Morbus Fabry ist eine genetische Speicherkrankheit und kann seit bereits 20 Jahren mit Infusionen behandelt werden. Jetzt gibt’s Neuigkeiten am Medikamentenmarkt: eine orale Enzymersatztherapie mit Migalastat.
Morbus Fabry ist eine genetische Erkrankung und zählt zur Familie der lysosomalen Speicherkrankheiten. Die geschätzte Häufigkeit liegt bei etwa 1:40.000. Seit 20 Jahren existiert eine intravenöse Enzymersatztherapie und seit Kurzem auch eine orale Behandlung mit Migalastat.
Die Fabry-Krankheit ist die häufigste der lysosomalen Speicherkrankheiten und resultiert aus einer mangelhaften Aktivität des Enzyms α-Galactosidase A (α-Gal A). Dies führt zu einer fortschreitenden lysosomalen Ablagerung von Globotriaosylceramid (GL-3) in Zellen im gesamten Körper. In der Folge kann es zu Schäden in vielen Körpergeweben und Organen kommen. Die klassische Form, die bei Männern mit weniger als 1 % α-Gal A-Enzymaktivität auftritt, beginnt normalerweise in der Kindheit oder Jugend mit periodischen Krisen starker Schmerzen in den Extremitäten, dem Auftreten von vaskulären Hautläsionen, Schwitzanomalien, charakteristische Hornhaut- und Linsentrübungen und Proteinurie.
Studien zeigen, dass eine allmähliche Verschlechterung der Nierenfunktion bis zur terminalen Niereninsuffizienz gewöhnlich bei Männern im dritten bis fünften Lebensjahrzehnt auftritt. Die meisten Männer entwickeln Herz- und/oder zerebrovaskuläre Erkrankungen – eine der Hauptursachen für Morbidität und Mortalität. Heterozygote Frauen haben typischerweise mildere Symptome in einem späteren Erkrankungsalter als Männer. In seltenen Fällen können Frauen während einer normalen Lebensspanne relativ asymptomatisch sein oder Symptome haben, die so schwerwiegend sind wie die, die bei Männern mit dem klassischen Phänotyp beobachtet werden.
Im Gegensatz dazu treten spät einsetzende Formen bei Männern mit mehr als 1 % α-Gal A-Aktivität auf. Zu den klinischen Manifestationen gehören Herzerkrankungen, die sich normalerweise im sechsten bis achten Lebensjahrzehnt mit linksventrikulärer Hypertrophie, Kardiomyopathie, Arrhythmie und Proteinurie zeigen. Es kann zu Nierenversagen oder zerebrovaskulärer Erkrankungen, die sich als Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke äußern, kommen.
Morbus Fabry ist eine X-chromosomale Erkrankung; das GLA-Gen befindet sich also auf dem langen Arm des X-Chromosoms. Folglich sind weibliche Patienten mit der Krankheit heterozygot und in unterschiedlichem Ausmaß betroffen. Klinische Symptome bei weiblichen Fabry-Patienten können als Folge einer fehlerhaften X-Chromosom-Inaktivierung auftreten. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein höherer Prozentsatz an X-Chromosomen mit dem mutierten GLA-Gen in einem bestimmten Gewebe exprimiert wird.
Jeder von der Erkrankung betroffene Vater vererbt die Erkrankung an alle seine Töchter, während alle Söhne gesund bleiben. Trägt die Mutter das mutierte Gen, so haben deren Kinder – unabhängig vom Geschlecht – ein 50%iges Risiko, die Erkrankung zu erben.
Der ganze Körper leidet, aber besonders häufig ist das Herz betroffen. Die Herzbeteiligung bleibt dabei auch die häufigste Todesursache bei Fabry-Patienten. GB3-Ablagerungen werden in praktisch allen Herzzellen gefunden. Die die Mechanismen, die zu Organschäden führen, sind wenig bekannt.
