Über die beste Musik im OP lässt sich streiten. Eine Studie untersuchte nun, wie sich Rock auf die Performance angehender Chirurgen auswirkt – und ob die Lautstärke dabei einen Unterschied macht.
Musikhören im OP-Saal ist beliebt. Viele Chirurgen schwören auf Klassiker wie Mozart, Tschaikowski und Co.; andere setzen lieber auf moderne Rock- und Pop-Klänge. Und auch Musicals, Hip-Hop und Heavy Metal haben sich schon in so manche Playlist eingeschlichen.
Ob die Hintergrundbeschallung tatsächlich bei der Arbeit hilft, daran scheiden sich – ähnlich wie an Genrevorlieben – die Geister. Glaubt man der subjektiven Einschätzung der Chirurgen selbst, scheint sie unverzichtbar: In einer Umfrage gab knapp 80 % des befragten OP-Personals an, durch Musik ruhiger und effizienter zu arbeiten. Ein Review zu der Frage kam zum Schluss, dass das Musikhören neben den überwiegend positiven aber auch negative Einflüsse haben kann: Zwar kann insbesondere klassische Musik in niedriger bis mittlerer Lautstärke Genauigkeit und Geschwindigkeit von Chirurgen erhöhen – laute oder schnelle Musik kann aber auch ablenken. Gerade Anfänger, denen bei Operationen noch die Routine fehlt, sind potentiell leichter abgelenkt.
Eine Forschergruppe aus Deutschland wollte sich daher etwas genauer damit auseinandersetzen, ob und wie sich Genre und Lautstärke tatsächlich auf die Performance von Nachwuchs-Chirurgen auswirken. Dafür rekrutierten sie 30 Medizinstudenten (Alter 21 – 30 Jahre, 64 % weiblich) mit Interesse an einer chirurgischen Laufbahn. Teilnahmebedingung: Bisher noch keine Erfahrung mit laparoskopischer Chirurgie; das gewählte Genre: Rock.
Im Rahmen des Versuchs sollten die Teilnehmer nun vier laparoskopische Trainingsaufgaben unter verschiedenen Bedingungen erledigen: In Stille, bei mittlerer Musiklautstärke (45 – 50 dB) und bei hoher Lautstärke (65 – 70 dB). Die Aufgaben waren wie folgt:
Die ersten und die letzten zwei Aufgaben wurden dabei jeweils zu Komplexen zusammengefasst und mussten bei unterschiedlicher Musik durchgeführt werden – schließlich ist Rock nun mal nicht gleich Rock, und dementsprechend könnte es durchaus einen Unterschied machen, ob es seichten Rock der 60er Jahre oder härtere Spielarten auf die Ohren gibt. Bewertet wurde die Performance nach Geschwindigkeit und Genauigkeit, für Fehler gab es Strafsekunden.
Komplex 1 (Stift-Transfer und Nähen) sollten die Probanden zu den Klängen von „Hey Jude“ und „Let it Be“ der Beatles erledigen. Dabei fiel den Forschern auf: Wurde die Musik in mittlerer Lautstärke abgespielt, erzielten die Probanden im Durchschnitt für den Gesamtkomplex höhere Punktzahlen in punkto Präzision. Im Detail waren die Teilnehmer beim Stift-Transfer schneller (56,7 ± 11,3 s vs 60,3 ± 10,7 s bei Stille) bei etwa gleicher Genauigkeit; beim Nähen arbeiteten sie präziser (54,0 ± 45,1 s vs 79,2 ± 52,1 s bei Stille) bei gleicher Geschwindigkeit. Bei erhöhter Lautstärke verschwand der Effekt jedoch. Den Autoren zufolge ergibt dies auch durchaus Sinn: Soft Rock wirkt eher entspannend und verbessert vermutlich dadurch die Performance – hohe Lautstärke ist aber das Gegenteil von entspannend und mindert dadurch den Effekt.
Anders sah es bei Komplex 2 (Ballon-Präparation und Präzisionsschneiden) aus: „T.N.T“ und „Highway to Hell“ von AC/DC befeuerten die Probanden vor allem bei hoher Lautstärke zu einem höheren Tempo. Bei etwa gleicher Präzision gelang es den Probanden, beide Aufgaben im Mittel deutlich schneller zu erledigen als bei nur mittlerer Lautstärke oder Stille (Ballon: 181,4 ± 68,7 s vs. 225,0 ± 123,6 s vs 227,3 ± 100,9 s; Präzisionsschneiden: 114,0 ± 28,6 s vs. 120,9 ± 32,4 s vs 139,4 ± 36,9 s). Auch hier liefern die Forscher mögliche Erklärungen: Der treibende Rhythmus der Musik könnte ein schnelles Tempo vorgeben und so die Probanden mitreißen. Tendenziell ist es auch eine Musik, die einfach am besten bei höheren Lautstärkepegeln wirkt – vor allem, wenn man sie (wie 73 % der Teilnehmer) auch mag.
Unabhängig von der Musikauswahl und Lautstärke zeigte sich an den Gesamt-Punktzahlen: Mit Musik operiert’s sich besser – und zwar nicht nur bei klassischer Musik.
Allzu ernst sollte man diese Studie offensichtlich nicht nehmen. Sie weist einige methodische Schwächen auf, so wie die kleine, nicht unbedingt repräsentative Teilnehmergruppe und fehlende Randomisierung. Auch wenn die Probanden vor den gewerteten Runden einige Testrunden absolvieren durften, um sich mit den Aufgaben vertraut zu machen, kann ein geringfügiger Trainingseffekt über die Aufgaben hinweg nicht ausgeschlossen werden. Auch fehlt die Vergleichbarkeit zwischen den Aufgaben: Würden sich die Ergebnisse auch genauso wiederholen lassen, wenn die Probanden die Aufgabenkomplexe mit der jeweils anderen Musikauswahl absolvieren würden?
Hinzu kommt natürlich, dass es sich letztlich nur um eine Trainingsumgebung handelte und keine echte Operation. Weiterhin handelte es sich bei den Teilnehmern um absolute Anfänger. Auf eine Real-Life-Situation im OP lassen sich die Beobachtungen also nur bedingt übertragen.
Eine kurzweilige Studie, um ein bisschen Leben in die Diskussion um die korrekte Musikauswahl im OP zu bringen, ist es aber allemal!
Bildquelle: Fedor, unsplash