Müffelnde Füße, Achselschweiß, Mundgeruch – einige Patienten muten uns Ärzten viel zu. Warum sie miefen? Das kann verschiedene Gründe haben.
Wir werden in unserem medizinischen Alltag gerne mit allerlei Dingen konfrontiert, die unsere nicht-medizinischen Freunde oder Familienmitglieder eklig finden. Neulich zum Beispiel zeigte mir ein Patient ein Foto vom Inhalt seiner Toilettenschüssel. Ich fand es prima. Und das meine ich ernst, denn auch, wenn ich mir nach genauer Befragung nach Aussehen und Beschaffenheit der Ausscheidung („War der Stuhlgang dünn wie Wasser oder eher breiig?“, „Wie war die Farbe? Schwarz wie Teer oder eher dunkelbraun?“, „Glänzte der Stuhl?“, „Schaumig?“, „Mit Stückchen?“) meist ein gutes Bild machen kann, so erleichtert mir ein Foto doch sehr die Arbeit.
Auch finde ich es keinesfalls eklig, wenn ich Patienten untersuche und sie schwitzen dabei. Dafür wird sich häufig entschuldigt, dabei ist das Schwitzen doch eine normale Körperfunktion. Wir alle tun es mehr oder weniger, und unter den Armen oder in der Leiste ist es eben mollig warm, so dass der Körper etwas Flüssigkeit absondert.
Füße sind nicht meine Lieblingskörperregion, aber für den charakteristischen Fußgeruch kann man meistens auch nichts. Viele Menschen müffeln dezent an den Füßen, selbst wenn sie sich dieselben vorher gewaschen haben. Darüber hinaus gibt es Nagelpilz, Hautpilz, Warzen, Schrunden, Hühneraugen und reichlich Hornhaut, die unsere Füße zieren und mit mehr oder weniger aufwändiger Pflege beseitigt werden können. Oft ist es anlagebedingt, wie verhornt Füße sind.
Das alles juckt und stört mich überhaupt nicht und ich denke, ich wäre im falschen Beruf, hätte ich Probleme damit.
Nun kommt das große Aber: Wofür ich wenig Verständnis habe, ist eine wirklich absolut nicht vorhandene Körperhygiene von jungen und gesunden Menschen. Und dabei meine ich nicht die ganz individuelle Vorstellung von Parfüm, Mode der Unterwäsche oder Enthaarungszustand. Wo und wie Menschen ihre Haare tragen, auf dem Kopf, unter den Armen oder ganz intim, ob da glatte Haut oder Löckchen oder Zöpfchen sind, das ist persönliche Haarmode.
Ich erinnere mich an einen jungen Mann, der in einer der Coronawellen bei mir war. Er wirkte etwas verschlafen, die Haare standen wuschelig ungekämmt zu Berge und er schniefte in seinen Mundschutz, der ein nasses Rinnsal von Nase zum Mund führte. Der COVID-19-Schnelltest war negativ, er schien eine dicke Erkältung zu haben und ich bat ihn, kurz den Mundschutz beiseite zu schieben, um seinen Hals zu inspizieren.
Die Atemluft, die mir entgegenkam und die ich sogar durch meine FFP2-Maske roch, verschlug mir meinen eigenen Atem. Die Zähne waren schmierig belegt und zeigten braune Ränder. Das war kein Mundgeruch, den man bei Entzündungen im Rachenbereich gerne hat, denn dieser riecht anders. Vor Corona, als man noch ohne Mund-Nase-Schutz zum Arzt ging, konnte man manchmal bereits am sogenannten Foetor ex ore einen Hinweis darauf bekommen, was das Problem des vor einem sitzenden Menschen war.
Riecht es süßlich eitrig, dann spricht es für eine Entzündung der Mandeln oder der Seitenstränge. Paradontose oder Zahnprobleme müffeln beißend, modrig. Der Geruch bei Magenproblemen und Sodbrennen ist eher sauer, und Diabetiker mit stark erhöhtem Blutzucker oder Menschen, die lange nichts gegessen haben (z.B. Kinder mit Magen-Darm-Infekt) riechen nach altem Obst oder Nagellack. Der junge Mann roch einfach nur nach „Ich habe mir lange nicht die Zähne geputzt“.
Ist das nicht das Mindeste an Hygiene, das man an den Tag legen sollte? Man steht auf und putzt sich den Morgenmief von den Zähnen, wäscht sich an relevanten Stellen und bürstet sich die Haare. Katzenwäsche. Es ist verständlich, dass man im kranken Zustand nicht unter die Dusche hüpft und sein liebstes Parfüm auflegt. Das ist auch gar nicht nötig für den Gang in die Praxis.
Manchmal ist es sogar sinnvoll, sich nicht über Gebühr zu pflegen, wenn man zum Arzt geht. Denn ich als Hausärztin beurteile ja den Gesamtzustand meines Patienten. Darüber hinaus kennen wir als Hausärzte unsere Patienten oft sehr lange und wissen einfach, ob sie an dem Tag des Besuchs vielleicht einfach nur zu krank für die große Wäsche waren.
Übertriebene Hygiene kann aber die Untersuchung auch umständlich beeinflussen. Wenn Patienten sich nicht entkleiden wollen, weil sie nicht rasiert sind, oder gerade von der Arbeit kommen und sich verschwitzt fühlen. Hin und wieder habe ich alte Herrschaften, die sich erst umständlich aus Rock, Spitzenbody oder Unter- und Oberhemd (mit Pullunder) schälen müssen, bevor ich sie untersuchen kann. Weil man früher (und das habe ich auch noch gelernt), nicht mit Jogginghose oder ungewaschen aus dem Haus ging.
Nun habe ich noch ein „Allerdings“ einzuwenden: Nicht jeder Mensch kann sich waschen. Das, was für uns (einigermaßen) junge und gesunde Menschen (eigentlich) normal ist, kann für ältere Menschen oder für Kranke eine große Hürde sein. Viele alte Menschen können sich nicht mehr alleine duschen oder baden und die Haare werden nur einmal die Woche gewaschen. Weil es einfach alleine nicht mehr funktioniert. Schon eine Hüftarthrose kann Schuld sein, dass die Fußnägel zu lang sind. Oder der große Schwangerschaftsbauch.
Wenn Patienten insgesamt verwahrlost und ungepflegt aussehen, muss man an eine psychische Erkrankung denken. Wer unter Depression leidet, schafft es teilweise einfach nicht, sich zu duschen, weil alle Tätigkeiten mühsam und eine Last sind. Ein anderes Beispiel aus dem psychiatrischen Formenkreis: Bei einer Schizophrenie werden alltägliche Dinge, wie Nahrungsaufnahme und Körperpflege vernachlässigt. Da muss man aufpassen, diese Patienten nicht vorschnell zu verurteilen. Sie können nichts dafür!
Abgehärtet wird man als Mediziner übrigens im Pflegepraktikum des Grundstudiums: Man wäscht Patienten um Patienten, putzt Zähne, Prothesen und Intimbereiche, entfernt Kot aus Falten, Fingernägeln und Bettwäsche und bekommt eine Demut vor dem Leben.
Wir alle können in die Lage kommen, für die Körperpflege auf andere Menschen angewiesen zu sein. Dafür müssen wir nicht mal hochbetagt sein, wenn das Leben beschließt, dich pflegebedürftig werden zu lassen. Wie meistens im Leben gilt: Ganz normal ist einfach am Besten.
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