Die Glasknochenkrankheit gehört zu den seltenen Erkrankungen. Was es bei der Therapie der verschiedenen Krankheitstypen zu beachten gilt, lest ihr hier.
Osteogenesis imperfecta (OI), auch als Glasknochenkrankheit bezeichnet, wurde bereits 1788 beschrieben. Die seltene Knochenerkrankung hat eine Inzidenz von 1 zu 20.000 Geburten. Auffällig ist das häufige Auftreten von Frakturen schon bei geringen Anlässen – sie sind das Hauptmerkmal bei betroffenen Patienten.
In den letzten Jahren wurden verschiedene für OI wichtige Gene identifiziert, was zu einem neuen pathophysiologischen Verständnis der seltenen Formen geführt hat. Bei der OI liegt eine genetische Mutation mit Störung der Produktion und Struktur von Typ-I-Kollagen, einem der Hauptbestandteile des Knochengewebes, vor. Ungefähr 80 % der Patienten haben eine Mutation in den Kollagen-Genen COL1A1 und COL1A2. Allerdings ist für das Patienten-Kollektiv keine klare Genotyp-Phänotyp-Korrelation beschrieben.
Die Entwicklung molekularbiologischer und radiologischer Methoden in den späten 1970er Jahren ermöglichte die Etablierung einer OI-Klassifikation, basierend auf klinischen Symptomen. Es werden vier Krankheitstypen unterschieden:
Schwerhörigkeit ist bei 50–65 % aller Patienten mit OI vorhanden und kann bei allen 4 Typen auftreten. Darüber hinaus treten in einigen Fällen Zahnanomalien auf. Neben dieser Silence-Klassifikation sind mittlerweile mehrere seltene Typen in der Literatur beschrieben.
Die OI-Klassifikation wurde in den letzten Jahren mehrfach überarbeitet und modifiziert. Die neueste Klassifikation genetischer Skeletterkrankungen unterscheidet mittlerweile fünf Arten von OI: Darunter die Typen I bis IV aus der ursprünglichen Silence-Klassifikation und einen zusätzlichen Typ V, der als OI mit Verkalkung der interossären Membranen und/oder hypertrophem Kallus beschrieben wird. In den meisten Fällen wird OI autosomal-dominant vererbt. Jedoch wurde auch über autosomal-rezessive und X-Chromosom-gebundene Varianten der Krankheit berichtet. Die Hauptursache für OI-Mutationen liege dabei in den Col-Typ-I-Genen.
Steckbrief
Name der Erkrankung
Osteogenesis imperfecta (OI)
Weitere Namen
Glasknochenkrankheit
Häufigkeit
1 : 20.000
Genetik
Mutation in den Kollagen-Genen COL1A1 und COL1A2
Gestörte Funktion
Gestörte Kollagenbildung
Knochenbrüche
Zahnschäden
Hörstörungen
Therapie
Bisphosphonate
Monoklonale Antikörper
Wirkung
Steigerung der Osteoblasten, Hemmung der Osteoklasten
Die verfügbaren Behandlungsoptionen für OI umfassen die Prävention von Knochenbrüchen, die Kontrolle der Symptome und die Erhöhung der Knochenmasse. Die Behandlungsmodi der OI umfassen sowohl nichtchirurgische als auch chirurgische Verfahren. Der nichtchirurgische Ansatz beinhaltet Physiotherapie, Zahnspangen und Schienen sowie die Verwendung von Medikamenten. Chirurgisches Eingreifen kann erfolgen, um lokale Pathologien wie Knochenbrüche, Knochenverbiegungen oder Skoliose zu behandeln.
Die am häufigsten verwendeten Medikamente bei der Behandlung von OI sind Bisphosphonate. Diese Verbindungen wurden als OI-Behandlung eingeführt, um die Knochendichte zu erhöhen und Frakturen vorzubeugen. Obwohl das Hauptziel dieser Pharmaka Osteoklasten sind, interagieren sie auch mit Osteoblasten und Osteozyten. Sie hemmen Osteoklasten im Turnover-Zyklus der grundlegenden multizellulären Einheit, wo neue Remodellierungsstellen geschaffen werden. Gleichzeitig werden bereits vorhandene Stellen mit Osteoblasten gefüllt, was das Verhältnis von Knochenbildung zu Knochenresorption verbessert und zu einer erhöhten Knochenmassendichte führt.
