Wenn Augentropfen die Symptome des Sicca-Syndroms nicht bessern, müssen Ärzte schwere Geschütze auffahren. Aktuell untersuchen Forscher mehrere neue Ansätze. Mit dabei: die künstliche Tränendrüse aus dem Labor.
„Das trockene Auge ist eine Weltvolkskrankheit“, erklärt Prof. Gerd Geerling, Direktor der Universitäts-Augenklinik Düsseldorf eingangs auf einer Pressekonferenz der Stiftung Auge. Je nach Statistik seien bis zu 50 Prozent der Menschen betroffen. „Patienten leiden dann nicht nur unter schwersten Fremdkörpersymptomen, sondern auch unter Veränderungen der Augenhornhaut“, so der Mediziner und Pressesprecher der Stiftung Auge. „Die Beschwerden können so stark ausfallen, dass sie Betroffene sogar in ihrer Sehfähigkeit einschränken.“ Neue Methoden der Regenerativen Medizin versprechen hier Abhilfe.
Beim sogenannten Sicca-Syndrom ist die Benetzung der Augenoberfläche mit Tränenflüssigkeit gestört. Es tritt im Rahmen des Sjögren-Syndrom auf, das zu einer generalisierten Drüsenatrophie führt. Die Folge: Entzündungen und Schädigung der Augenoberfläche. Aber auch die Einnahme bestimmter Medikamente und andere Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus oder Rheuma können zu trockenen Augen führen. Auch Bildschirmarbeit senkt die Lidschlagfrequenz und kann dadurch den Aufbau des Tränenfilms beeinträchtigen.
Normalerweise setzen Ärzte zur Therapie künstliche Tränenersatzmittel oder spezielle Kontaktlinsen ein. Bei schwersten Fällen würden diese Maßnahmen laut Prof. Geerling jedoch oft nicht ausreichen, um die Augenoberfläche zu stabilisieren und die Symptome zu lindern. Aktuell untersuche man daher verschiedene Konzepte, die das geschädigte Gewebe der Tränendrüse regenerieren sollen. „Diese modernen Therapie-Ansätze bieten die Möglichkeit, dass Patienten bei erfolgreicher Behandlung auf Dauermedikation wie künstliche Tränenersatzmittel [...] verzichten könnten, die bisher standardmäßig zum Einsatz kommen“, sagt Geerling.
Ein Ansatz beruht auf der Injektion von Stammzellen. „Die Tränendrüse kann sich nach einer akuten Schädigung in gewissem Rahmen selbst regenerieren“, so der Augenarzt. Stammzellen aus der Tränendrüse oder anderen Spendergeweben könnten daher körpereigene Reparaturmechanismen initiieren und Entzündungsprozesse hemmen – ohne das Risiko einer Abstoßungsreaktionen.
Dänische Forscher konnten schon zeigen, dass die Methode funktioniert: Im Rahmen einer Studie behandelten sie sieben Patienten mit schwerem Sjögren-Syndrom mit Fettgewebestammzellen von Fremdspendern. Die Forscher injizierten dazu die Stammzellen direkt in die Tränendrüse eines Auges. Die Beschwerden der Betroffenen nahm anschließend stark ab und die Menge, Zusammensetzung und Stabilität der körpereigenen Tränen normalisierte sich weitgehend. Die Patienten haben die Behandlung gut vertragen; Nebenwirkungen traten nicht auf. Derzeit laufen weitere Untersuchungen, die diese Ergebnisse bestätigen sollen.
Bei vollständigem Tränendrüsenverlust muss allerdings eine andere Methode her: Die Herstellung von Ersatzgewebe im Labor. Das ist bei der Tränendrüse aber äußerst kompliziert, da die Produktion von Tränenflüssigkeit auf dem Zusammenwirken verschiedener Zelltypen beruht. Bislang ist es Forschern immerhin schon gelungen, dreidimensionale Organoide im Labor zu züchten, die bei Stimulation sogar in der Lage sind, zu „weinen“. Bis zur Transplantation einer im Labor konstruierten Tränendrüse dürfte es allerdings noch dauern.
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