Intranasale Impfungen gegen Corona könnten die Übertragung des Virus weitestgehend verhindern – doch die Entwicklung ist kompliziert. Deutsche Forscher stellen jetzt einen neuen Lebendimpfstoff im Nasenspray-Format vor.
Auch wenn es derzeit hierzulande nicht danach aussieht – die Corona-Pandemie ist noch längst nicht überstanden. Deswegen forschen Wissenschaftler weltweit auch weiterhin an Impfstoffen, die zuverlässig vor neuen Varianten schützen sollen. Im besten Fall sollen sie auch gleich deren Übertragung verhindern. Das schaffen die derzeit zugelassenen SARS-CoV-2-Impfungen nicht. Sie verhindern zwar schwere Verläufe und führen zu einer niedrigeren Viruslast bei geimpften Infizierten, eine sterile Immunität lösen sie aber erwartungsgemäß nicht aus.
Alle derzeit zugelassenen SARS-CoV-2-Impfstoffe werden intramuskulär verabreicht und induzieren die Bildung von neutralisierenden Antikörpern im Blutkreislauf – vor allem IgG und IgA. Um Übertragungen zu verhindern, müsste die Impfung allerdings auch dort eine stabile Immunantwort auslösen, wo die Viren in den Körper eindringen: In den Schleimhäuten von Mund und Nase und in den oberen Atemwegen. In geringem Umfang können das die intramuskulär zu verabreichenden Impfstoffe sogar leisten, wie Daten zeigen. Mukosalen Impfstoffen wird hier aber ein sehr viel größeres Potenzial eingeräumt.
Doch die Umsetzung ist nicht einfach. Das Problem: Übliche Impfstoff-Typen, die über die Nase verabreicht werden, rufen keine besonders starke Immunantwort hervor. Schon bei anderen Impfungen zeigte sich, dass insbesondere Lebendimpfstoffe gut abschneiden. Im Falle von SARS-CoV-2 bräuchte man also ein Coronavirus, dass abgeschwächt genug ist, um auch in Menschen mit relativ schwachem Immunsystem sicher benutzt werden zu können, aber noch stark genug um eine gute Immunantwort hervorzurufen – diese Balance zu finden, hat sich schon bei anderen Viren, wie etwa dem RS-Virus, als sehr schwierig erwiesen.
Ein Forscherteam aus Deutschland, u.a. von der Virologie der Freien Universität Berlin, der Virologie der Charité Berlin und vom Max Delbrück Centrum, hat sich dem Problem jetzt angenommen und einen abgeschwächten Lebendimpfstoff gegen Corona entwickelt, der per Nasenspray appliziert wird. Das Vakzin namens sCPD9 enthält ein attenuiertes SARS-CoV-2-Virus, das an 200 von 30.000 Stellen im Erbgut verändert wurde. Die Forscher haben das Virus genetisch so modifiziert, dass es zwar ansteckend, aber nicht mehr vermehrungsfähig ist. Diesen Impfstoff verabreichten sie Hamstern und verglichen die Immunantwort mit der von Tieren, die den mRNA-Impfstoff von Biontech oder einen Adenovirus-Impfstoff bekommen haben, der nur das Spike-Protein enthielt.
Die Forscher fanden deutlich höhere Mengen neutralisierender Anti-SARS-CoV-2-IgA in der Nasenschleimhaut von Tieren, die mit sCPD9 geimpft waren als bei den anderen Tieren. Die Hamster zeigten nach der zweifachen Impfung mit sCPD9 zudem fast keine Krankheitssymptome und nur leicht erhöhte Entzündungswerte.
Beim Schutz vor Infektionen, inklusive neuer Varianten, schnitt die zweifache Impfung mit dem attenuierten Lebendimpfstoffkandidat im Vergleich zu den anderen zwei Impfstoffen am besten ab. Auf Platz 2 folgte die kombinierte Impfung mit einem mRNA-Impfstoff und dem Lebendimpfstoff als zweite Dosis. Die Autoren sehen in dieser Kombination großes Potenzial für ihren Lebendimpfstoff, insbesondere weil sCPD9 auch als Booster die humoralen Immunantworten gegen die Varianten Beta und Omikron BA.1 verstärken konnte. Die Untersuchungen deuten zudem darauf hin, dass der Lebendimpfstoff offenbar B-Gedächtniszellen aktivieren kann – also einen guten Langzeitschutz erzielen könnte. Insgesamt zeigte sCPD9 in der Studie also eine gute Wirksamkeit. Bis zu Tests am Menschen dürfte es aber noch dauern.
Das Unternehmen Codagenix ist schon etwas weiter. Laut Pressemitteilung des Unternehmens erzielte ihr nasal applizierter attenuierter Lebendimpfstoff namens CoviLiv in einer Phase-I-Studie gute Ergebnisse: Das Vakzin löste bei gesunden Erwachsenen eine starke zelluläre Immunreaktion sowie eine Antikörperreaktion auf den Schleimhäuten gegen viele konservierte Proteine in bekannten Corona-Varianten aus. Dank der breiten Immunität käme man womöglich ohne eine Modifizierung des Impfstoffs bei Auftreten neuer Varianten auf, heißt es in der Mitteilung. Der Hersteller plant Mitte des Jahres mit dem Start einer Phase-II/III-Studie.
Bildquelle: Trude Jonsson Stangel, unsplash