Geben Apotheker verschreibungspflichtige Präparate ohne Rezept ab, verstoßen sie nicht nur gegen arzneimittelrechtliche Normen. Auch wettbewerbsrechtlich lassen sich entsprechende Handlungen ahnden, urteilte der Bundesgerichtshof.
Um Verbraucher zu schützen, pochen Politiker auf das Arzneimittelgesetz (AMG) und auf die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV). Von diesen Regeln gibt es jedoch Ausnahmen: Das Strafgesetzbuch (StGB) spricht in Paragraph 34 vom „rechtfertigenden Notstand“, falls eine Handlung begangen wird, um Schaden von anderen abzuwenden. Und in der AMVV, Paragraph 4, heißt es: „Erlaubt die Anwendung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels keinen Aufschub, kann die verschreibende Person den Apotheker in geeigneter Weise, insbesondere fernmündlich, über die Verschreibung und deren Inhalt unterrichten. Der Apotheker hat sich über die Identität der verschreibenden Person Gewissheit zu verschaffen. Die verschreibende Person hat dem Apotheker die Verschreibung in schriftlicher oder elektronischer Form unverzüglich nachzureichen.“ Diese Eckpunkte nahm eine Apothekerin nicht ganz so eng.
Stein des Anstoßes war eine Patientin, die regelmäßig Blutdrucksenker mit Atenolol, Chlortalidon plus Hydralazin einnahm. Sie hatte vergessen, ein neues Rezept zu bestellen. In der Apotheke des Klägers hatte sie Pech und erhielt das benötigte Präparat nicht. Vielmehr verwies sie ein Kollege an den ärztlichen Notdienst – dort könne man ja ein Rezept bekommen. Davon war die Kundin nicht begeistert. Sie versuchte in einer anderen Apotheke ihr Glück und erhielt das benötigte Medikament tatsächlich ohne Verordnung. Als der anfänglich kontaktierte Apotheker davon erfuhr, mahnte er seine Konkurrentin ab. Die Sache landete vor dem Kadi.
Während das Landgericht Ravensburg als erste Instanz Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche bestätigte (Az.: 7 O 76/11 KfH 1), wies das Oberlandesgericht Stuttgart die Klage ab (Az.: 2 U 193/12). Schließlich musste der Bundesgerichtshof (BGH) aktiv werden (Az.: I ZR 123/13). Juristen argumentierten erneut, die Verschreibungspflicht gemäß Paragraph 48 AMG diene dem Schutz der Patienten vor gefährlichen Fehlmedikationen. Durch Verstöße gegen Vorschriften würden Verbraucherinteressen nach anderweitiger Rechtsprechung des BGHs spürbar beeinträchtigt.
Entsprechende Grundprinzipien kamen im aktuellen Fall auch zu tragen. Die Beklagte sei nicht aufgrund besonderer Umstände gemäß Paragraph 4 AMVV ausnahmsweise zur Abgabe von Arzneimitteln ohne Rezept berechtigt. Ausnahmen von dieser Vorschrift setzten eine Therapieentscheidung des behandelnden Arztes aufgrund vorheriger Diagnosen voraus, hieß es weiter. In dringenden Fällen reiche es aus, Apotheker telefonisch zu unterrichten. Genau dieser Punkt sei nicht erfüllt gewesen: Die Apothekerin hatte einen Arzt kontaktiert, der besagte Patientin weder kannte noch behandelte. Da keine akute Gesundheitsgefährdung bestand, wäre es zumutbar gewesen, besagte Kundin an den medizinischen Notdienst zu verweisen.