Es werden zwei Arten von Bisphosphonaten verwendet: Einerseits nicht stickstoffhaltige, die die Apoptose von Osteoklasten verursachen, indem sie ATP-Analoga bilden, und andererseits stickstoffhaltige, die keine solche Wirkung haben. Darüber hinaus haben Pharmaka ohne Stickstoff eine höhere Affinität zu Hydroxylapatitkristallen, insbesondere in metabolisch aktiven trabekulären Knochen. Derzeit sind Bisphosphonate mit noch höherer Affinität zu Hydroxyapatit-Kristallen – wie Zoledronat und Pamidronat – die am häufigsten verwendeten Medikamente.
Die Sicherheit von intravenösen Bisphosphonaten wurde für die Behandlung von Osteoporose und niedriger Knochenmineraldichte bei Kindern mit spinaler Muskelatrophie (SMA) untersucht. Eine Woche nach der Verabreichung können Hypokalzämie und Hypophosphatämie auftreten. In einer anderen Studie zeigten Patienten, die mit oralen Bisphosphonaten behandelt wurden, extreme gastrointestinale Nebenwirkungen oder fortschreitende Dysphagie.
Die Behandlung mit oral verabreichtem Ibandronat ist ein wirksamer Weg, um die Knochenmineraldichte (BMD) zu erhöhen und die Frakturrate bei postmenopausalen Frauen und Männern mit Osteoporose zu reduzieren. Es liegen nur sehr wenige Berichte über eine Therapie mit Ibandronat bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Patienten mit Osteogenesis imperfecta vor, da Bisphosphonate nicht für die therapeutische Anwendung in der Pädiatrie zugelassen sind.
Abgesehen von den berichteten Nebenwirkungen verbessern Bisphosphonate die Konnektivität des Knochengewebes nicht und sind nur im ersten Jahr ihrer Verabreichung am effektivsten. Ein weiterer Nachteil der Pharmaka ist ihre relativ lange Halbwertszeit, die bei Anheftung an Knochen sogar mehrere Jahre dauern kann. Außerdem sind Bisphosphonate nicht bei allen OI-Patienten wirksam. Daher wird nach neuen Medikamenten mit kürzerer Halbwertszeit und anderen Wirkmechanismen gesucht.
Es ist unklar, ob die orale oder intravenöse Behandlung mit Bisphosphonaten die Zahl der Frakturen durchgängig verringert, obwohl mehrere Studien dies unabhängig voneinander berichten und keine Studie eine erhöhte Frakturrate bei der Behandlung zeigte. Doch die eingeschlossenen Studien (z. B. die Metaanalyse von Dwan et al.) zeigen nicht eindeutig, dass Bisphosphonate den klinischen Zustand bei Menschen mit OI verbessern, Schmerzen reduzieren, Wachstum und funktionelle Mobilität verbessern können.
Ein weiterer medikamentöser Ansatz sind monoklonale Antikörper wie Denosumab. Dieser wirkt gegen den Rezeptoraktivator des Nuklearfaktor-Kappa-B-Liganden (RANKL), der die Osteoklastenbildung hemmt, ohne an Knochen zu binden. Der Vorteil von Denosumab ist eine relativ kurze Abbauzeit von etwa drei bis vier Monaten, wodurch die langfristigen Akkumulationsnebenwirkungen von Bisphosphonaten vermieden werden.
Diese Verbindung, die an Patienten mit OI-Typen I, III, IV und VI untersucht wurde, die nicht auf Bisphosphonate ansprechen, hat vielversprechende Vorteile bei relativ hoher Sicherheit gezeigt. Auch Off-Label-Studien zur Anwendung bei Kindern liegen vor. Darüber hinaus zeigte die klinische FREEDOM-Studie der Phase III bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose nach 10-jähriger Behandlung mit Denosumab eine anhaltende Erhöhung der Knochenmineraldichte. Und das mit nur geringen Nebenwirkungsraten und einer geringen Frakturinzidenz. Derzeit läuft auch eine klinische Studie zur Bewertung der Sicherheit und Wirksamkeit von Denosumab bei OI. Allerdings ist die Verwendung des Pharmakons mit einem signifikanten Risiko für Hyperkalzämie und Hyperkalziurie verbunden.
