Um Ebola-Infektionen besser zu verstehen, sind nicht nur Ärzte und Apotheker gefragt. Jetzt schlagen Bioinformatiker kräftig in ihre Tastaturen. Sie versuchen, Maßnahmen zur Bekämpfung zu evaluieren. Ihr Fazit: Mit regionaler Hilfe hätten Verantwortliche viele Leben retten können.
Wie gut virologische Phänomene mathematisch fassbar sind, zeigten Forscher am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen, bereits 2006. Sie machten sich auf die Spur von Geldscheinen, um zu beschreiben, wie sich luftübertragene Erreger ausbreiten. Ihr Modell passt beispielsweise zu Influenza-Pandemien. Jetzt sind Epidemiologen und Biomathematiker erneut gefordert. Sie versuchen, die Ausbreitung von Ebola zu beschreiben und Maßnahmen der Eindämmung zu bewerten.
Zur Studie: Das internationale Team um Stefano Merler analysierte 403 Todesfälle und 830 Erkrankungen. Forscher erfassten nicht nur medizinische Fakten, sondern auch Informationen zur Mobilität. Besonders erschreckend: Rund 38 Prozent aller Infektionen hatten sich in Praxen, Kliniken oder Behandlungszentren ereignet. Maßnahmen zur Quarantäne fehlten oder erwiesen sich als ineffizient. Weitere 31 Prozent der Patienten steckten sich bei Familienmitgliedern an, und etwa neun Prozent erkrankten nach der Teilnahme an einer Beerdigung.
Auf Basis dieser Zahlen simulierte Merler, dass 830 bis August 2014 offiziell gemeldete Ebola-Fälle allein in Liberia zu 37.000 Erkrankten im Januar 2015 geführt hätten. Anschließend veränderten sie verschiedene Parameter. So ließen spezialisierte, regionale Ebolazentren die Fallzahl auf 21.000 sinken. Lange Transporte erwiesen sich als nachteilig. Dann kalkulierten Forscher, welche Auswirkung sichere Beerdigungsmethoden haben. Hier verringerte sich die Zahl bereits auf 12.000 Infizierte. Merler untersuchte anschließend, ob „Ebolaschutz-Pakete“ ergänzend zu anderen Maßnahmen etwas bringen. Ärzte, Apotheker und humanitäre Helfer verteilten Kisten mit Desinfektionsmitteln, Seife, Handschuhen und mit einer patientengerechten Anleitung. Würde man 50 Prozent aller Haushalte erreichen und läge die Effektivität bei 90 Prozent, hätte es nur noch 6.000 Ebola-Erkrankungen in Liberia gegeben. Diese Zahl ließe sich laut Merler weiter verringern, falls noch mehr Menschen entsprechende Sets bekämen.
Mit ihrer Simulation zeigten Wissenschaftler, dass die internationale Gemeinschaft anfangs falsche Schüsse gezogen hat. Neue Impfstoffe oder Strategien zur Pharmakotherapie greifen mittelfristig. Hätten WHO-Mitgliedsstaaten kurzfristig Gelder für regionale Maßnahmen zur Verfügung gestellt, wären heute noch viele Menschen am Leben.