Wenn Patienten das Gefühl haben, dass ein Medikament ihnen mehr schadet als nutzt, wird es mit der Compliance schwierig. Welches Experiment sich dann bei der Statin-Therapie lohnt, lest ihr hier.
Statine gehören als HMG-CoA-Reduktasehemmer zur Standardtherapie in der Behandlung von Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK). Sie verringern erwiesenermaßen das Risiko für Schlaganfälle und Myokardinfarkte und senken die Gesamtmortalität. Allerdings befürchten einige Patienten unerwünschte Nebenwirkungen wie Verdauungsstörungen oder Muskel- und Gelenkschmerzen. Dies hat einen negativen Effekt auf die Compliance.
Doch die unter Statintherapie empfundenen Nebenwirkungen sind nicht immer auf die Inhaltsstoffe des Medikaments zurückzuführen. Zum Beispiel konnten Kristiansen et al. zeigen, dass viele Menschen unter Placebo ähnliche Symptome hatten wie unter Atorvastatin, wobei 28 % der Probanden mehr Symptome unter dem Statin und 17 % mehr unter Placebo hatten. Dr. Kate Tudor von der Universität Oxford und ihr Team untersuchten in einer aktuell im Circulation Journal erschienenen Studie, wie die Akzeptanz von Statinen gesteigert werden kann. Mit Hilfe einer Intervention, die Hinweise auf die Ursache der Beschwerden liefert, gelang es ihnen, dass auch ein Teil der skeptischen Teilnehmer ihre Behandlung weiterführte.
In ihrer randomisierten Studie verwendeten die Autoren ein spezielles N-of-1-Design. Herzkranke Patienten, die Statine verschrieben bekamen, jedoch eine Einnahme ablehnten, wurden dafür einem von drei Studienarmen zugeteilt. Aus der Studie ausgeschlossen wurden Patienten, bei denen eine Statin-Einnahme mit einem Gesundheitsrisiko verbunden war.
Neben der Standardbehandlung, bei der den Teilnehmern geraten wurde, präventiv Statine einzunehmen, gab es zwei N-of-1-Arme, in denen die Medikation in einem Vier-Wochen-Turnus entweder in Form eines unverblindeten Experiments abwechselnd gegeben wurde und pausierte oder in Form eines verblindeten Experiments zufällig zwischen der Vergabe des Statins und eines Placebos wechselte. Sechs Monate lang sollten alle Symptome dokumentiert werden. Im Anschluss erfolgte ein Arztgespräch zu den Aufzeichnungen und den Patienten wurde nahegelegt, die Statintherapie wieder aufzunehmen.
Insgesamt wurden 93 Personen in die Studie eingeschlossen, darunter 43 % Männer. Das mittlere Alter lag bei 73,9 Jahren. Von den 93 Teilnehmern erhielten 20 die Standardbehandlung und 73 wurden den beiden Interventionsarmen zugeteilt. Von den 73 Patienten in den Interventionsarmen ließen sich 56 von 73 (77 %) auf das N-of-1-Experiment ein.
Die gesamten 6 Monate hielten 43 von den 56 Patienten (77 %) durch und erhielten am Ende ein Feedbackgespräch mit dem Arzt. Es befanden sich 20 von 28 (71 %) im unverblindeten Arm und 23 von 28 (82%) im verblindeten Arm. In der Interventionsgruppe nahmen nach dem Arztgespräch 33 von 73 (45 %) Teilnehmern ihre Statintherapie tatsächlich wieder auf. In der Kontrollgruppe waren es signifikant (95 % CI, 5 % bis 43 %; p = 0,041) weniger Teilnehmer und zwar nur 4 von 20 (20 %). Zwischen dem verblindeten und dem unverblindeten Studienarm zeigten sich bezüglich der Wiederaufnahme der Behandlung keine signifikanten Unterschiede (95 % CI, 20 % bis 24 %; p = 0,86). Unerwünschte Ereignisse waren mit und ohne Statine ähnlich häufig.
Die Autoren der Studie postulieren, dass das Modell von jedem Mediziner übernommen werden könne, dessen Patienten bereit seien, vermeintliche Nebenwirkungen täglich zu notieren. In einem zweiten Schritt könne dann geprüft werden, ob die unerwünschten Wirkungen lediglich in Medikationsphasen auftreten. Damit lasse sich zeigen, ob andere Ursachen oder der Nocebo-Effekt für die Beschwerden verantwortlich sind.
Die genaue Analyse, um die Ursache der Beschwerden zu finden, könne die Akzeptanz für die Statintherapie erhöhen, betonen Tudor et al. Wenn man den Gedanken weiterführe, sei auch denkbar, dass diese Analyse durch eine App übernommen wird. Hierfür seien weitere Studien mit einer größeren Patientenanzahl notwendig.
Bildquelle: Icons8 Team, unsplash.