Ärzten ist es gelungen, die Lendenwirbelsäule einer erwachsenen Patientin mit spastischer Hyperlordose durch Magnetstäbe zu korrigieren. Bislang kam das Verfahren vor allem in der Pädiatrie zum Einsatz. Könnte aus dem Einzelfall bald ein Routine-Eingriff werden?
Im European Spine Journal berichtet Privatdozent Dr. Christof Birkenmaier, Oberarzt für Wirbelsäulenchirurgie an der Orthopädischen Klinik und Poliklinik, LMU München, von einem außergewöhnlichen Fall. Eine 28-jährige Patientin litt an den Folgen ihrer infantilen Zerebralparese. Bei dieser Erkrankung kommt es durch unkoordinierte Kontraktionen der Muskulatur zu pathologischen Veränderungen der Gelenke, Knochen und der Skelettmuskulatur. Die Patientin litt vor allem an einer zunehmenden Hyperlordose der Lendenwirbelsäule. Aufgrund der starken konvexen Krümmung konnte sie kaum noch sitzen.
Klassische Herangehensweisen bei der Behandlung schieden laut Birkenmaier aus. Eine Mobilisierung der Wirbelsäule nach posteriorem Zugang hätte nicht den gewünschten Effekt gebracht. Beim Eingriff mit anteriorem Zugang und Korrektur der vergrößerten Bandscheiben erwartete das Team jedoch Komplikationen. Deshalb entschieden sie sich für eine OP, die vor allem aus der Pädiatrie bekannt ist.
Wie schätzen andere Experten diese Herangehensweise ein? Dr. Andreas Korge ist Chefarzt am Wirbelsäulenzentrum der Schön Klinik in München Harlaching. „Beschrieben ist in einer Einzelfallkasuistik der Einsatz der MAGEC®-Wachstumsstäbe zu einer Korrektur einer Wirbelsäulenverkrümmung bei einer erwachsenen Frau“, fasst der Experte zusammen. Die von Birkenmaier und Kollegen verwendeten Implantate, sogenannte Growing Rods, würden eigentlich ausschließlich in der operativen Therapie kindlicher Wirbelsäulendeformitäten eingesetzt, um am wachsenden Skelett eine Schienung und Lenkung der Wirbelsäule sicherzustellen und eine Verbesserung einer Deformität zu erreichen. Korge dazu: „Prinzipiell gibt es verschiedene mitwachsende Stabtechnologien. Der Benefit der im vorliegenden Fall verwendeten Implantates liegt darin, dass die Stäbe per Fernbedienung von außerhalb des Körpers verlängert werden können.“ Laut Hersteller sei das Implantat nach Ausreifung des Skeletts wieder zu entfernen.
„Somit ist im aktuell publizierten Fall von einem off-label Einsatz zu sprechen, also einer Verwendung außerhalb der üblichen Freigabe“, resümiert Korge. Birkenmaier bestätigt die Einschätzung seines Kollegen: „Wir verwenden das Verfahren mitunter off-label zur Deformitätenkorrektur und nicht nur bestimmungsgemäß bei Early-onset-Skoliosen. Aber dies werden sicherlich immer Einzelfälle bleiben.“ Korge sieht die Anwendung bei „einzelnen wohlüberlegten Fällen, bei denen die etablierten Methoden der Deformitätenchirurgie beim Erwachsenen nicht zum Einsatz kommen können“. Von einem routinemäßigen Gebrauch bei Patienten mit Hyperlordose sei derzeit nicht auszugehen. „Hierzu würden auch umfangreiche Studien mit einem größeren Patientenkollektiv erforderlich sein“, sagt der Experte abschließend.