Der Leidensdruck von Patienten mit Schlafkrankheit ist groß. Aber wie kommt es überhaupt zur Narkolepsie und kann man sie erfolgreich therapieren? Lest hier mehr.
Narkolepsie ist eine seltene neurologische Erkrankung und betrifft ca. 40.000 Menschen in Deutschland. Erste Symptome treten oftmals während der Pubertät bzw. im jungen Erwachsenenalter auf, aber auch kleine Kinder können bereits betroffen sein. Hauptsymptome der Erkrankung sind eine chronische und ausgeprägte Tagesschläfrigkeit, Einschlafattacken und kataplektische Anfälle, d. h. ein durch eine Emotion ausgelöster plötzlicher Verlust der Muskelanspannung.
Die Prävalenz beträgt 14 pro 100.000 Personen für Narkolepsie Typ 1 und 65 pro 100.000 Personen für Narkolepsie Typ 2. Die Inzidenz ist in den späten Teenagerjahren bis frühen Zwanzigern am höchsten, mit einer 50 % höheren weiblichen Dominanz. Bisher vergehen vom Auftreten der ersten Beschwerden bis zur Diagnosestellung im Durchschnitt über zehn Jahre.
Verursacht wird Narkolepsie durch einen allmählichen Verlust von Nervenzellen im Hypothalamus, dessen Zellen Hypocretin produzieren. Dabei handelt es sich um ein Neuropeptid, das wesentlich für die Erhaltung von Schlaf-und Wachzuständen, aber auch relevant für das Emotions-, Ernährungs- und Belohnungsverhalten ist. Bisher bekannt ist, dass dafür sowohl eine bestimmte genetische Veranlagung als auch Umweltfaktoren, wie bestimmte Infektionen oder einzelne Impfstoffe, gemeinsam vorliegen müssen. Der Mechanismus, der zu der Zerstörung der Neuronen geführt hat, war bisher unbekannt.
Verschiedene Umwelteinflüsse können mögliche Auslöser der Narkolepsie darstellen, z. B. eine Streptokokkeninfektionen (Assoziation zu Antistreptolysin-O-Antikörpern), eine Influenzainfektion (Anstieg der Diagnose einer Narkolepsie nach Epidemien), oder der Impfstoff gegen Influenza-A (H1N1).
Narkolepsie ist eine neurologische Störung, die den REM-Schlaf beeinflusst und wird in Typ 1 oder Typ 2 eingeteilt. Sie ist gekennzeichnet durch Tagesschläfrigkeit, gestörten Nachtschlaf mit Albträumen, Halluzinationen und Schlaflähmung. Ein Kernsymptom ist Kataplexie – also ein teilweiser oder vollständiger Verlust des Muskeltonus, der oft durch starke Emotionen wie Lachen, Aufregung oder Wut ausgelöst wird. Kataplexie ist bei Typ 1 vorhanden, aber nicht bei Typ 2.
Narkolepsie ist komplex und wird durch genetische und umweltbedingte Faktoren erklärt, außerdem gibt es Hinweise auf eine Autoimmunität. Die Krankheit wird, basierend auf den klinischen Merkmalen, weiterhin wie folgt klassifiziert:
In einer Studie von Kallweit et al. verwendete die Forschungsgruppe der Universität Witten/Herdecke eine besonders sensitive Methode, um das Repertoire der T-Zellen im Blut von Narkolepsie-Erkrankten zu untersuchen. Es gelang dadurch erstmalig, T-Lymphozyten des Untertyps CD4 zu identifizieren, die gegen Hypocretin und gegen ein anderes Protein (TRIB2), das in Hypocretin-Neuronen exprimiert wird, zu reagieren. Diese T-Zellen können eine Entzündung hervorrufen, wodurch Neurone zerstört werden. Sie können möglicherweise auch unmittelbar spezifisch die Neurone zerstören, in denen Hypocretin produziert wird.
