Auch Kinder können an Long Covid erkranken, zeigt eine großangelegte dänische Studie. Gleichzeitig scheint die Pandemie gesunde Kinder stärker psychisch zu belasten.
Eine Studie bestätigt, dass auch bei Kindern nach einer SARS-CoV-2-Infektion Long-Covid-Symptome auftreten können und diese mindestens zwei Monate anhalten. Es handelt sich um die bisher größte Studie zu Long Covid bei Kindern, die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift The Lancet Child & Adolescent Health veröffentlicht.
Für die Studie wurden stichprobenartig Kinder in Dänemark ausgewählt und befragt. An COVID-19 Erkrankte wurden mit einer Kontrollgruppe von Kindern verglichen, die keine Vorgeschichte einer Corona-Infektion hatten. „Das übergeordnete Ziel unserer Studie war es, die Prävalenz lang anhaltender Symptome bei Kindern und Kleinkindern sowie ihre Lebensqualität und die Abwesenheiten von Schule oder der Kindertagesstätte zu bestimmen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Kinder mit einer SARS-CoV-2-Diagnose zwar häufiger unter lang anhaltenden Symptomen leiden als Kinder ohne vorherige Diagnose, dass die Pandemie aber alle Aspekte des Lebens der jungen Menschen beeinflusst hat. Weitere Forschungen zu den langfristigen Folgen der Pandemie für alle Kinder werden in Zukunft wichtig sein“, erklärt Prof. Selina Kikkenborg Berg vom Universitätsklinikum Kopenhagen in Dänemark.
Die meisten bisherigen Erhebungen über Long Covid bei jungen Menschen konzentrierten sich auf Jugendliche; Säuglinge und Kleinkinder waren nur selten vertreten. Für die Studie wurden Fragebögen an Mütter oder Erziehungsberechtigte von Kindern zwischen 0 und 14 Jahren geschickt, die zwischen Januar 2020 und Juli 2021 positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden und an COVID-19 erkrankt waren. Insgesamt gingen Rückmeldungen von fast 11.000 Kindern mit Covid ein, die nach Alter und Geschlecht mit über 33.000 weiteren Kindern abgeglichen wurden, die nie COVID-19 hatten.
In der Erhebung wurden die Teilnehmer zu den 23 häufigsten Symptomen von Long Covid bei Kindern befragt, wobei die WHO-Definition (Covid-Symptome, die länger als zwei Monate andauern) verwendet wurde. Die am häufigsten gemeldeten Symptome bei Kindern im Alter von 0–3 Jahren waren Stimmungsschwankungen, Hautausschläge und Bauchschmerzen. Bei den 4–11-Jährigen waren die am häufigsten berichteten Symptome Stimmungsschwankungen, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie Hautausschläge und bei den 12–14-Jährigen Müdigkeit, Stimmungsschwankungen und Gedächtnis- bzw. Konzentrationsstörungen.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Kinder, bei denen COVID-19 diagnostiziert wurde, in allen Altersgruppen mit höherer Wahrscheinlichkeit mindestens ein Symptom für zwei Monate oder länger aufweisen als die Kontrollgruppe. In der Altersgruppe von 0–3 Jahren hielten bei 40 % der Kinder (478 von 1.194 Kindern) die Symptome länger als zwei Monate an, verglichen mit 27 % der Kontrollgruppe (1.049 von 3.855 Kindern). In der Altersgruppe 4–11 Jahre lag das Verhältnis bei 38 % (1.912 von 5.023 Kindern) gegenüber 34 % der Kontrollen (6.189 von 18.372 Kindern) und in der Altersgruppe der 12–14-Jährigen traten bei 46 % (1.313 von 2.857 Kindern) gegenüber 41 % der Kontrollen (4.454 von 10.789 Kindern) lang anhaltende Symptome auf.
