In der Apotheke mangelt es seit Jahren an Pharmazeuten. Ein überarbeitetes Studium soll dem entgegenwirken – und macht vielleicht genau das Gegenteil.
Am 10. Mai 2022 wurde das Positionspapier veröffentlicht, auf das sich die Bundesapothekerkammer (BAK), Vertreter der Pharmaziestudenten, Hochschullehrer und andere Interessenvertreter geeinigt haben. Es soll nicht weniger enthalten als eine Vision für die Zukunft des Pharmaziestudiums, doch wurde es bereits im Vorfeld von vielen Seiten kritisiert. Es sei ein Sargnagel für die Offizinen Deutschlands, lautet bereits in vielen sozialen Medien der Tenor.
Ist das Studium jetzt wirklich noch praxisferner und allgemein einfach zu lang geworden? Wir blicken einmal auf die Veränderungen, die sich für Pharmaziestudenten ergeben sollen.
Dass die Approbationsordnung 21 Jahre nach der letzten Anpassung neu gestaltet werden soll, war bereits im Jahr 2019 klar. Ebenfalls wussten alle Beteiligten, dass man an der Gesamtzahl der Pharmaziestudenten nicht rütteln darf, denn der Fachkräftemangel bei den Pharmazeuten ist eine der größten Herausforderungen der Gegenwart – und vermutlich auch der Zukunft dieses Berufszweiges.
Ebenso wollte man auf mehr Austausch mit den Medizinstudenten hinarbeiten, denn hier sollten schon einmal die ersten Weichen für die spätere interprofessionelle Zusammenarbeit gestellt werden. Egal ob im Krankenhaus oder in der Apotheke vor Ort – die Pharmazeuten sollten sich intensiver mit den Medizinern auseinandersetzen, um die Arzneimitteltherapiesicherheit für die gemeinsamen Patienten sicherzustellen. Bislang fand ein solch wichtiger Austausch, beispielsweise an der Charité Berlin, nur als Modellprojekt statt.
Folgende Punkte wurden im Positionspapier beschlossen:
War das nun der große Wurf, auf den so viele Jahre lang hingearbeitet wurde? Wenn wir einen Blick auf das 2019 veröffentlichte Thesenpapier der Bundesapothekerkammer werfen, sehen wir schnell, was umgesetzt und was eher stiefmütterlich behandelt wurde.
Ein wichtiges Thema war es, dass die Einheitlichkeit der Approbation erhalten bleibt, damit der Apotheker seinen Beruf in allen pharmazeutischen Tätigkeitsbereichen ausüben kann. Es sollte kein reiner Klinikapotheker oder ein Apotheker für die Offizin an der Hochschule ausgebildet werden, sondern ein Universalpharmazeut, der überall einsetzbar bleibt. Das ist gelungen, wenn dies auch mit einer Verlängerung der Studiendauer erkauft werden musste.
Dazu gehört auch, dass das Studium nicht auf ein Bachelor-Master-System umgestellt wurde. Dafür bestünde angeblich laut Thesenpapier kein Bedarf. Dem kann ich nicht ganz zustimmen, auch wenn ich die Nachteile im Bereich Pharmazie durchaus sehe: die fragliche Anerkennung in Europa als Apotheker oder die zu erwartende Reduktion der Zahl der Studenten aufgrund nachfolgender Masterangebote oder Probleme bei der Gleichstellung der Abschlüsse.
Der Vorteil eines Bachelor-Angebotes wäre für PTA aber gewesen – wenn ihre Ausbildung teilweise angerechnet worden wäre –, sich durch den Abschluss eine kurzzeitige (beispielsweise vier- bis sechswöchige) Vertretungsbefugnis zu erarbeiten. Beim derzeitigen Personalmangel in den öffentlichen Apotheken hätte das eine Chance sein können, die nun wieder einmal vertan wurde.