Fabry-Herzen zeigen myokardiale Hypertrophie, Entzündung, Apoptose, Nekrose und Fibrose, Klappenverdickung und Verengung der intramuralen Koronararterien. Zu den kardialen Manifestationen gehören daher LVH, Herzinsuffizienz, Angina pectoris, Herzklappenerkrankungen, Rhythmusstörungen, Herzleitungsblockaden und plötzlicher Herztod. Die Schwere der Herzbeteiligung ist sowohl bei klassischen als auch bei spät einsetzenden Phänotypen gleich.
Es hat sich gezeigt, dass eine Enzymersatztherapie (ERT) die LV-Masse und -Wanddicke reduziert oder stabilisiert, die Inzidenz reduziert und das Auftreten klinischer Ereignisse verzögert.
Als Begleittherapie werden laut Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) ACE-Hemmer und Sartane gegen Herzerkrankungen sowie Hypertonie eingesetzt. Mineralocorticoid-Rezeptorantagonisten können auch bei Patienten mit Herzinsuffizienz und systolischer LV-Dysfunktion in Betracht gezogen werden. Betablocker werden empfohlen, um die Häufigkeit von Vorhofflimmern/-flattern zu kontrollieren und sollten bei Patienten mit Angina pectoris oder Herzinsuffizienz sowie systolischer LV-Dysfunktion in Betracht gezogen werden. Ivabradin sollte gemäß den Leitlinien zur Behandlung von Herzinsuffizienz oder Angina pectoris in Betracht gezogen werden.
Eine Enzymersatztherapie mit rekombinanter α-Galactosidase A ist seit 2001 für die klinische Anwendung zugelassen. Es gibt zwei im Handel erhältliche Präparate: Agalsidase alfa und Agalsidase beta. Beide werden alle zwei Wochen intravenös verabreicht.
Eine ERT sollte bei Männern im Alter von 16 Jahren unabhängig vom Symptomstatus begonnen werden. Dies kann auch im Alter von 8 bis 10 Jahren erfolgen. Bei Männern mit spätem Beginn und bei Frauen mit klassischem oder spätem Beginn, sind linksventrikuläre Hypertrophie, Herzfibrose oder Herzrhythmus- und Reizleitungsstörungen Indikationen für den Beginn einer ERT.
Eine Studie zum Vergleich von Agalsidase alfa und Agalsidase beta ergab, dass ein größerer Anteil der Patienten eine Abnahme des LV-Massenindex aufwies, wenn sie 1 Jahr lang mit Agalsidase beta behandelt wurden, als mit Agalsidase alfa. Dennoch wurde kein Unterschied zwischen Agalsidase alfa und beta bezüglich klinischer Ereignisse gefunden.
Jetzt steht neben der intravenösen ERT auch eine orale Therapie zur Verfügung. Das orphan Drug Migalastat ist ein niedermolekulares Iminozucker-Analogon des terminalen Galactose-Restes auf GL-3. Es bindet selektiv und reversibel an die aktiven Zentren zugänglicher mutierter Formen des α-Galactosidase-A-Enzyms. Diese Bindung ermöglicht es Migalastat, als pharmakologisches Chaperon zu wirken. Migalastat-fähige mutierte Formen von α-Galactosidase A im endoplasmatischen Retikulum werden verändert und ein Abtransport zu Lysosomen erleichtert.
Steckbrief Migalastat
Name der Erkrankung
Morbus Fabry
Weitere Namen
Fabry-Anderson-Krankheit
Häufigkeit
1:40.000
Gestörte Funktion/Symptome
Nierenerkrankungen
Herzerkrankungen
Depression
Haut- und Gelenkschmerzen (Angiokeratome)
Gastrointestinale Beschweren
Anhidrose
Genlokalisation
Lysomale Speicherkrankheit, α-Galaktosidase A-Mangel
Orphan drugs
Migalastat (Galafold®)
Wirkung
Chaperon, das selektiv, reversibel und mit hoher Affinität an bestimmte mutierte Formen der α-Galactosidase A bindet und den Transport zu Lysosomen fördert
In präklinischen Studien erhöhte Migalastat die Aktivität von α-Galactosidase A in kultivierten Lymphoblasten und Fibroblasten, die von Patienten mit Morbus Fabry stammten.
