Das Onkogen RAS befeuert bekanntlich das Tumorwachstum und lässt sich bisher nicht gezielt ausschalten. Eine aktuelle Studie liefert nun einen möglichen Angriffspunkt: Den Glukokortikoid-Rezeptor.
Onkogene können zu unkontrollierter Zellteilung und Tumorwachstum führen. Bei rund einem Drittel der menschlichen Krebserkrankungen spielt das Onkogen RAS (rat sarcoma) eine Rolle – insbesondere bei Lungen-, Pankreas- und Darmtumoren. Obwohl RAS bereits Anfang der 1980-er Jahre entdeckt wurde, gibt es bislang keine zielgerichteten Therapien.
Unabhängig vom beteiligten Onkogen werden oftmals Glukokortikoide in der Krebs-Behandlung eingesetzt. Diese wirken über den Glukokortikoid-Rezeptor der Zelle. Nach Bindung des Wirkstoffs wandert der Rezeptor in den Zellkern und reguliert dort die Genexpression. Was der Glukokortikoid-Rezeptor jedoch außerhalb des Zellkerns bewirkt, ist weitgehend unbekannt. „Auf der zytoplasmatischen Seite der Zellmembran befinden sich RAS-Proteine. Daher haben wir die Hypothese aufgestellt, dass der Glukokortikoid-Rezeptor außerhalb des Zellkernes mit diesen Proteinen wechselwirkt und ihre Aktivität hemmt“, erklärt Dr. Ion Cirstea, Wissenschaftler an der Universität Ulm und einer der Seniorautoren der im Science Signaling erschienenen Studie.
Um ihre Annahme zu überprüfen haben die Forscher aus Ulm, Düsseldorf und Wien ein zweistufiges Studiendesign gewählt. Bei Zellen aus dem Mausmodell entfernten sie zunächst den Glukokortikoid-Rezeptor mithilfe der Genschere CRISPR-Cas9 oder durch Gen-Knockout. Somit konnten die Aktivitäten des Onkogens RAS unbeeinflusst vom Rezeptor untersucht werden. Inwiefern steuert RAS das Zellteilungsverhalten und somit das Tumorwachstum? Solchen Fragen sind die Forschenden unter anderem mithilfe von Durchflusszytometrie und Phosphorylierungsnachweis von Signalmolekülen, Genexpressionsanalysen und Immunofluoreszenz-Mikroskopie nachgegangen. In der zweiten Stufe untersuchten sie anhand von Lungenkarzinom-Zellen mit RAS-Mutation, ob diese noch Tumore im Modell bilden können, wenn der Glukokortikoid-Rezeptor fehlt.
In ihrer aktuellen Publikation beschreiben die Autoren gleich mehrere interessante Entdeckungen: Außerhalb des Zellkerns befinden sich sowohl der Glukokortikoid-Rezeptor als auch das Onkogen RAS und weitere Moleküle in größeren Proteinkomplexen. Ist der Rezeptor bereits in den Zellkern gewandert oder wurde er mit molekularbiologischen Methoden entfernt, waren das Onkogen und seine Signalwege deutlich aktiver. Im Umkehrschluss scheint der Glukokortikoid-Rezeptor RAS ausbremsen zu können. „Mit unseren Untersuchungen konnten wir die Hypothese vorerst bestätigen: RAS-Proteine stehen tatsächlich in Wechselwirkung mit dem Glukokortikoid-Rezeptor, und dieses Zusammenspiel kann offenbar die Aktivität von RAS als Tumortreiber verringern“, resümiert die Erstautorin, Dr. Bozhena Caratti.
Soweit die Forscher wissen, handelt es sich um die weltweit erste Studie zur tumorhemmenden Wechselwirkung des RAS-Onkogens mit einem Rezeptor in einem Proteinkomplex. „Gelingt es, das Zusammenspiel zwischen RAS und Glukokortikoid-Rezeptor zu verstärken, könnte dies der Entstehung von Lungenkrebs vorbeugen“, erklärt Professor Jan Tuckermann, Leiter des Ulmer Instituts für Molekulare Endokrinologie der Tiere.
Allerdings müssten zunächst die Wechselwirkungen des Glukokortikoid-Rezeptors mit RAS und der Proteinkomplex weiter charakterisiert werden. Erst dann kann über konkretere therapeutische Ansätze oder präklinische Studien nachgedacht werden.
Ansonsten könnten sich die Forschungsergebnisse durchaus auf den Menschen übertragen lassen: „Datenbank-Analysen zu Patienten mit Lungenkarzinomen zeigen, dass ein herunterregulierter Glukokortikoid-Rezeptor mit einer schlechteren Prognose verbunden ist“, ergänzt Dr. Herwig Moll von der Medizinischen Universität Wien.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Universität Ulm. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Milada Vigerova, unsplash.