Verzögerungen der Hüftgelenksreifung sind bei Säuglingen sehr häufig. Umso wichtiger sind die U3-Hüftscreenings. Lest hier, was ihr dabei beachten müsst.
Vielleicht haben sich die Eltern unter den Lesern schon einmal gefragt, warum die Säuglinge mit einem Monat bei der Vorsorgeuntersuchung U3 diesen Ultraschall der Hüften bekommen. Vielleicht auch nicht, denn Eltern sind in aller Regel gut informiert, was beim Kinderarzt auf sie zukommt.
Eine Verzögerung der Hüftgelenksreifung im Säuglingsalter ist eine recht häufige Diagnose: Sie kommt immerhin bei 3-4 % aller Neugeborenen vor und muss zügig behandelt werden, damit die Hüfte ausreifen kann. Eine zu späte oder unterbliebene Behandlung würde zu einer unwiederbringlichen Schädigung des Gelenkes führen.
Das Hüftgelenk besteht aus der Hüftpfanne, in der wiederum der Hüftkopf des Oberschenkels gelagert ist. Bei einer verzögerten Reifung hat sich aus dem ursprünglichen Knorpel der Hüftpfanne noch keine „ausreichende Überdachung“ durch den Knochen gebildet; der Hüftkopf droht aus der Führung der Pfanne herauszurutschen. In Extremfällen kann dies zum Teil oder bereits vollständig passiert sein. Die Kinderärzte können dies durch indirekte Zeichen – wie eine mangelnde Bewegung der Hüftgelenke oder durch eine Faltenasymmetrie der Hautfalten am Po – erkennen. Viel genauer ist jedoch eine Ultraschalluntersuchung der Hüfte. Diese Untersuchung ist im deutschsprachigen Raum Teil der Ein-Monats-Untersuchung. Ein Luxus für „unsere“ Kinder, in vielen Ländern wird die Diagnose nur über eine Handuntersuchung gestellt – und mitunter verpasst.
Die Leitlinien des Hüftscreenings geben vor, dass ein Säugling mit unreifen Hüften auch nach der Kontrolle nach einem Monat einem Kinderorthopäden vorgestellt wird, der den Befund entweder bestätigt oder revidiert und eventuell therapiert. Diese Vier-Augen-Methode hat sich sehr bewährt: Es gibt praktisch keine „verpasste“ Therapien. Bei sehr ausgeprägten Dysplasien wird mitunter früher mit der Therapie begonnen. Besonders betroffen sind Frühgeburten, Kinder aus Beckenendlagen, Kinder mit familiärer Belastung und Mädchen.
Bei nur wenig unreifen Hüften kann eine Abspreizbehandlung „mit Hausmitteln“ ausreichend sein: Die Kinder sollten „breit gewickelt“ werden, d. h. man ziehe eine zweite Windel über die andere oder man „baut“ eine Moltonunterlage mit ein. Das Wickeln mit Stoffwindeln bedeutet bereits eine ausreichende Spreizung der Hüften. Die Idee bei dieser einfachen Therapie: Den Hüftkopf wieder in eine normale Position bewegen, ihn „zentrieren“, sodass ein guter Reifungsreiz auf die Hüftpfanne entsteht.
Die nächste Stufe der Behandlung stellen so genannte Abspreizschienen oder -hosen dar, so wie die Tübinger Hüftschiene. Dabei liegen die Oberschenkel des Säuglings in schmalen Schienen, die durch eine Metallstrebe auseinandergespreizt werden. Fixiert wird das Ganze mit einem Schultergurt, mittels Knotenfäden wachsen diese Schienen mit. Die Kinder tragen sie ungefähr drei bis sechs Monate, möglichst rund um die Uhr. Natürlich sind sie dabei in ihrer Bewegungsfreiheit sehr eingeschränkt, nach der Therapiezeit holen die Kinder das aber sehr schnell wieder auf.
Noch seltener sind die Behandlungen bei völliger Luxation der Hüftköpfe; Hier werden Gipsbehandlungen empfohlen (Fettweisgips) oder auch Streck-Hänge-Behandlungen der Beine. Keine Sorge: Durch das frühe Erkennen der Hüftreifungsverzögerung sind diese Therapie sehr selten. Ich habe in zwanzig Jahren Niederlassung bisher nur ein Kind gehabt, das wegen einer Hüftdysplasie mit einem Gips versorgt wurde.
Eine Hüftreifungsverzögerung oder gar -dysplasie lässt sich sehr gut frühzeitig erkennen. Durch die Ultraschalluntersuchung bei der U3 entsteht keine Strahlungsbelastung. Sollte eine familiäre Belastung vorliegen oder lag das Kind lange in Steiß/Beckenendlage, drängt bitte bereits in den ersten zwei Wochen auf eine Untersuchung. Eine Behandlung ist vielleicht lästig, aber effektiv.
Übrigens: Auch beim Babytragen sollte das Kind immer „Bauch an Bauch“ gehalten werden, und die Beine in einer Anhockstellung (nicht hängend), dies wirkt als Reifungsreiz für eine gesunde Hüftentwicklung.
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