Wie gesundheitsschädlich das Rauchen von Cannabis ist, hält die DGP in einem neuen Positionspapier fest. Eine Legalisierung sehen die Fachleute kritisch.
Das Versprechen im Koalitionsvertrag der Ampelregierung, die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken zu legalisieren, hat im letzten Herbst sicher viele erfreut. Aber längst nicht alle sind uneingeschränkt begeistert und sehen die Entscheidung aus gesundheitlichen Gesichtspunkten skeptischer.
Unter den kritischen Stimmen findet sich die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. „Wir sehen […] das Problem, dass zu wenig auf die wesentlichen gesundheitlichen Risiken eingegangen wird“, kommentiert der stellvertretende DGP-Präsident Prof. Wolfram Windisch. Auf einer Pressekonferenz stellte er das aktuelle Positionspapier der DGP zum Legalisierungsvorhaben vor. „Die wahrscheinlich wichtigste Botschaft ist der Umstand, dass […] die Inhalation von Cannabis schwer gesundheitsschädlich ist.“
Das regelmäßige Rauchen ist für die Lunge nicht ohne: „Bei regelmäßigem, inhalativem Cannabiskonsum kommt es zu Veränderungen der Lungenfunktion mit einer Lungenüberblähung“, schreibt das Positionspapier. Die Folgen: Chronischer Husten, Sputumproduktion, Luftnot und auch eine erhöhte Anfälligkeit für Atemwegsinfektionen. Bei regelmäßigen Konsumenten sind Schädigungen der Lungenschleimhaut zu beobachten, so wie der Verlust des Flimmerepithels und Plattenepithelmetaplasien.
„Klar ist, Cannabis schädigt auch viele andere Organe“, konstatiert Windisch und verweist insbesondere auf das erhöhte Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und mögliche psychiatrische Folgen des Dauerkonsums (unter anderem Gedächtnis- und Bewusstseinsstörungen, Depressionen und Wahnvorstellungen).
In neueren Studien werde auch deutlich, dass sich die Effekte des Cannabis-Rauchens von denen des Tabakrauchens unterscheiden. Dieses führe typischerweise eher zu einer Verengung der Atemwege. Unterschiedliche Mechanismen führten zu unterschiedlichen Schädigungen, erklärt Windisch, und daher sei insbesondere beim gemeinsamen Inhalieren von Cannabis und Tabak in Form von Joints davon auszugehen, dass sich diese Schäden am Ende auch potenzieren.
Dieser häufige Mischkonsum ist eine grundlegende Problematik, die es schwierig macht, die Effekte des Cannabis zu quantifizieren und differenziert abzubilden. Eine weitere Hürde der wissenschaftlichen Erforschung des Cannabiskonsums ist die Angst vor der Strafverfolgung: „Viele [Konsumenten] geben nicht genau an, wie viel sie rauchen und inhalieren.“ Exakte epidemiologische Daten sind unter diesen Bedingungen schwer zu erheben.
Daher ist es auch schwierig, den Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und der Entstehung von Lungenkrebs eindeutig zu beweisen. Die tatsächliche Wirkung von Cannabis auf die Tumorentstehung sei nach wie vor unklar, stellt Windisch fest. Hinweise auf eine protektive Wirkung haben sich bisher in Tier- und Zellversuchen nicht ergeben. „Wir gehen eher davon aus, wie auch bei der Inhalation von Feinstaub, dass Tumorentstehungen letztendlich möglich sind.“
Die DGP stellt dementsprechend zwei zentrale Forderungen an die politischen Entscheider. Erstens: „Geeignete Maßnahmen zu ergreifen, welche die gesundheitlichen und sozialen Folgeschäden mindern, die bei einer Ausweitung des Cannabiskonsums erwartbar wären.“ Zweitens: Die kontrollierte Abgabe von Cannabis durch umfassende Studien zu den schädlichen Kurz- und Langzeitfolgen des Konsums zu begleiten, welche dann auch in die politische Entscheidungsfindung einfließen sollten. Wichtig ist Windisch dabei, „dass wir nicht erst legalisieren und dann gucken, was macht das Ganze?“, sondern Studien schon im Vorfeld geplant werden. Im Idealfall sähe Windisch gerne ein Expertengremium welches die Bundesregierung – ähnlich wie in der Corona-Pandemie – berät und so die medizinischen Aspekte in den Vordergrund rückt.
Es geht der DGP in ihrer Stellungnahme nicht darum, Cannabis grundsätzlich zu verteufeln – beim medizinischen Einsatz sieht die Lage anders aus. „Es ist wichtig, dass wir Cannabis zu Genusszwecken abgrenzen von dem Gebrauch von Cannabis in der Palliativmedizin. Hier sind Wirkungen und Nebenwirkungen anders gewichtet“, betont Windisch. Die Studienlage ist zwar ausbaufähig, aber es gebe viele gute Erkenntnisse für den palliativen Einsatz. Bei schwerkranken Patienten könnten Cannabis-Präparate bei Schmerzen, aber auch Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit zum Einsatz kommen, wenn andere Therapien nicht ausreichen.
Und noch ein wichtiger Aspekt darf zum Schluss natürlich nicht fehlen. Die DGP weist zwar deutlich auf die gesundheitlichen Gefahren des Cannabiskonsums hin, stellt aber auch klar: „Dies bedeutet in keinem Fall, dass der Konsum von Tabakprodukten und Alkohol im Vergleich zum Cannabiskonsum […] als weniger schädlich einzuschätzen ist.“ Diese bereits legalen Drogen verursachten genauso schwere gesundheitliche Schäden.
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