Egal ob Sportler, Kinder oder Rentner, der Trend geht zu Barfußschuhen. Doch wer profitiert wirklich von ihnen – oder ist Barfußlaufen immer noch das Maß der Dinge?
Seit einigen Jahren sind Barfußschuhe aus keiner Diskussion ums Schuhwerk mehr wegzudenken. Sei es als vermeintlich beste Option für die ersten Kinderschuhe, als gesunde Alternative für den Alltag oder als Innovation der Laufschuhe für Sportler, um das Verletzungsrisiko zu minimieren. Was unterscheidet also Barfußschuhe von herkömmlichen Schuhen?
Man unterscheidet zwischen klassischen Barfußschuhen und Zehenschuhen. Letztere bieten, wie der Name bereits verrät, jedem Zeh eine eigene kleine Kammer. Die viel weiter verbreiteten Barfußschuhe zeichnen sich vor allem durch ihre Machart aus. So sind die Sohlen sehr dünn und flexibel. Die Schuhe verzichten meist auf ein festes geformtes Fußbett, die Einlegesohlen sind entweder sehr minimalistisch gehalten oder aus Material gefertigt, das sich der natürlichen Fußform leicht anpassen kann. Die Absatzsprengung ist minimal gehalten – der Schuh ist selbstverständlich flach. Im Zehenbereich wird vertikal mehr Platz geboten. Ebenso sind die Leisten im Vorfußbereich deutlich breiter, um eine natürliche Abrollbewegung zu ermöglichen und den Zehen genügend Platz zu bieten.
Zusätzlich spielt die Materialität eine tragende Rolle. Die Obermaterialen sind dünn, atmungsaktiv und in vielen Fällen nachhaltig. Die Sohlenmaterialien unterstützen eine sanfte Federung und ein leichtes Abrollen. Die Materialien schmiegen sich an den Fuß an und lassen diesem trotzdem genug Raum, sich zu Bewegen. Es wird darauf geachtet, dass der Fuß auch im Laufe des Tages immer noch genug Platz im Schuh hat. Die Fußgröße kann sich nämlich im Tagesverlauf – je nach Belastung, Temperatur und individueller Veranlagung – ändern.
Das klingt soweit gut. Aber sind die beliebten Schuhe wirklich so gesund, wie ihr Ruf vermuten lässt?
Sportler haben besondere Ansprüche an den perfekten Laufschuh (wir berichteten). Um die Unterschiede zwischen den Optionen festzustellen, verglich eine Studie die Schrittlänge und die Spitzenbelastung im Knie sowie im Knöchel beim Barfußlaufen, beim Laufen mit Barfußschuhen und herkömmlichen Laufschuhen bei Hobby-Langstreckenläufern. Fünfzehn Läufer (10 Männer, 5 Frauen), die üblicherweise konventionell gedämpfte Schuhe trugen, nahmen an der Studie teil. Die Schrittlänge sowie die Knie- und Knöchelmomente wurden während des Laufens auf einer Indoor-Laufbahn bei einer selbst gewählten angenehmen Geschwindigkeit barfuß, in minimalistischen und in maximalistischen Schuhen aufgezeichnet. Jede Bedingung wurde an einem anderen Tag durchgeführt und die Reihenfolge der Bedingungen war randomisiert und ausgeglichen.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Schrittlänge und das maximale Kniebeugemoment von barfuß über minimalistische bis hin zu maximalistischen Schuhen zunehmen und dass sich das Knöchelmoment in Abhängigkeit vom Schuhwerk signifikant verändert. Das gewählte Schuhwerk beeinflusst also die selbst gewählte Schrittlänge und die Spitzenbelastung der unteren Gliedmaßen – das kann einen Risikofaktor für laufbedingte Knieverletzungen darstellen.
Eine weitere Studie bestätigt diese Ergebnisse. Sportwissenschaftler Dr. Jonathan Sinclair und sein Team konnten bestätigen, dass Minimalschuhe für Läufer ein erhöhtes Risiko für stoßbedingte chronische Verletzungen mit sich bringen, jedoch das Risiko für patellofemorale und laterale tibiofemorale Pathologien im Vergleich zu traditionellen Laufschuhen vermindern. Darüber hinaus können maximale Laufschuhe aufgrund der erhöhten Knöchelumdrehung das Risiko für die Entstehung eines medialen Tibiastresssyndroms im Vergleich zu minimalen und traditionellen Laufschuhen erhöhen.