In einer Phase-I-Studie mit gesunden Probanden führte zweimal täglich verabreichtes Migalastathydrochlorid (150 mg) zu einem zweifach stärkeren Anstieg der Wildtyp-α-Galactosidase-A-Aktivität in Lysaten weißer Blutkörperchen.
In Phase-II-Studien bei Patienten mit Morbus Fabry führte orales Migalastat (123 mg) einmal jeden zweiten Tag zu einer erhöhten α-Galactosidase-A-Aktivität im Blut, in der Haut und in den Nieren sowie zu verringerten GL-3-Spiegeln im Urin, in der Haut und in bestimmten Nieren Zelltypen. Die vorteilhaften Reaktionen waren bei Patienten mit durch Migalastat zugänglichen GLA -Mutationen größer und konsistenter, als bei Patienten mit nicht zugänglichen Mutationen.
In der Phase-III-Studie erhielten 57 Erwachsene (56 % weiblich), eine Enzymersatztherapie oder Migalastat. Migalastat und ERT hatten dabei ähnliche Wirkungen auf die Nierenfunktion. Der Massenindex des linken Ventrikels nahm unter Behandlung mit Migalastat signifikant ab. Es gab keine signifikante Veränderung mit ERT. Vordefinierte renale, kardiale oder zerebrovaskuläre Ereignisse traten bei 29 % bzw. 44 % der Patienten in der Migalastat- bzw. ERT-Gruppe auf. Globotriaosylsphingosin im Plasma blieb nach der Umstellung von ERT auf Migalastat niedrig und stabil. Migalastat war im Allgemeinen sicher und gut verträglich.
Das Hauptziel der 18-monatigen, randomisierten, aktiv kontrollierten ATTRACT-Studie von Huges et al. waren die Bewertung der Auswirkungen von Migalastat auf die Nierenfunktion bei Patienten mit Morbus Fabry, die zuvor mit ERT behandelt wurden. Die Auswirkungen auf das Herz, das Krankheitssubstrat, die vom Patienten gemeldeten Ergebnisse (PROs) und die Sicherheit wurden ebenfalls bewertet. Migalastat war in dieser Studie im Allgemeinen sicher und gut verträglich. In Labortests, EKGs, Vitalfunktionen oder körperlichen Untersuchungen wurden keine klinisch relevanten Wirkungen festgestellt.
In dieser Studie war eine 18-monatige Behandlung mit Migalastat mit einer statistisch signifikanten Abnahme des Linksventrikulären Massenindexes (LVMi) verbunden; bei mit ERT behandelten Patienten wurde eine nicht signifikante Veränderung beobachtet. Migalastat und ERT hatten ähnliche Behandlungswirkungen auf die Nierenfunktion und waren im Vergleich zu einem zusammengesetzten klinischen Endpunkt günstig. Migalastat war sicher und gut verträglich.
Migalastat ist folglich eine vielversprechende orale Alternative zur ERT für männliche und weibliche Patienten mit Morbus Fabry und behandelbaren Mutationen. Die Lebensqualität wird durch die orale Applikation deutlich gesteigert und die Sekundärschäden werden reduziert.
Aber es gibt noch mehr Neuigkeiten: Ein weiteres Pharmakon ist bereits in der Pipeline. Moss-aGal ist eine rekombinante Form von humaner α -Galactosidase. Hergestellt wurde es in gentechnisch verändertem Kleinen Blasenmützenmoos (Physcomitrella patens). Es ist der weltweit erste Wirkstoffkandidat aus Moos.
Bildquelle: Danilo.alvesd, unsplash