Selbst leichter Bluthochdruck während einer Schwangerschaft sollte aktuellen Erkenntnissen zufolge behandelt werden. Doch wie hoch ist zu hoch?
Die multizentrische, US-amerikanische Studie Chronic Hypertension and Pregnancy (CHAP) widmete sich der Frage, ob chronischer Bluthochdruck während der Schwangerschaft behandelt werden sollte, oder nicht. Laut den im New England Journal of Medicine veröffentlichten Ergebnissen sei ein gut eingestellter Blutdruck ausschlaggebend, um das Risiko schwangerschaftsbedingter Nebenwirkungen zu senken. Dabei beeinträchtige die antihypertensive Therapie nicht das Wachstum des Fötus. Bisherige Leitlinien könnten von den neuen Erkenntnissen profitieren.
Als Schwangerschaftshypertonie wird ein erhöhter arterieller Blutdruck bezeichnet, der in der Schwangerschaft auftritt. Der Grenzwert liegt bei einem Blutdruck von 140/90 mmHg, welcher ca. nach der 20. SSW auftritt und in der Regel bis zur 6. Woche nach der Geburt andauert. Besteht gleichzeitig eine weitere Organmanifestation (meist Proteinurie), spricht man von einer Präeklampsie. Die Präeklampsie sowie weitere hypertensive Schwangerschaftserkrankungen sind mit schweren Komplikationen vergesellschaftet und können zu Entwicklungsstörungen sowie zu frühzeitigen Entbindungen führen.
Laut aktueller Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) wird zwischen milder/moderater Hypertonie (140–159/90–109 mm Hg) und schwerer Hypertonie (≥160/110 mm Hg) unterschieden. Derzeit bestehe aber „kein Konsens, ob eine Schwangere mit milder bis moderater Hypertonie antihypertensiv behandelt werden soll.“ Die neue CHAP Studie zielt darauf ab, genau diesen Konsens zu schaffen.
Eingeschlossen in die Studie wurden 2.408 schwangere Frauen mit chronischer Hypertonie, welche als ein Blutdruck von bis 160/90 mm Hg definiert wurde. In randomisierten Gruppen wurden die Teilnehmerinnen entweder bis zu einem Zielblutdruck von weniger als 140/90 mm Hg medikamentös therapiert oder keiner Behandlung unterzogen (Kontrollgruppe). Alle Frauen hatten eine Einlingsschwangerschaft. Schwerer Bluthochdruck (mindestens 160/105 mm Hg) war ein Ausschlusskriterium, ebenso wie verschiedene Begleiterkrankungen, wie Nierenerkrankungen.
Der primäre Endpunkt war erreicht, wenn eines der folgenden Ereignisse eintraf: Schwerere Präeklampsie, Frühgeburt (< 35 Schwangerschaftswoche), Plazentaablösung und fötaler/neonataler Tod. Eine Behandlung des Bluthochdrucks zeigte im Vergleich zu keiner Behandlung eine relative Risikoreduktion dieser Ereignisse von 18 % (30,2 % vs. 37 %, (HR 0,82; P < 0,001)).
Wurden die Komponenten separat ausgewertet, bestand der größte Vorteil der Behandlung darin, schwere Präeklampsien (23,3 % gegenüber 29,1 %; HR, 0,80) und Frühgeburten (12,2 % gegenüber 16,7 %; HR, 0,73) zu verringern. Obwohl auch Plazentaablösungen und fötaler oder neonataler Tod in der Gruppe mit aktiver Behandlung geringer waren, bestand dort keine statistische Signifikanz.
Als bevorzugte blutdrucksenkende Medikamente wurden der Betablocker Labetalol oder der Kalziumkanalblocker Nifedipin eingesetzt. Beide Medikamente gehören zu den während der Schwangerschaft zugelassenen Antihypertensiva. Konnte das Blutdruckziel auch bei maximaler Dosierung eines einzelnen Medikaments nicht erreicht werden, wurde ein zweiter Wirkstoff eingesetzt. Im Verlauf der Studie lag der mittlere systolische Blutdruck in der aktiven Behandlungsgruppe bei 129,5 mm Hg und in der Kontrollgruppe bei 132,6 mm Hg, während der diastolische Blutdruck 79,1 mm Hg bzw. 81,5 mm Hg betrug.
Die Studie beobachtete weiterhin, ob eine antihypertensive Behandlung sich auf die Entwicklung des Babys sowie perinatale Komplikationen auswirkt. Ein besonderer Fokus lag hier auf als Small for Gestational Age (SGA) bezeichneten Feten oder Neugeborenen, deren Schätz- bzw. Geburtsgewicht unterhalb der 10. Perzentile liegt.
Die SGA-Rate, war in der Behandlungsgruppe leicht erhöht (11,2 % gegenüber 10,4 %), wobei der Unterschied nicht signifikant war (P = 0,76). Schwere SGA, die als unter dem 5. Perzentil liegend definiert war, war in der Kontrollgruppe nicht signifikant höher als in der Behandlungsgruppe (5,1 % gegenüber 5,5 %). Die Inzidenz von Ereignissen, welche mit mütterlicher Morbidität zusammenhängen, wie Tod der Mutter (0,1 % vs. 0,2 %), Lungenödem (0,4 % vs. 0,9 %), Herzversagen (0,1 % vs. 0,1 %) und akute Nierenschädigung (0,8 % vs. 1,2 %), war bei aktiver Behandlung im Vergleich zu keiner Behandlung entweder geringer oder gleich.
Die Studie bringt neue Erkenntnisse, die laut Forschungsgruppe praxisverändernd sein könnten. Sie unterstreicht, dass es notwendig scheint, selbst leichten, chronischen Bluthochdruck (>140/90 mm Hg) während der Schwangerschaft zu behandeln und löst damit ein lang bestehendes Dilemma für Kliniker.
Das American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) wertet die Daten derzeit im Hinblick auf eine Änderung der aktuellen Richtlinien für den Umgang mit Bluthochdruck in der Schwangerschaft aus.
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