Nicht nur im professionellen und semi-professionellen Bereich sind Barfußschuhe ein geläufiges Thema: Den Schuhen wird nachgesagt, dass sie auf natürliche Weise Barfußlaufen imitieren, aber dennoch eine schützende Funktion bieten. Eine aktuelle Studie untersuchte nun erstmals, ob das Gehen mit Minimalschuhen in Bezug auf Gangstabilität und Variabilitätsparameter mit dem Barfußgehen vergleichbar ist. Dr. Evi Petersen und ihr Team schließen, dass Barfußschuhe eine erhöhte Trittsicherheit und Stabilität bieten. Das ist vor allem für ältere Menschen hilfreich.
„Um das Sturzrisiko zu verringern, kann ein Gehtraining mit minimalistischen Schuhen eine Alternative zum Barfußlaufen oder eine Übergangsoption zwischen Schuhen und Barfußlaufen für ältere Erwachsene sein“, erklären die Forscher in ihrer Arbeit. „Das Tragen von Minimalschuhen könnte älteren Erwachsenen dabei helfen, Barrieren wie die Scham über die eigenen Füße, die Angst vor Stürzen oder die Angst vor Instabilität sowie das Gefühl, kalte Füße zu haben zu überwinden, die mit dem Barfußlaufen verbunden sind.“
Gangstabilität und -variabilität bei jüngeren und älteren Erwachsenen – barfuß vs. minimalistische Schuhe. Credit: Petersen Et al.
Auch bei Kinderfüßen ist das Thema Barfußschuhe nicht mehr wegzudenken. Man will die Kinder nicht zu früh in feste Schuhe zwängen, ihnen aber trotzdem Unterstützung und Schutz bieten. Sind Minimalschuhe die Lösung? Das Team um Dr. Petersen ist auch dieser Frage nachgegangen. Die Untersuchungen an jüngeren Erwachsenen und Kindern haben gezeigt, dass Barfußtraining zur geringeren Dorsalflexion des Knöchels beim Auftreten führen kann. Dies deutet darauf hin, dass Barfußschuhe einen positiven Einfluss auf die Verringerung des Sturzrisikos haben könnten. Bei beiden Versuchsgruppen wurde allerdings kein Vergleich zu den eigenen Schuhen der Teilnehmer gezogen.
Trotzdem zeigt die Studie, „dass minimalistische Schuhe im Vergleich zum Barfußgehen signifikante Auswirkungen auf Gang- und Sturzvorhersageparameter haben“, so die Wissenschaftler in ihrer Conclusio. Die Ergebnisse deuten also auf eine erhöhte lokale dynamische Stabilität und eine geringere Gangvariabilität als beim Barfußlaufen hin. „Das Gehen mit Minimalschuhen ist allerdings nicht direkt mit dem Barfußlaufen vergleichbar, und die positiven Auswirkungen des Barfußlaufens sind nicht unbedingt auf das Gehen mit Minimalschuhen übertragbar“, ergänzen die Forscher.
Auch verglichen mit herkömmlichen Schuhen sind Barfußschuhe eine gute Alternative. Das bestätigt eine aktuelle Studie zu ihren Langzeiteffekten auf die kindliche Fußgesundheit. Das Team um Dr. Shayan Quinlan, Forscherin mit Fokus auf die Auswirkungen des Schuhdesigns auf Fußgesundheit und Leistungsfähigkeit von Kindern, bestätigt: Das Tragen von moderaten minimalistischen Schuhen verbessert langfristig das Gleichgewicht bei Kindern und wird daher empfohlen.
Barfußschuhe könnten die kindliche Fußentwicklung auch bezüglich ihrer Gangart positiv beeinflussen. Die Ergebnisse einer diesbezüglichen Studie legen nahe, dass das Tragen von Minimalschuhen und das Barfußgehen – im Vergleich zu festem Schuhwerk – den kindlichen Zehenspitzengang beeinflussen. Denn: Das Auftrittsmuster wird bei Kindern durch das Schuhwerk beeinflusst. Je älter die Kinder werden, desto stärker wird die plantare Beugung des Knöchels beim Gehen in Barfuß- und Minimalschuhen. Im Gegensatz dazu änderte es sich nicht, wenn die Kinder Standard-Laufschuhe trugen.
Wie in vielen Dingen, ist das Tragen von Barfußschuhen eine Ermessensfrage. Das minimale Schuhwerk bringt durchaus viele Vorteile mit sich. Diese sind aber oft auch mit der meist besseren Qualität der Materialität verbunden, mit denen hochwertige Barfußschuhe hergestellt werden. Ältere Menschen und Kinder können sowohl von der besseren Materialität, als auch von der anatomischen Fußform und dem Raum, der den Füßen in Barfußschuhen gegeben wird, profitieren. Wahrscheinlich ist aber die richtige Mischung und das passende Schuhwerk für den jeweiligen Zweck immer noch die beste Option.
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