Viele der Symptome, die mit Long Covid assoziiert sind, treten auch häufig bei ansonsten gesunden Kindern auf. Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen, Bauchschmerzen und Müdigkeit müssen nichts mit COVID-19 zu tun haben. In der dänischen Studie wurde jedoch festgestellt, dass Kinder mit Covid häufiger unter lang anhaltenden Symptomen litten als Kinder ohne Diagnose. Die Autoren schlussfolgern daraus, dass es sich bei den berichteten Symptomen um Long Covid handelt. Dafür spreche auch, dass etwa ein Drittel der Kinder mit Coronainfektion Symptome aufweist, die vorher nicht vorhanden waren.
Im Allgemeinen berichteten Kinder, bei denen COVID-19 diagnostiziert wurde, über weniger psychologische und soziale Probleme als die Kinder der Kontrollgruppe. In älteren Altersgruppen fühlten sich die Betroffenen außerdem oft weniger ängstlich, hatten weniger Schlafprobleme und machten sich weniger Sorgen darüber, was mit ihnen geschehen würde. Die Autoren schließen auf ein erhöhtes Pandemiebewusstsein in älteren Altersgruppen. Auch hatten die Kinder der Kontrollgruppe mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Angst vor der unbekannten Krankheit und ein eingeschränkteres Alltagsleben, weil sie sich vor einer Ansteckung mit dem Virus schützen mussten.
„Die Gelegenheiten, solche Forschungen durchzuführen, werden in den nächsten Jahren mehr, da ein Großteil der Kinder inzwischen eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht hat; so hatten beispielsweise 58 % der Kinder in Dänemark zwischen Dezember 2021 und Februar 2022 eine laborbestätigte Infektion. Die Kenntnis der langfristigen Symptombelastung bei SARS-CoV-2-positiven Kindern ist für die klinische Erkennung, die elterliche Fürsorge und gesellschaftliche Entscheidungen über Maßnahmen wie Isolierung und Abriegelung, nicht-pharmazeutische Interventionen und Impfstrategien von entscheidender Bedeutung“, so Kikkenborg Berg.
„Unsere Ergebnisse decken sich mit früheren Studien über Long Covid bei Jugendlichen, die zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder Long Covid bekommen, zwar gering ist, insbesondere im Vergleich zu Kontrollgruppen, aber die Erkrankung dennoch erkannt und ernsthaft behandelt werden muss. Weitere Forschungsarbeiten werden von Vorteil sein, um eine optimale Behandlung zu ermöglichen und die langfristigen Folgen der Pandemie für Kinder besser zu verstehen“, sagt Prof. Kikkenborg Berg.
Die Autoren räumen auch einige Einschränkungen der Studie ein, darunter eine lange Zeitspanne zwischen der Diagnose und der Teilnahme an der Umfrage. Die Untersuchung stützte sich außerdem auf von den Eltern gemeldete Daten, die bei psychologischen Symptomen weniger genau sind. Dies kann auch zu Selektionsverzerrungen führen, da die Mütter und Erziehungsberechtigten von Kindern mit schwereren Symptomen öfter bereit sind, zu antworten. Das kann dazu führen, dass die Ergebnisse die am stärksten betroffenen Kinder repräsentieren. Darüber hinaus waren öffentliche Tests auf SARS-CoV-2 erst ab August 2020 verfügbar, was bedeutet, dass einige Kinder in der Kontrollgruppe unentdeckte asymptomatische Infektionen gehabt haben könnten.
Maren Rytter von der Universität Kopenhagen schreibt in einem Kommentar zur Studie: „[Obwohl] die Studie ergab, dass Symptome jeglicher Art bei Kindern, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren, etwas häufiger auftraten [...], sind die Gesamtauswirkungen einer SARS-CoV-2-Infektion auf Kinder wahrscheinlich gering und wahrscheinlich viel geringer als die indirekten Auswirkungen der Pandemie. Bei den meisten Kindern mit unspezifischen Symptomen nach COVID-19 ist es wahrscheinlicher, dass die Symptome durch etwas anderes verursacht werden und wenn sie mit COVID-19 zusammenhängen, werden sie wahrscheinlich mit der Zeit vergehen.“
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung vom The Lancet. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Marisa Howenstine, unsplash