Eine andere Klasse von Arzneimitteln, die bei der Therapie von OI verwendet werden, zielt darauf ab, die Knochenbildung zu stimulieren, anstatt die Osteoklastenfunktion zu hemmen. Wachstumshormone beeinflussen die Knochenstärke bei Kindern mit Wachstumshormonmangel positiv. Es wird angenommen, dass es auch bei Kindern mit schwerer OI wirken könnte. Wachstumshormone zeigten jedoch im Vergleich zu Bisphosphonaten nur eine begrenzte Verbesserung der Knochendichte.
Das synthetische Parathormon Teriparatid, das auch in der Behandlung der postmenopausalen Osteoporose eingesetzt wird, führt zwar bei Erwachsenen mit OI zu einer Erhöhung der Knochendichte. Doch wird es aufgrund des in Tierstudien berichteten erhöhten Osteosarkomrisikos nicht mehr an Kindern getestet.
Ein weiteres Medikament mit positiver Wirkung bei Erwachsenen mit OI ist Romosozumab. Es ist ein monoklonaler Antikörper, das an das Glykoprotein Sclerostin bindet – also es inhibiert den Inhibitor der Knochenbildung. Die Hemmung soll auch zu einer gesteigerten Knochenneubildung und Inhibition des WNT-Signalwegs führen. Nach der Behandlung von OI-Patienten mit Romosozumab wurde eine erhöhte Knochendichte und einhergehender Anstieg von einem Blutmarker nachgewiesen, der für die Knochenbildung charakteristisch ist.
Allerdings zeigt die Active-Controlled-Fracture-Study bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose und hohem Risiko eine erhöhte Rate bestätigter schwerwiegender kardiovaskulärer Nebenwirkungen in der Romosozumab-Gruppe im Vergleich zur Alendronat-Gruppe. Darüber hinaus weisen Lv et al. in ihrer Meta-Analyse darauf hin, dass Romosozumab das Risiko komplexer kardiovaskulärer Folgen erhöhen könnte – einschließlich Myokardinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Tod bei Patienten mit primärer Osteoporose. Aufgrund unterschiedlicher Informationen zu den Nebenwirkungen dieses Medikaments sind weitere Studien mit längerfristiger Nachbeobachtung erforderlich.
BPS804-Anti-Sclerostin, ebenfalls ein monoklonaler Antikörper gegen Sclerostin, führte in einer klinischen Phase-II-Studie bei erwachsenen OI-Patienten nach einer kurzfristigen Dosiseskalationsstudie zu einer erhöhten Knochenbildung, einer verringerten Knochenresorption und einer erhöhten Knochenmineraldichte. Die Studie wurde erweitert, um die Wirksamkeit in einer größeren Kohorte erwachsener Patienten mit OI-Typen I, III und IV zu untersuchen.
Die Hemmung des transformierenden Wachstumsfaktors Beta (TGFβ) zielt hingegen auf die übermäßige Aktivierung der TGFβ-Signalgebung ab. Sie ist an der Regulierung der Knochenmasse und -brüchigkeit bei OI beteiligt. Präklinische Studien zeigten eine erhöhte Knochenmasse und -stärke in Mausmodellen von OI, die mit TGFβ-inhibitorischem Antikörper behandelt wurden. Die Sicherheit und Wirksamkeit von Fresolimumab, einem TGFβ-hemmenden Antikörper, wird derzeit bei erwachsenen OI-Patienten untersucht.
Erfreulich daran ist, dass sich zahlreiche neue Substanzen in der klinischen Forschung befinden. Die neuen Erkenntnisse der molekularen Pathophysiologie finden sich auch in den Therapieansätzen wieder.
Bildquelle: Jilbert Ebrahimi, unsplash