Babys mit alveolärer kapillärer Dysplasie hilft meist nur die Lungentransplantation. Wissenschaftler berichten jetzt von einer weiteren Möglichkeit, die seltene Erkrankung zu behandeln.
Wenn Babys mit alveolärer kapillärer Dysplasie mit Fehlausrichtung der pulmonalen Gefäße (ACDMPV) geboren werden, färbt sich ihre Haut aufgrund des sauerstoffarmen Blutes in ihrem Körper blau. Doch im Gegensatz zu den meisten anderen Atemproblemen, die bei Neugeborenen auftreten können, gibt es bis auf eine Lungentransplantation wenig, was getan werden kann, um diese Kinder zu retten.
Das liegt daran, dass ihre Lungen nicht in der Lage sind, genügend Alveolarkapillaren zu bilden, um einen gesunden Gasaustausch zu unterstützen. Das führt in den meisten Fällen innerhalb eines Monats nach der Geburt zum Tod. ACDMPV ist eine extrem seltene Erkrankung: Weltweit wurde sie bislang nur bei einigen hundert Geburten festgestellt.
Nach einer Analyse der genetischen Aktivität vieler verschiedener Zelltypen in der Lunge haben Wissenschaftler vom Cincinnati Children's Hospital Medical Center nun neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie ACDMPV entsteht – und wie es möglicherweise behandelt werden kann. Die Ergebnisse wurden in Nature Communications veröffentlicht.
„Die Behandlung mit BMP9 hat die Kapillardichte effektiv wiederhergestellt, die Alveolarisierung verbessert, die arterielle Sauerstoffversorgung erhöht, die Expression des BMP9-Rezeptors auf der Oberfläche der kapillaren Endothelzellen, ACVRL1 genannt, gesteigert und das Überleben im ACDMPV-Mausmodell verbessert“, sagt Korrespondenzautor Vladimir Kalinichenko. „Die Verbesserungen sind bemerkenswert. Es sind jedoch noch mehrere Forschungsschritte erforderlich, bevor die BMP9-Therapie für klinische Versuche am Menschen bereit sein könnte.“
In der Studie in Nature Communications wird beschrieben, wie das Forscherteam einen Berg von Einzelzell-RNA-Sequenzierungsdaten von mehr als 7.000 Lungenzellen von Mäusen, die eine mit ACDMPV verbundene Genmutation (ein Funktionsverlust des Gens FOXF1 beim Menschen) tragen, und weiteren fast 6.000 normalen Lungenzellen durchforstet hat, um den einen Zelltyp zu finden, in dem die Krankheit ihre verheerenden Folgen verursacht.
Die Arbeit begann mit der Isolierung von einem Dutzend Zellgruppen von potenziellem Interesse. Zu diesen Clustern gehörten Alveolarepithelzellen, Fibroblasten, Keimzellen, Endothelzellen, Perizyten, Flimmerzellen und Myofibroblasten. Die ersten Ergebnisse veranlassten das Team, die Aktivität der endothelialen Vorläuferzellen (EPCs), die sich in den inneren Auskleidungen der mikrovaskulären Blutgefäße der Lunge befinden, genauer zu untersuchen.
Anhand der Daten von etwa 800 dieser Zellen fand das Team 93 herunterregulierte und 43 hochregulierte Gene in der FOXF1-Mutationsgruppe im Vergleich zu der normalen Gruppe. Anhand dieser Daten reduzierte das Team die Verdächtigen auf einen kritischen Signalweg, an dem die Proteine BMP9, ACVRL1 und SMAD1 beteiligt sind.
Wenn das FOXF1-Protein fehlt oder eine der schädlichen Mutationen aufweist, wird die Expression von ACVRL1 reduziert, was wiederum die Expression von nachgeschalteten Zielgenen verringert. Dieser Signalweg ist für eine gesunde Blutgefäßbildung in der Lunge notwendig.
Um die Bedeutung dieses Signalwegs zu bewerten, musste eine vom Kalinichenko-Labor entwickelte Nanopartikel-„Verabreichungsplattform“ verwendet werden, um das ACVRL1-Protein „zum Schweigen zu bringen“ - allerdings nur in den Endothelzellen in der Lunge der Mäuse.
Die gute Nachricht: Das Team fand heraus, dass die Zugabe des synthetischen morphogenetischen Knochenproteins BMP9 zu Zellen, denen funktionale FOXF1-Gene fehlten, dazu beitrug, den Signalweg wiederherzustellen, die ACVRL1-Aktivität zu stimulieren und die Lunge dazu zu bringen, weiterhin Kapillaren zu bilden. Die Forscher bestätigten dies durch Tests in Laborzellkulturen und bei Mäusen.
BMP9 ist eines von etwa 20 verschiedenen Proteinen dieser Art, die beim Menschen vorkommen. Ursprünglich wurde entdeckt, dass diese Molekülklasse eine wichtige Rolle beim Knochenwachstum spielt, doch in jüngerer Zeit hat sich gezeigt, dass sie eine Vielzahl von Funktionen in der Entwicklung übernimmt. Zwei weitere verwandte Proteine – BMP7 und BMP2 – wurden von der FDA zur Behandlung von Knochenwachstumsstörungen zugelassen. Bislang ist jedoch noch kein Medikament zur Stimulierung der BMP9-Aktivität für den menschlichen Gebrauch zugelassen worden.
Wenn ein sicherer BMP9-Agonist oder ein synthetisches BMP9-Molekül entwickelt werden kann, das für den menschlichen Gebrauch geeignet ist, könnte es mehr als nur eine Behandlung für ACDMPV sein, sagt Kalinichenko. Es könnte auch das Wachstum von Blutgefäßen stimulieren, das durch bronchopulmonale Dysplasie (BPD) behindert wird – eine Komplikation der Frühgeburt, die bei etwa 10.000 bis 15.000 Babys pro Jahr auftritt. Zwar überleben die meisten Säuglinge diese Erkrankung, doch könnten frühzeitige Eingriffe zur Reparatur von Lungenschäden dazu beitragen, ein erhöhtes Risiko für Asthma und Lungeninfektionen im späteren Leben zu vermeiden.
Die Behandlung könnte auch Säuglingen mit kongenitaler Zwerchfellhernie (CDH) zugute kommen – einem Geburtsfehler, von dem in den USA jährlich etwa 1.000 Neugeborene betroffen sind. Bei diesen Kindern können Lücken im Zwerchfell dazu führen, dass andere innere Organe den von der Lunge benötigten Platz einnehmen. Durch eine Operation kann die Hernie zwar repariert werden, aber in vielen Fällen haben die Lungen Schwierigkeiten, zu einem normalen Wachstumsmuster zurückzukehren.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Cincinnati Children's Hospital Medical Center. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Trevor Neely, unsplash.