Ein neuer Stern am Himmel der Adipositas-Therapie? Das Antidiabetikum Tirzepatid liefert in einer klinischen Studie jetzt vielversprechende Ergebnisse.
In einer klinischen Phase-III-Studie konnte der Wirkstoff Tirzepatid bei Adipositas-Patienten ordentlich punkten: 63 % der Probanden konnten mindestens 20 % ihres Körpergewichts reduzieren – das übersteigt sogar die Zielsetzung von 10 %, die in den Leitlinien angestrebt werden. Dabei verloren die Probanden nach 72 Behandlungswochen bis zu 24 kg ihres Gewichts mit der höchsten Dosierung des GIP/GLP-1-Agonisten (15 mg). Allerdings wurde die Studie noch nicht publiziert, sodass die Ergebnisse lediglich aus einer Pressemitteilung des Herstellers hervorgehen.
Insgesamt umfasste die Placebo-kontrollierte Studie 2.539 erwachsene Teilnehmer mit Adipositas oder Übergewicht mit mindestens einer Komorbidität, die allerdings nicht an Diabetes leiden. Das durchschnittliche Ausgangskörpergewicht betrug 105 kg. Dabei erreichten die Teilnehmer eine durchschnittliche Gewichtsreduktion von 16 % (16 kg) bei 5 mg Tirzepatid, 21,4 % (22 kg) bei 10 mg und 22,5 % (24 kg) bei 15 mg verglichen mit dem Placebo (2,4 % bzw. 2 kg). Zudem konnten 89 % (5 mg) und 96 % (10 mg und 15 mg) der Probanden mindestens 5 % ihres Körpergewichts reduzieren; in der Placebo-Gruppe waren es lediglich 28 %. 55 % (10 mg) bzw. 63 % (15 mg) der Personen, die Tirzepatid einnahmen, konnten ihr Gewicht sogar um 20 % reduzieren – nur 1,3 % der Teilnehmer, die ein Placebo erhielten, erreichten dieses Ziel.
Bei der Behandlung mit Tirzepatid traten, ähnlich wie bei anderen Inkretin-basierten Therapien, bestimmte Nebenwirkungen auf, die hauptsächlich den Magen-Darm-Trakt betrafen und insgesamt leicht bis mittelschwer verliefen. Meist traten sie während der Dosissteigerungsphase auf. Dazu gehörten: Übelkeit, Durchfall, Erbrechen und Verstopfung.
Tirzepatid ist ein GIP- (Glukose-abhängiges insulinotropes Polypeptid)-Rezeptor und GLP-1- (Glukagon-ähnliches Peptid-1)-Rezeptoragonist, der einmal wöchentlich verabreicht wird. Das Präparat aktiviert die körpereigenen Inkretinhormone GIP und GLP-1, die in der Regel während Mahlzeiten von unterschiedlichen Zellen des Magen-Darm-Trakts gebildet werden.
Sie fördern unter anderem die Freisetzung von Insulin und verlangsam die Magenentleerung und vermindern den Appetit. Inkretine werden häufig in der Diabetes-Therapie eingesetzt, wobei sich die Gewichtsreduktion als Begleiterscheinung herausgestellt hatte. Bereits in der klinischen SURPASS-2-Studie führte Tirzepatid erfolgreich zum Gewichtsverlust bei übergewichtigen Typ-2-Diabetes-Patienten. Semaglutid – ebenfalls ein GLP-1-Agonist – hat sich bisher auch als vielversprechend in der Behandlung von Adipositas gezeigt (wir berichteten). Das Medikament wurde im vergangenen Jahr in den USA und vor kurzen hier in Europa zugelassen.
„Adipositas ist eine chronische Krankheit, die trotz ihrer Auswirkungen auf die physische, psychische und metabolische Gesundheit, die ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Krebs und eine verringerte Überlebensrate beinhalten kann, oft nicht den gleichen Behandlungsstandard wie andere Erkrankungen erhält“, sagte Prof Louis J. Aronne Fettleibigkeitsexperte und Direktor des Comprehensive Weight Control Center in New York, USA. Dabei führe Tirzepatid zu einer beeindruckenden Reduzierung des Körpergewichts, was bei der Behandlung dieser komplexen, chronischen Krankheit helfen könne.
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