Hunde mit Durchfall kommen täglich in die Sprechstunde. Oft ignorieren Tierärzte das Darmmikrobiom dieser Patienten – obwohl aktuelle Daten zeigen, wie wichtig die Behandlung einer Dysbiose ist.
Der Durchfall gehört zu den häufigsten Vorstellungsgründen in der Kleintierpraxis. Wenig überraschend also, dass das Thema auch auf der diesjährigen Deutsche VET mehrere Redner beschäftigt. In einem Vortrag widmet sich der aus den USA angereiste Prof. Jan Suchodolski der Diagnostik und Therapie des Durchfalls und der Frage, welche Rolle hier dem Darmmikrobiom zukommt.
Die Mikroben im Darm von Hund und Katze wandeln Nahrungsbestandteile in bakterielle Metaboliten um. Suchodolski führt hier als wichtigste Metaboliten die kurzkettigen Fettsäuren (engl. Short Chain Fatty Acids, SCFAs), Indole und sekundäre Gallensäuren auf. SCFAs liefern nicht nur Energie, sondern sind auch entzündungshemmend und modulieren die Darmmotilität. Indole, die aus in der Nahrung enthaltenem Tryptophan gewonnen werden, verbessern die Barrierefunktion des Darms. Bei Hunden kommt außerdem dem Bakterium Clostridium (C.) hiranonis eine besondere Bedeutung im Darm zu: Es wandelt primäre in sekundäre Gallensäuren um. Diese wirken als Signalmoleküle, haben eine glukosesenkende Wirkung und hemmen Entzündungen. Außerdem sind sie in der Lage, potenzielle Enteropathogene wie C. difficile, C. perfringens und E. coli im Darm zu unterdrücken.
Die Darmbakterien von Hund und Katze haben also entzündungshemmende Eigenschaften, modulieren die Darmtätigkeit, hemmen Enteropathogene und verbessern die Darmbarriere. Umso logischer ist es, dass eine Dysbiose in bedeutendem Maße an Durchfallerkrankungen beteiligt ist. Veränderungen im Darmepithel, der enteralen Schleimschicht, dem Immunsystem oder bei der Nahrungszusammensetzung beeinflussen wiederum das enterale Mikrobiom – weshalb eine Dysbiose laut Suchodolski auch als früher Marker und Hinweis auf ein abnormales Darmmilieu gesehen werden kann.
Suchodolski hält fest: Die Dysbiose-Therapie stellt eine der ersten Maßnahmen dar, die bei Durchfallerkrankungen ergriffen werden sollten.
Wie lässt sich nun aber herausfinden, ob eine solche Dysbiose bei einem Patienten vorliegt? Das offensichtlichste Mittel wäre eine Bakterienkultur. Hier hat der Veterinär aus Texas aber entschiedene Einwände: „Eine Kultur des Darminhalts ist nicht sinnvoll. Die Mehrzahl der Bakterien im Darm sind strikte Anaerobier und nur sehr wenige von ihnen lassen sich in diagnostischen Laboren kultivieren und somit nachweisen.“ Auch kritisiert er eine mangelnde Standardisierung in den verschiedenen Laboren. Bei Patienten mit einer Darmerkrankung seien besonders die Anaerobier vermindert – das sei klinisch bedeutender als die Vermehrung einzelner fakultativ kultivierbarer Bakterienarten wie C. perfringens. Genau diese Anaerobier ließen sich aber nicht gut kultivieren.
Auch Sequenziermethoden hätten üblicherweise eine schlechte Reproduzierbarkeit und würden sich im Allgemeinen nicht für eine langfristige Beurteilung einzelner Patienten eignen.
Stattdessen empfiehlt Suchodolski den von seiner Arbeitsgruppe etablierten Dysbiose-Index (DI). Hierbei handelt es sich um den derzeit einzigen analytisch validierten Test zur Beurteilung des fäkalen Mikrobioms von Hunden. Er quantifiziert die fäkale Häufigkeit von sieben bakteriellen Taxa sowie die Gesamtzahl der Bakterien. Suchodolski berichtet, dass die im Test enthaltenen Taxa bei Hunden mit chronischen Enteropathien und nach der Einnahme von Breitspektrum-Antibiotika, wie Tylosin oder Metronidazol, häufig verändert seien. Gemessen werden u. a. Faecalibacterium, Fusobacterium, C. hiranonis, Blautia und Turicibacter. Sie sind bei Hunden mit vorliegender Dysbiose verringert, während Streptococcus und E. coli hier oft vermehrt vorkommen.
Der DI ist negativ mit dem Artenreichtum korreliert – ein DI von über 2 deutet auf eine starke Verschiebung und damit eine Dysbiose hin. Der Wert sollte aber immer zusammen mit den Häufigkeiten der einzelnen bakteriellen Taxa interpretiert werden.
Ein erhöhter DI sei, zusammen mit einem verminderten Vorkommen von C. hiranonis, häufig bei Hunden mit exokriner Pankreasinsuffizienz (EPI) und chronischer Enteropathie (CE) zu beobachten. Ebenfalls führe eine Behandlung mit dem Protonenpumpenhemmer Omeprazol zu einem erhöhten DI – in diesen Fällen sei allerdings keine Verringerung von C. hiranonis nachzuweisen. Etwa eine bis zwei Wochen nach Absetzen der Therapie normalisiere sich der DI wieder.
Auch Behandlungen mit Breitspektrum-Antibiotika führten zu einem erhöhten DI, so der Tierarzt aus Texas. Dieser normalisiere sich nach Absetzen bei den Tieren innerhalb von 2–4 Wochen wieder. Wie Suchodolski berichtet, können jedoch einige Hunde nach einer solchen Antibiose über mehrere Monate an einer persistierenden Dysbiose leiden.
Auf Basis seiner Forschungsergebnisse der letzten Jahre rät Suchodolski von einer voreiligen antimikrobiellen Therapie bei Durchfallpatienten ab. Die meisten akuten Durchfälle seien innerhalb von 2–4 Tagen selbstlimitierend – von chronischem Durchfall spricht man ab einer Dauer von 7 Tagen.
Zunächst sei eine hoch verdauliche Diät zu empfehlen (hydrolysierte Diät oder Schonkost). Unterstützend können Antiemetika, falls erforderlich, gegeben werden. Eine Therapie mit Probiotika für 14–21 Tage sowie ergänzend verabreichte Fasern wie Flohsamen oder Pectin für 2–3 Tage sei die erste Wahl bei diesen Patienten. Auf eine genügende Flüssigkeitszufuhr muss unbedingt geachtet werden. Bezüglich der Probiotika warnt der Tierarzt allerdings: „Da ist leider nicht Probiotikum gleich Probiotikum, denn die Wirkung ist abhängig von den enthaltenen Bakterienstämmen und ihrer Menge. Hier ist die Qualität des Produktes maßgeblich für den klinischen Erfolg. Ich würde nur zu Produkten greifen, deren Wirkung mit klinischen Studien nachgewiesen wurde.“ Das seien in Europa die Präparate Vivomixx® sowie FortiFlora®.
Zum Schluss appelliert Suchodolski auch, bei einer Antibiotika-Gabe vorzusorgen: Schon, wenn eine Therapie mit Antibiotikum geplant sei, könne man den Patienten mit Prä- und Probiotika vorbehandeln und diese Behandlung auch während der Gabe beibehalten. Eine Verabreichung im Abstand von 4 Stunden zum Antibiotikum sei vor allem beim Präparat Vivomixx® empfohlen.
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