Schlafstörungen sind weit verbreitet, aber bisher verfügbare Schlafmittel kommen mit einem ansehnlichen Berg Nebenwirkungen daher. Daridorexant soll es jetzt besser machen.
Schlafstörungen sind weit verbreitet, dennoch ist die Auswahl an geeigneten Hypnotika sehr überschaubar. Benzodiazepine, Z-Substanzen, Antihistaminika und Neuroleptika bilden die Säulen der bisher verfügbaren Schlafmittel. Nun ist eine neue Substanzklasse zugelassen: der Orexinantagonist Daridorexant.
Insomnie betrifft chronisch etwa 5–20 % der erwachsenen Bevölkerung. Die Beeinträchtigung des Schlafs kann die Lebensqualität auf unterschiedliche Weise negativ beeinflussen. Tagesmüdigkeit, Stress sowie veränderte Stimmung und Gedächtnisstörungen können soziale, berufliche und andere Aspekte des Lebens erheblich beeinträchtigen. Schlaflosigkeit ist mit langfristigen Folgen wie Bluthochdruck, Diabetes und Depression verbunden.
An Schlafstörungen sind zahlreiche Neurotransmitter beteiligt: Gamma-Aminobuttersäure, Serotonin, Histamin, Melatonin – unter anderem. Die Z-Medikamente, die an der allosterischen Alpha-1-Untereinheit des GABA-A-Rezeptors angreifen, gehören zu den am häufigsten verwendeten Hypnotika. Sie fördern den Schlaf, indem sie eine breite Aktivitätshemmung des Zentralnervensystems verursachen. Die Medikamente lösen allerdings zahlreiche Nebenwirkungen wie Abhängigkeit oder eine erhöhte Sturzneigung aus.
Benzodiazepine und Z-Substanzen werden mit Hangover-Effekten am nächsten Tag und kognitiven oder Gedächtnisstörungen in Verbindung gebracht. Weitere Probleme sind die schnelle Toleranzentwicklung, Rebound-Schlaflosigkeit nach dem Absetzen sowie ein erhebliches Missbrauchs- und Abhängigkeitsrisiko. Ein großer Teil der Menschen, denen BZD-Medikamente verschrieben wurden, werden chronische Konsumenten.
Darüber hinaus sind BZDs bei etwa 5–10 % der Autounfälle eine Ursache, obwohl die Rate in einzelnen Studien zwischen 1 % und 65 % variiert. Fall-Kontroll-Studien zeigen jedoch, dass der Konsum von BZD oder Z-Drogen das Risiko, in einen Autounfall verwickelt zu werden, etwa verdoppelt.
Die Neuropeptide Orexin A und Orexin B spielen eine wichtige Rolle sowohl beim Essverhalten als auch beim Schlafrhythmus. Sie wirken stoffwechselfördernd, erhöhen die Körpertemperatur und fördern die Gewichtsabnahme. Bezogen auf das Essverhalten wirkt Orexin zudem appetitsteigernd. Im Schlaf-Wach-Rhythmus fördern Orexine Aufmerksamkeit und Wachheit.
In den letzten Jahren wurde das Orexin-System dementsprechend als Ziel für die Entwicklung einer neuen Klasse von Schlafmitteln entdeckt. Gegenstand der Forschung war dabei der duale Orexin-Rezeptor-Antagonist (DORA) Almorexant. DORAs wirken über einen völlig anderen Wirkmechanismus als die klassischen schlaffördernden Medikamente.
Orexin-Neuronen üben ihre höchste Aktivität während aktiver Wachphasen aus und sind im Schlaf praktisch stumm. Sie projizieren auf verschiedene wachfördernde neuronale Populationen: Die histaminergen und noradrenergen Neuronen des Locus coeruleus sowie die dopaminergen Neuronen des ventralen tegmentalen Areals und die cholinergen Neuronen des basalen Vorderhirns. Durch die Aktivierung dieser Bereiche stabilisieren Orexine den Wachzustand.
DORAs hemmen nun die Orexinrezeptoren OX1R und OX2R und ermöglichen so den Schlaf. Durch selektives Targeting und Reduzieren der Aktivität von wachfördernden Neuronen können sie weiterhin verbreitete Hemmungen neuronaler Signalwege vermeiden.
Dass eine neue Substanzklasse das pharmakologische Arsenal bereichert, ist nicht häufig. Daridorexant ist nun ein neues DORA, das 2020 zwei klinische Phase-III-Studien zu Schlaflosigkeit erfolgreich abgeschlossen hat und nun zugelassen wurde. Es induziert bei Patienten mit Schlaflosigkeit eine dosisabhängige Verkürzung der Wachzeit nach dem Einschlafen. Dabei treten keine klinisch relevanten, behandlungsbedingten schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse auf, so eine Studie von Daivilliers et al.
Die Absorption des Medikaments erfolgt rasch mit einer mittleren Zeit von ~1,0 h bis zur maximalen Konzentration. Die mittlere Eliminationshalbwertszeit beträgt 8,5–9,8 h. Nach wiederholter abendlicher Verabreichung von 25 mg wurde eine minimale Akkumulation beobachtet. Bei 5 mg traten keine pharmakodynamischen Wirkungen auf. Bei 25 mg wurden Wirkungen auf alle objektiven pharmakodynamischen Parameter beobachtet. 8–12 Stunden nach der Einnahme gab es nach abendlicher Verabreichung keine Unterschiede zu Placebo und keine Auswirkungen auf die pharmakodynamischen Variablen am nächsten Tag. Ältere Probanden berichteten in früheren Studien sogar über weniger Nebenwirkungen als jüngere Erwachsene.
Es wurden zwei multizentrische, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studien an 156 Zentren in 17 Ländern durchgeführt. In Studie 1 wurden Erwachsene mit Schlaflosigkeit nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, um Daridorexant 50 mg, 25 mg oder Placebo zu erhalten. In der zweiten Zulassungsstudie erhielten die Probanden Daridorexant 25 mg, 10 mg oder Placebo.
Die primären Endpunkte waren die Veränderung der Wachzeit nach dem Einschlafen und die Latenz bis zum anhaltenden Schlaf, welche durch Polysomnographie in den Monaten 1 und 3 gegenüber dem Ausgangswert gemessen wurden. Sekundärer Endpunkt war die Veränderung der selbstberichteten Gesamtschlafzeit gegenüber dem Ausgangswert in den Monaten 1 und 3.
Daridorexant 25 mg und 50 mg verbesserten die Schlafergebnisse und Daridorexant 50 mg verbesserte auch die Tagesfunktion bei Menschen mit Schlaflosigkeit – mit einem günstigen Sicherheitsprofil. Die Gesamthäufigkeit von Nebenwirkungen war zwischen den Behandlungsgruppen vergleichbar; am häufigsten traten in allen Gruppen Nasopharyngitis und Kopfschmerzen auf.
Auch für Patienten mit Schlafapnoe kommt das neue Medikament in Frage. Die nächtliche Atmungsfunktion wurde durch Daridorexant nicht beeinflusst, wie eine Studie von Boof et al. zeigen konnte. Anhaltspuntke waren dafür unter anderem der Apnoe/Hypopnoe-Index, die nächtliche Sauerstoffsättigung (SpO2) und der verbesserte Schlaf bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer obstruktiver Schlafapnoe.
Daridorexant ist nicht der einzige Orexinantagonist. Auch andere wie Lemborexant werden die Therapie künftig bereichern.
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