Der Verlust der Hypocretin-produzierenden Neurone bei Narkolepsien ist langsam fortschreitend und vermutlich irreversibel. Durch die Kenntnis der genauen Ursache, der autoreaktiven T-Zellen, können möglicherweise zu Beginn der Erkrankung diese Zellen unterdrückt werden, sodass dadurch der weitere Zelluntergang verlangsamt oder sogar gestoppt werden kann. Die Studie könnte also dazu beitragen, dass künftig möglicherweise schon durch eine Blutuntersuchung auf autoreaktive T-Lymphozyten gegenüber Hypocretin die Narkolepsie einfacher und schneller diagnostiziert werden könnte.
Narkolepsie geht mit einer Vielzahl von damit verbundenen medizinischen Problemen einher. Die Krankheit ist mit Fettleibigkeit verbunden, die wohl mit der biologischen Wirkung von Orexinmangel zusammenhängt. Orexin wurde nämlich mit der Regulierung des braunen Fettgewebes in Verbindung gebracht – einem metabolisch aktiven Fett, das an der Energiehomöostase beteiligt ist. Einige Studien berichten, dass mehr als 50 % der jugendlichen Patienten mit Narkolepsie einen signifikant erhöhten BMI aufweisen.
Orexin ist außerdem an der Stabilisierung des Schlaf-Wach-Zyklus beteiligt. Der Verlust dieses Hormons verursacht in Tiermodellen Narkolepsie. Neben der Beteiligung an der Schlafregulierung gibt es auch weit verbreitete orexinerge Projektionen auf Bereiche, die die Energiehomöostase und die Nahrungsaufnahme regulieren. Darüber hinaus führt in Tiermodellen ein Verlust von Orexin zu Fettleibigkeit und Hypophagie, was auf eine spezifische Rolle von Orexin bei der Regulierung der Körperfettleibigkeit hinweist.
Viele andere Komorbiditäten sind mit Narkolepsie verbunden: Hypercholesterinämie, Glukoseintoleranz, Bluthochdruck, Erkrankungen des Verdauungssystems, des Herzens und der oberen Atemwege, Endokrinopathien sowie psychiatrische Erkrankungen wie Depression, Panikstörung, PTSD, Phobien und soziale Angststörungen. Schlafbezogene Komorbiditäten sind: Schlaflosigkeit, REM-Schlaf-Verhaltensstörung, Restless-Legs-Syndrom, obstruktive Schlafapnoe und Nicht-REM-Parasomnien.
Darüber hinaus wird auch über periphere Neuropathie, Kopfschmerzen, chronische Lendenschmerzen und autobedingte Traumata berichtet. Eine weitere wichtige Folge der Krankheit sind kognitive Probleme aufgrund einer zerebralen Dysfunktion.
Steckbrief
Name der Erkrankung
Narkolepsie
Weitere Namen
Schlummersucht
Sidd'sches Syndrom
Häufigkeit
14/100.000 Personen für Narkolepsie Typ 1 und 65/100.000 Personen für Narkolepsie Typ 2
Gestörte Funktion
Tagesschläfrigkeit
Kataplexie
Psychiatrische Komorbiditäten
Adipositas
Genlokalisation
Die Narkolepsie hat die stärkste bekannte HLA- Assoziation
Orphan Drugs
Stimulantien wie Amphetamine, Modafinil, Natrium-Oxybat, Pitolisant und Solriamfetol
Wirkung
Dopamintransporter-Inhibition
Derzeit gibt es keine Heilung für Narkolepsie. Die aktuelle Therapie ist symptombasiert – mit dem Ziel, eine möglichst vollständige Rückkehr der normalen Funktion zu ermöglichen. Unter den für Narkolepsie verwendeten Pharmaka sind Modafinil, Armodafinil, Solriamfetol und Pitolisant von der FDA zugelassen, während Modafinil, Solriamfetol und Pitolisant von der EMA zugelassen sind. Stimulanzien wie Methylphenidat, Dexmethylphenidat und Amphetamine werden als Second-Line-Medikamente bei Narkolepsie angewendet, da sympathomimetische Nebenwirkungen, Rebound-Hypersomnie, hohes Missbrauchspotential und Verträglichkeit problematisch sind.
Natriumoxybat ist häufig sowohl bei Kataplexie und Tagesmüdigkeit als auch bei Albträumen und fragmentiertem Schlaf wirksam. Deswegen wird aktuell eine einmalig nächtliche Einnahme von der FDA zur Behandlung von Erwachsenen mit Narkolepsie geprüft.