Zum Thema „Vermittlung berufsspezifischer digitaler Kompetenz“ ist bislang nichts Neues an die Öffentlichkeit gelangt, dabei drängt die Zeit, sich dessen anzunehmen. Im Thesenpapier hieß es noch: „Die zunehmende Digitalisierung der Gesundheitsversorgung beeinflusst auch die Arbeitsprozesse der Apotheker bei der Arzneimittelversorgung. Apotheker müssen mit den durch Digitalisierung einhergehenden Herausforderungen umgehen können. Dazu gehört es insbesondere, Daten auf kritische Art und Weise zu sammeln, zu managen und zu bewerten sowie Handlungskonsequenzen daraus abzuleiten, Datensicherheit und Datenschutz zu berücksichtigen sowie Informationstechnologien zu verwenden. Dies schließt auch die Beurteilung damit verbundener ethischer und rechtlicher Fragestellungen ein.“ Tja, und nun hört man dazu doch nichts mehr.
Sollte das Studium in diesem Bereich nicht ergänzt worden sein, dann wäre das ein Versäumnis, das eigentlich in der heutigen Zeit unentschuldbar ist – gerade dann, wenn man sich zu dem Schritt entschlossen hat, das Studium ohnehin zu verlängern und praxisnäher zu gestalten. Das Positionspapier selbst ist derzeit allerdings noch nicht öffentlich einsehbar, daher muss hier mit einer Bewertung der Umsetzung noch abgewartet werden.
Genau hier, nämlich bei der Praxisnähe, liegt der Hauptkritikpunkt vieler Offizinapotheker, die sagen, diese Novelle rücke das Studium eher noch etwas davon weg. Die Verkürzung der Famulatur scheint tatsächlich ein Schritt in die völlig falsche Richtung zu sein, denn wie sollen sich Studenten innerhalb von nur noch 14 Tagen ein umfassendes Bild darüber machen, was die Arbeit in einer öffentlichen Apotheke bedeutet und ob es wirklich das ist, was sie sich darunter vorgestellt haben? Böse Zungen behaupten gar, man mache dies, damit die Pharmaziestudierenden nicht bemerken, dass die Arbeit in der Apotheke mit ihrem gewählten Studium gar nichts zu tun hat.
Diese eher schlechte Vorbereitung auf das spätere Berufsleben könnte dazu führen, dass die PJler sich von Beginn an so schlecht für diese Arbeit vorbereitet fühlen, dass sie sich noch schneller als bisher schon für eine Arbeit im Krankenhaus oder der pharmazeutischen Industrie entscheiden, statt für die Apotheke vor Ort, die wirklich große Nachwuchssorgen hat.
Weiterhin wird an der Verlängerung auf 10 Semester kritisiert, dass nun die Hürden für den Abschluss noch einmal ein ganzes Stück höher liegen, denn dieses Jahr will ja auch finanziert werden. Noch ein Jahr länger, in dem nichts verdient wird, noch ein Jahr mehr in der Abhängigkeit von Staat, Eltern oder der Notwendigkeit, neben dem harten Studium auch noch parallel arbeiten zu müssen. Der ein oder andere, der durch die relative Kürze des Pharmaziestudiums gelockt war, wird jetzt abspringen – zumal die Verdienstaussichten in der öffentlichen Apotheke im Vergleich zu ähnlich langen Studiengängen im naturwissenschaftlichen Bereich doch eher schlecht sind. Das sind keine guten Neuigkeiten für all die Apothekeninhaber, die dringend auf Nachschub aus den Universitäten warten.
Und was geschieht jetzt mit dem nicht unumstrittenen Positionspapier? Es geht als Änderungsvorschlag zum Bundesgesundheitsministerium. Dort wird darüber entschieden, was davon umgesetzt werden wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Vorschläge wirklich richtungsweisend sind und kein weiterer Sargnagel für die Arbeit in der öffentlichen Apotheke.
Bildquelle: Nathan Dumlao, unsplash