Es gibt neue Daten zur HPV-Impfung: Wieder zeigt sich, dass Infektionen mit onkogenen Viren stark zurückgehen. Auch Ungeimpfte profitieren von der höheren Impfquote. Ein Überblick.
Die HPV-Impfung ist eine der Impfungen, die nicht „nur“ vor Infektionserkrankungen, sondern auch vor Krebserkrankungen schützen kann. Tatsächlich war sie die erste Impfung, die, aufbauend auf den Grundlagenarbeiten des deutschen Nobelpreisträgers Harald zur Hausen vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg, explizit für die Krebsprotektion entwickelt wurde. Mittlerweile gibt es Daten, die belegen, dass nicht nur die Zahl der Infektionen mit onkogenen humanen Papillomviren, sondern auch die Inzidenz von Zervixkarzinomen im Gefolge der Einführung der Impfung zurückgegangen ist. Allerdings sind die epidemiologischen Effekte der Impfung auf Populationsebene bisher nur in Ansätzen beschrieben.
Hier leistet eine neue Publikation Abhilfe, die jetzt in den Annals of Internal Medicine veröffentlicht wurde. Die Analyse erfolgte durch Wissenschaftlerinnen der US-Gesundheitsbehörde CDC im Rahmen der epidemiologischen NHANES-Kohorte. In den USA wurde die quadrivalente HPV-Vakzine, die die beiden onkogenen Viren HPV 16 und 18 abdeckt, für Mädchen im Jahr 2006 und für Jungs im Jahr 2011 eingeführt. Ab 2016 wurde sie zunehmend ersetzt durch die neunvalente Nachfolgeimpfung, die auch noch die onkogenen Viren HPV 31, 33, 45, 52 und 58 enthält.
Die von Dr. Hannah Rosenblum vom National Center for Immunization and Respiratory Diseases der CDC in Atlanta federführend geleitete Studie fokussierte auf sexuell aktive junge Menschen zwischen 14 und 24 Jahren. Es wurden die Zeitfenster 2007 bis 2010, 2011 bis 2014 und 2015 bis 2018 betrachtet, alles vor Beginn der Pandemie. Die Analyse der HPV-Prävalenzen erfolgte mit Hilfe eines PCR-basierten Test, der 37 HPV Typen abdeckt, auf Basis von Material, das per Selbstabstrich gesammelt wurde. In den drei Zeitfenstern wurden jeweils 600 bis 750 Probanden abgestrichen, als Vergleich dienten knapp 1100 Abstriche aus den Jahren 2003 bis 2006.
Der Anteil der Mädchen bzw. jungen Frauen von 14 bis 24 Jahren, die mindestens eine HPV-Impfung erhalten hatten, betrug für den Zeitraum 2007 bis 2010 insgesamt 25,2 %, für den Zeitraum 2015 bis 2018 waren es 59 %. Vor dem 15. Lebensjahr geimpft wurden im Zeitraum 2011-2014 rund ein Viertel all derer, die geimpft wurden, konkret 27,2 %. Im Folgezeitraum 2015-2018 betrug dieser Anteil schon 48,6 %. Bei den Jungs hatten 2011 bis 2014 insgesamt 14,1 % und 2015 bis 2018 insgesamt 29,5 % mindestens eine HPV-Impfung erhalten. Der Anteil der vor dem 15. Lebensjahr geimpften Jungs betrug 18,6 % aller geimpften Jungs für den Zeitraum 2011 bis 2014 und 48,7 % für den Zeitraum 2015 bis 2018.
Wie haben sich diese Impfungen jetzt konkret auf die Prävalenzen der unterschiedlichen HPV Subtypen ausgewirkt? In der „Ära“ vor den Impfungen lag die Prävalenz der vier im quadrivalenten Impfstoff verimpften Subtypen bei den Mädchen/Frauen zwischen 14 und 24 Jahren bei 18,5 %. Dieser Wert fiel bis auf nur noch 2,8 % im Zeitraum 2015 bis 2018, eine Reduktion um 85 %. Sind das jetzt nur die Geimpften? Nein. Tatsächlich gab es anfangs, im Zeitfenstere 2007 bis 2010, noch keinerlei Effekt bei den Ungeimpften, dagegen eine Reduktion um 61 % bei den Geimpften. Im Zeitfenster 2015 bis 2018 betrug die Reduktion bei den Geimpften dann schon 90 %, gemessen am Niveau vor der Impfstoffära. Und auch bei den Ungeimpften war das Minus stattlich, nämlich 74 %. All das war problemlos statistisch signifikant. „Dieser Rückgang bei den Ungeimpften deutet auf starke Herdeneffekte bzw. indirekte Schutzeffekte des Impfprogramms hin“, so Rosenblum.
