Ob Sepsis-Patienten von hochdosiertem Vitamin C profitieren, ist unklar. Schaden kann die Vitamin-Kur zumindest nicht – oder doch? Laut einer aktuellen Studie könnte genau das der Fall sein.
Im Jahr 2017 haben US-Forscher eine aufregende Beobachtung gemacht: In einer Studie zeigten sie, dass ein intravenöser Cocktail bestehend aus hochdosierter Ascorbinsäure, Thiamin und Hydrocortison das Sterberisiko bei Sepsis-Patienten auf der Intensivstation verglichen mit Placebo signifikant senken konnte.
Seitdem haben sich viele Wissenschaftler mit dem Thema befasst, denn von dieser einfachen und kostengünstigen Intervention könnten viele Patienten profitieren. Immerhin liegt die Prävalenz für eine schwere Sepsis auf deutschen Intensivstationen bei 12,4 % bzw. bei 11 % für septischen Schock. Im Jahr 2016 waren allein in Deutschland 14,1 % aller Krankenhaustodesfälle Sepsis-assoziiert.
Die Idee hinter dem Vitamin-Einsatz: Die Infusion mit hochdosiertem Vitamin C soll einerseits den bestehenden Mangel ausgleichen, den viele Intensivpatienten aufweisen – und damit deren Immunsystem unterstützen. Anderseits soll das antioxidativ wirkende Vitamin C die durch oxidativen Stress verursachten Gewebeschäden bei einer Sepsis abmildern. Doch ob die Vitamin-Therapie wirklich etwas bringt, ist umstritten.
Weitere Forschergruppen, die sich von den eingangs erwähnten US-Medizinern haben inspirieren lassen, lieferten durchwachsene Ergebnisse. In einer deutschen Studie etwa zeigten Forscher, dass Vitamin C und Thiamin bei Patienten im septischen Schock zwar die Beatmungsdauer verkürzt; die Krankenhaussterblichkeit aber konnte damit nicht signifikant gesenkt werden. Auch eine Meta-Analyse lieferte keinen Hinweis dafür, dass Sepsis-Patienten von Vitamin C – ob im Cocktail oder allein – profitieren würden.
Seitdem hält sich bei vielen Ärzten die Meinung: Es ist zwar unklar, ob’s was bringt, aber schaden wird’s schon nicht. Doch so einfach ist die Sache wohl nicht. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie deuten darauf hin, dass die Vitamin-Kur für Sepsis-Patienten möglicherweise sogar mehr schadet als nutzt. Die Studie ist im New England Journal of Medicine erschienen.
In der randomisierten Placebo-kontrollierten Studie schlossen Lamontagne et al. 872 Sepsis-Patienten ein, die nicht länger als 24 Stunden auf der Intensivstation lagen und eine vasopressorische Therapie erhielten. Zusätzlich erhielten die Patienten alle 6 Stunden über einen Zeitraum von bis zu 96 Stunden eine Infusion mit Vitamin C (50 mg/kg Körpergewicht) oder eine Placebo-Infusion.
Intravenöses Vitamin C bei Sepsis-Patienten auf der Intensivstation nach Lamontagne et al., erstellt mit BioRender.com.
Wie sich herausstellte, hatten jene Patienten, die hochdosiertes Vitamin C erhielten, sogar ein schlechteres Outcome: Nach 28 Tagen waren 152 von 429 Patienten (35,4 %) in der Vitamin-C-Gruppe verstorben – verglichen mit 137 von 434 Patienten (31,6 %) in der Placebogruppe (Risk Ratio 1,21; 95 % KI: 1,04–1,40; p = 0,01). Bei 39 von 429 Patienten (9,1 %) bzw. 30 von 434 Patienten (6,9 %) war eine langanhaltende Organdysfunktion eingetreten (Risk Ratio 1,30; 95 % KI: 0,83–2,05). Interessanterweise schnitten selbst jene Patienten in der Placebogruppe besser ab, die zu Beginn der Studie niedrige Vitamin-C-Spiegel aufwiesen.
Die Autoren zeigen sich von dem Ergebnis selbst überrascht. Warum Vitamin C in dieser Kohorte offenbar für eine erhöhte Sterblichkeit sorgte, ist unklar. In verschiedenen Biomarkern, die Entzündungen und Endothelschädigungen anzeigen (z. B. Laktat, TNF-α oder Thrombomodulin), gab es keine Unterschiede zwischen der Vitamin-C- und Placebogruppe. Auffällig in der Vitamin-C-Gruppe waren einzig ein leichter Anstieg an Hypoglykämien (6,1 % vs. 5,1 %; Risk Ratio 1,25; 95 % KI: 0,73–2,14) sowie eine anaphylaktische Reaktion.
Eine plausible Erklärung für die abweichenden Ergebnisse in Bezug auf die Sterblichkeit ist laut den Autoren, dass der große Effekt in kleineren Studien eher zufällig aufgetreten sein könnte. Auch Unterschiede in den Ausgangsmerkmalen, wie etwa das Vorhandensein einer Atemwegsinsuffizienz oder der Einsatz von Vasopressoren, könnten solche Unterschiede erklären.
Das Ende der Vitamin-C-Diskussion ist damit noch nicht erreicht. Derzeit laufen noch weitere Studien, die die Wirksamkeit von Vitamin C in verschiedenen Settings testen sollen, unter anderem bei Covid-Patienten oder bei akutem Lungenversagen. Wir dürfen gespannt sein.
Bildquelle: Estúdio Bloom, unsplash