Antibiotika schwächen das Darmmikrobiom und können so Beschwerden verursachen. Forscher haben nun ein natürliches Therapeutikum entdeckt, dass die Darmflora schützen soll, ohne dabei Wirksamkeit der Antibiotika zu beeinflussen.
Antibiotika sind lebensrettende Medikamente. Sie können jedoch auch die nützlichen Mikroben im menschlichen Darm zerstören und Infektionen z.B. mit dem Bakterium Clostridioides difficile auslösen. Der Erreger kommt häufig im menschlichen Darm vor, richtet normalerweise jedoch keine Schäden an. Wenn Antibiotika eingesetzt werden, können diese Bakterien jedoch die Oberhand gewinnen und in der Folge gefährliche Darmbeschwerden verursachen. Zur Behandlung werden oft Probiotika eingesetzt, welche jedoch nicht mit der Vielfalt der einheimischen Mikroben und deren Funktionen mithalten können.
Bei der oralen Verabreichung von Antibiotika gelangen die Medikamente hauptsächlich über den Magen in den Blutkreislauf, sodass sie weiterhin in hohen Konzentrationen im Körper zirkulieren können. Dennoch gelangen einige Spuren auch in den Darm. Wird die Wirkung dort jedoch nicht benötigt, ist das Mikrobiom in Gefahr. Ingenieure des MIT haben daher eine neue Methode entwickelt, um die natürliche Flora des menschlichen Verdauungstrakts zu schützen und die Risiken der Antibiotikagabe zu mindern. Dazu modifizierten sie den Bakterienstamm Lactococcus lactis, der normalerweise in der Käseproduktion verwendet wird und für den menschlichen Verzehr unbedenklich ist. Wird das Bakterium oral verabreicht, siedelt es sich vorübergehend im Darm an und sondert Beta-Lactamase ab – ein Enzym, das in der Lage ist Beta-Lactam-Antibiotika zu spalten. Nach getaner Arbeit werden die Bakterien dann über den Verdauungstrakt wieder ausgeschieden.
Doch der Einsatz gentechnisch veränderter Bakterien birgt Gefahren: Die Beta-Lactamase-Enzyme verleihen den Zellen, die sie beherbergen, eine Antibiotikaresistenz. Die Tendenz zur Resistenz kann dann über die Gene der Baktieren leicht auf andere übertragen werden. Um dieses Problem zu lösen, codierten die Forscher das Bakterium und seine Art und Weise, wie es Enzyme synthetisiert, neu: Dazu zerlegten die das Gen für die Beta-Lactamase, die jeweils ein Fragment des Enzyms kodieren, in zwei Teile. Diese Gensegmente befinden sich auf verschiedenen Teilen der DNA, sodass es sehr unwahrscheinlich ist, dass beide Segmente gleichzeitig auf eine andere Bakterienzelle übertragen werden. Die Beta-Lactamase-Fragmente werden anschließend aus der Zelle befördert, wo sie sich wieder zusammensetzen und die Enzymfunktion wiederherstellen. Da sich die Beta-Lactamase so frei in der Umgebung verbreiten kann, werden sie zu einem frei verfügbaren Gut für das Darmmikrobiom. Dadurch soll verhindert werden, dass die manipulierten Zellen einen Vorteil gegenüber den einheimischen Darmmikroben erlangen.
Das Team testete das neu entdeckte Therapeutikum im Mausmodell: Eine Gruppe von Mäusen erhielt lediglich das Antibiotikum Ampicillin, eine weitere Gruppe erhielt zusätzlich zu jeder Ampicillin-Dosis zwei orale Beta-Lactamase-Dosen. Die Forscher stellten fest, dass die Mäuse, die zusätzlich das Biotherapeutikum erhielten, eine viel größere mikrobielle Vielfalt aufwiesen, als die Mäuse, die lediglich mit dem Antibiotikum behandelt wurden. In dieser Gruppe sank die mikrobielle Vielfalt drastisch. Weiterhin wiesen die Mäuse aus der Antibiotikum-gruppe hohe C. difficile-Werte im Darm auf, während die Beta-Lactamase Gruppe keinerlei Infektionen entwickelten. Doch blieb das Antibiotikum trotz der Bakterien-Gabe wirksam?
Die Forscher stellten fest, dass die Menge Ampicillin, die im Blutkreislauf der Mäuse zirkulierte, gleich blieb – unabhängig davon ob die gentechnisch veränderten Bakterien eingesetzt wurden oder nur das Antibiotikum. „Dies ist ein deutlicher Beweis dafür, dass der Ansatz des Bakteriums die Darmmikrobiota schützen und gleichzeitig die Wirksamkeit des Antibiotikums aufrechterhalten kann“, erklärt Hauptautor Dr. Andres Cubillos-Ruiz. „Kein bisheriger Eingriff konnte dieses Maß an Schutz bieten. Mit unserer neuen Technologie können wir Antibiotika sicherer machen, indem wir die nützlichen Darmmikroben erhalten und die Wahrscheinlichkeit des Auftretens neuer antibiotikaresistenter Varianten verringern“, fährt er fort. Die Forscher planen nun, das Therapeutikum so weiterzuentwickeln, dass es auch von Menschen eingenommen werden kann.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Massachusetts Institute of Technology. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Katrin Leinfellner, unsplash.