Die Wissenschaftler können auch weitgehend ausschließen, dass es sich bei den beobachteten Rückgängen um Folgen geänderten Sexualverhaltens handelt. Dass das eher nicht der Fall ist, darauf deuten die Prävalenzen der nicht verimpften HPV-Subtypen hin, die sich in den ganzen 17 Jahren praktisch nicht verändert haben. Diese Beobachtung sei auch rückversichernd für jene, die befürchtet hatten, dass es durch die Impfungen zu einer Verschiebung der HPV-infektionen in Richtung nicht verimpfter HPV Stämme komme, sagte Rosenblum. Dies sei zumindest bisher eindeutig nicht der Fall.
Bei den Jungs sind die Ergebnisse bei insgesamt kürzerem Gesamtzeitfenster, niedrigeren Infektionsquoten und kleineren Teilnehmerzahlen ähnlich. Im Zeitfenster 2013 bis 2016 betrug die Prävalenz der vier im quadrivalenten Impfstoff enthaltenen HPV Serotypen bei geimpften Jungs/jungen Männern 1,8 % und bei ungeimpften 3,5 %. Bei den nicht im Impfstoff enthaltenen HPV Stämmen gab es keinen Unterschied. Dass die errechneten Impfeffektivitäten jeweils etwas unter denen der randomisierten Studien liegen, sei nicht verwunderlich, so die Autoren. Zum einen wird im realen Leben ein Teil der Impfungen nach den ersten sexuellen Kontakten appliziert. Zum anderen verzerren die indirekten Schutzwirkungen des Impfprogramms die in der Versorgungswirklichkeit berechneten Effektivitäten, sodass diese gerade wegen des Erfolgs des Impfprogramms nur bedingt aussagekräftig sind.
Dass es in Deutschland relevanten Nachholbedarf in Sachen HPV-Impfung bei Jugendlichen gibt, ist kein Geheimnis. Aktuelle Zahlen können dem Epidemiologischen Bulletin 50/2021 entnommen werden. Nur etwa die Hälfte der 15-jährigen Mädchen ist demnach vollständig geimpft, knappe zwei Drittel haben zumindest eine Impfung erhalten. An diesen Quoten ändert sich während der restlichen Pubertät dann auch nicht mehr viel.
Weiterhin gilt, dass es bei der HPV-Impfung deutliche Unterschiede bei den Impfquoten zwischen einzelnen Bundesländern und insbesondere ein klares Ost-West-Gefälle zugunsten der östlichen Bundesländer gibt. So sind in Baden-Württemberg 37,9 % der 15-jährigen Mädchen und 3,7 % der 15-jährigen Jungs vollständig geimpft. Nur Bremen liegt mit 37,7 % und 3,0 % noch etwas schlechter. Nicht doll schneiden auch Bayern und Hessen ab, wo die Mädchenquoten (15 Jahre) bei 40,2 % und 43,5 % und die Jungsquoten (15 Jahre) bei 3,6 % und 4,3 % liegen. Ganz anders dagegen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommer. Hier werden bei den 15-jährigen Mädchen 61,0 %, 66,9 % und 65,3 % erreicht. Bei den Jungs sind es 7,5 %, 10,0 % und 10,1 %.
Wer sich das Ost-West-Drama auf Landkreisebene ansehen möchte, für den stellt das RKI eine entsprechende Landkarte zur Verfügung. In Berchtesgaden und am Bodensee ist es hell bzw. düster. Ganz im Westen sind unter anderem der Landkreis Brüggen und die Region Heinsberg/Geilenkirchen Ausreißer nach oben.
Bildquelle: Sergi Ferrete, unsplash.