepatienten häufig eine lebensbedrohliche Immunreaktion. Freiburger Forscher zeigen jetzt, dass Stress in den Zellen die Entzündungen antreibt.
Patienten mit Leukämie- oder Lymphomerkrankungen, die nach einer Chemotherapie eine Transplantation von blutbildenden Stammzellen eines Spenders (allogene hämatopoetische Transplantation) bekommen, entwickeln mit 30- bis 60-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine schwere Abstoßungsreaktion gegen bestimmte Organe. Diese Reaktion wird als Graft-versus-Host-Disease (GVHD) bezeichnet, weil sich das Transplantat gegen den Wirt bzw. Empfänger richtet.
Konkret greifen bei einer GVHD die mit der Stammzelltransplantation übertragenen weißen Blutkörperchen das Gewebe und die Organe des Empfängers an, wodurch insbesondere Haut-, Leber- und Darmgewebe schwer geschädigt werden können. Dadurch reduzieren sich bei Leukämie- oder Lymphompatienten mit Graft-versus-Host-Erkrankung die Überlebenschancen. Die akute GVHD trägt zu 15 bis 30 Prozent der Todesfälle bei.
Um die hohe Todesrate aufzuklären und Therapiemöglichkeiten zu entwickeln, konzentriert sich die Forschung schon seit längerer Zeit auf die Auslöser dieser gefährlichen Immunreaktion im Körper des Patienten: Was bringt die Spenderzellen zu solch aggressiven Attacken auf eigentlich gesunde Organe? Bisher war die sehr häufig auftretende GVHD eine äußerst komplexe Reaktion, die noch nicht vollständig aufgeklärt werden konnte.
Den Arbeitsgruppen von Dr. Petya Apostolova und Prof. Dr. Robert Zeiser aus der Abteilung für Tumorimmunologie und Immunregulation an der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Freiburg ist es jetzt gelungen, eine weitere molekulare Ursache für die Entstehung der GVHD zu entschlüsseln. Die Ergebnisse des Freiburger Forschungsteams wurden jüngst in der Fachzeitschrift Haematologica veröffentlicht.
Wie die Forscher herausfanden, spielt sogenannter endoplasmatischer Retikulum-Stress (ER-Stress) und eine daraus resultierende „ungefaltete Protein-Antwort“ eine entscheidende Rolle im Entstehungsmechanismus der GVHD. Als ungefaltete Protein-Antwort wird eine komplexe Reaktion von Zellen auf Stress bezeichnet, der durch die Ansammlung von Proteinen mit fehlerhafter Faltung im endoplasmatischen Retikulum (ER) entsteht.
„Wir haben festgestellt, dass die Entwicklung der GVHD mit einer starken Zunahme der zellulären Stressreaktionen assoziiert ist“, erklärt Dr. Eileen Haring, Erstautorin der Studie aus der Forschungsgruppe von Robert Zeiser. Durch Nutzung von genetischen Tiermodellen und Untersuchung von Patientenproben konnten die Wissenschaftler zeigen, dass ein Verlust des ER-Stress-Regulators Xbp1 zu einer verstärkten GVHD führte. Hingegen reduzierte die Hemmung von Inositol-Requiring Enzyme 1 Alpha (IRE1α), welches das Signal als Antwort auf ER-Stress vermittelt, GVHD in Mäusen. „Dies ist ein vielversprechendes Ergebnis, das die Grundlage für weitere essentielle Studien zur GVHD-Behandlung legen könnte,“ erklärt Petya Apostolova.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Freiburg. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Etienne Girardet, unsplash