Dopamin-Transporter-Inhibitoren wie Modafinil verstärken die zentrale Dopamin-Signalgebung, verursachen aber – aufgrund der geringen Spezifität dieser Medikamente gegenüber anderen Monoamin-Neurotransmittern – zahlreiche zusätzliche ZNS-Wirkungen. Deshalb besteht ein großes Interesse an der Synthese neuer Modafinil-Analoga mit verbesserten pharmakologischen Eigenschaften, insbesondere mit einer höheren Selektivität für den Dopamin-Transporter als die Noradrenalin- und Serotonin-Transporter. Dadurch wurde in den letzten Jahren eine Reihe von Modafinil-Derivaten entwickelt. Ein Nachteil von Modafinil ist allerdings, dass es Rhythmusstörungen auslösen kann.
Pitolisant, ein neuer inverser Histaminrezeptor-Agonist, potenziert die Histaminfreisetzung im Gehirn und wirkt dadurch auf die grundlegende biochemische Aberration ein, fördert die Wachheit und wirkt gleichzeitig auf Kataplexie. Der selektive und potente H3R-Antagonist/inverser Agonist Pitolisant hat keine Wirkung auf striatales Dopamin, Fortbewegung oder Nahrungsaufnahme. Außerdem schwächte Pitolisant die entweder durch Modafinil oder Solriamfetol induzierte Hyperlokomotion ab. Daher unterscheidet sich Pitolisant biochemisch und neurochemisch von Amphetaminen und anderen Psychostimulanzien, wie etwa Modafinil oder Solriamfetol.
Solriamfetol (Sunosi®) ist seit Januar 2020 in Deutschland für Erwachsene mit obstruktiver Schlafapnoe zugelassen. Es soll die Wachheit verbessern und übermäßige Schläfrigkeit während des Tages verringern. Die Zulassung von Solriamfetol durch die FDA basierte auf den Ergebnissen der TONES-Phase-III-Studien, die die Wirkung von Solriamfetol nachgewiesen haben.
Primäre Endpunkte in den TONES-Studien waren die Aufrechterhaltung der mittleren Schlaflatenz im Wachzustandstest und der mittlere Epworth-Schläfrigkeitsskalenwert unter Solriamfetol im Vergleich zu Placebo. Die Wirksamkeit von Solriamfetol bei der Verringerung der Schläfrigkeit war nach einer Woche vorhanden.
Solriamfetol erhöhte dabei die Spiegel von extrazellulärem Dopamin im Nucleus accumbens und verringerte das 3,4-Dihydroxyphenylessigsäure (DOPAC)/DA-Verhältnis im Striatum, wie auch Modafinil und Amphetamin. Alle diese Verbindungen erzeugten Hyperlokomotion, Verhaltenssensibilisierung und Hypophagie, die gemeinsame Merkmale von Psychostimulanzien und Verbindungen mit Missbrauchspotential sind.
Der Mechanismus seiner wachfördernden Wirkung ist unklar, aber seine Wirksamkeit kann durch seine Aktivität als selektiver Dopamin (DA)- und Noradrenalin (NE)-Wiederaufnahmehemmer (DNRI) verstanden werden. Er bindet mit geringer Affinität an DA- und NE-Transporter und hemmt die Wiederaufnahme von DA und NE mit geringer Wirksamkeit. Er hat keine Bindungsaffinität für den Serotonin-Transporter und hemmt die Serotonin-Wiederaufnahme nicht. Er hat keine nennenswerte Bindungsaffinität zu Gamma-Aminobuttersäure (GABA), Adenosin, Histamin, Orexin, Benzodiazepin, Muskarin-Acetylcholin oder Nikotin-Acetylcholin-Rezeptoren.
Es bleibt zu hoffen, dass durch neue pathophysiologische Erkenntnisse die Diagnose der Narkolepsie rechtzeitiger erfolgen kann und weitere Pharmaka die Therapie verbessern. Dringend notwendig ist sicherlich die Indikationserweiterung für Kinder.
Bildquelle: Mert Kahveci, unsplash