Manche Kunden meinen, dass rezeptpflichtige Medikamente auch ohne Vorlage erhältlich sind. Dabei werden sie noch ausfallend, obwohl sie selbst und ihre eigene Vergesslichkeit schuld sind.
Wisst ihr was ich an den Samstagen so hasse? Nein, es ist nicht das Arbeiten am Wochenende, wenn die meisten Freunde und Bekannten ausschlafen können. Ich arbeite eigentlich sehr gerne samstags, weil ich dann mit der weltbesten Kollegin Sandra zusammen eingeteilt bin.
Aber Samstag bedeutet auch, dass kein Arzt da ist, wenn sie die Apotheke betreten: die Kunden, denen ihre Medikamente ausgegangen sind und die der festen Überzeugung sind, wir könnten sie ihnen ja auch „ausnahmsweise“ mal ohne Rezept über den HV schieben. Ich sag es gleich: Nein! Fertig aus, keine Diskussion. Wir dürfen das nicht und wir wollen es auch gar nicht.
Die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels ohne Vorlage einer Verschreibung ist laut § 96 Nr. 13 AMG eine Straftat. Diese zieht Ermittlungen gegen die Apotheke durch die Staatsanwaltschaft nach sich, hohe Geldstrafen und den Verlust der Approbation des verantwortlichen Apothekers, oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.
Und nochmal nein: es ist weder unterlassene Hilfeleistung, noch ein rechtfertigender Notstand, wenn wir das Medikament nicht „rausrücken“. Auch wenn es unbequem ist: der Gang zum nächsten Ärztlichen Notdienst steht jedem offen, der hier in Nöten ist. Wir sind nicht dazu verpflichtet die Faulheit oder die Vergesslichkeit unserer Kunden zu kompensieren.
Geht jemand zur Bank und verlangt Geld, obwohl er gerade seine Bankkarte zuhause vergessen hat? Nein. Auch wenn die Mitarbeiter ihn dort seit Jahren kennen – die machen auch nicht einfach den Tresor auf und zahlen ihm etwas aus, oder? Oder beim Arzt würde auch niemand zur MFA sagen: „Ach so – der Arzt ist gerade auf Hausbesuch – dann müssen Sie mir jetzt das BTM-Rezept unterschreiben. Ich brauche das jetzt!“
Manche Apotheken machen das trotzdem, ich weiß es. Ich würde die Kollegen dort manchmal am liebsten bei der Kammer anschwärzen. Denn es lässt uns wie Deppen dastehen, wenn eine halbe Stunde nachdem wir unseren Stammkunden abweisen mussten, dieser mit dem gewünschten Betablocker in der Hand dasteht, den wir ihm zuvor verweigert hatten:
„Wo anders geht es komischerweise. Mich haben Sie als Kunden das letzte Mal gesehen!“ Das beschäftigt uns noch lange, und wir nehmen uns diese Vorfälle zu Herzen und gehen damit ins Wochenende. „Sie sind schuld, wenn ich am Sonntag sterbe!“ Das ist auch so ein Satz, der wehtut – aber nichts an unserer Überzeugung ändert. Was ist, wenn diese Kundin am Wochenende tatsächlich stirbt, und vorher von uns illegalerweise noch Medikamente erhalten hat? Das wäre genauso schlimm.
„Sie sind schuld, wenn ich meine Approbation verliere“, wäre die passende Replik für Apotheker. Auf den Satz: „Wenn ich das mache, kann das verdammt teuer für mich werden“ hat meine Kollegin schon zu hören bekommen: „Ach, Sie Arme! Ich geh dann auf der Straße für sie sammeln.“
Ich kann es verstehen, dass die Situation doof ist, wenn einem die Tabletten ausgegangen sind. Aber wäre es dann nicht an der Zeit, sich selbst mal in den Hintern zu treten, sich über sich selbst zu ärgern und dann die Konsequenz zu akzeptieren, dass jetzt der Gang zum Ärztlichen Notdienst anzutreten ist, auch wenn man lieber etwas anderes getan hätte? Diese Situation kam durch die eigene Vergesslichkeit zustande. Da sind nicht die Mitarbeiter der Apotheke schuld – ihnen dann den schwarzen Peter hinzuschieben ist ungerecht.
Auch eine Mehrfachverordnung auf die der Arzt die Medis für ein halbes Jahr verordnet hilft vermutlich nur bedingt. Auch das ist irgendwann „leer“ oder einfach verlegt. Und auch hier würden die Leute kommen und ihr Medikament verlangen. Vielleicht würde es helfen, wenn die Ärzte immer gleichzeitig mit dem Kassenrezept noch ein Notfall-Privatrezept mitgeben. Wer seine Arzneimittel nämlich voll bezahlt, der holt sich vermutlich freiwillig ein Kassenrezept vom Notdienst – oder denkt idealerweise rechtzeitig daran, sich eine Verschreibung zu besorgen, so lange der Arzt noch nicht im Wochenende ist…
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