Schwimmsaison heißt: Mehr Otitis-Patienten in der Praxis. Hier ein kleiner Auffrischer zu Diagnostik und Behandlung.
Bei hohen Temperaturen ist eine Erfrischung wohltuend. Beim Abtauchen ins kühle Nass steigt jedoch das Risiko, dass Keime ins Ohr gelangen. Befinden sich in der Haut des Gehörgangs kleine Traumata, können Erreger eindringen, eine schmerzhafte Entzündung ist die Folge. Etwa jeder Zehnte ist mindestens einmal in seinem Leben von einer solchen Gehörgangsentzündung (Otitis externa, OE), auch als Badeotitis oder Swimmer’s Ear bekannt, betroffen. Auslöser der Infektion sind meist Bakterien, vor allem Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis, seltener Pilze oder Viren.
Die Haut über dem etwa 2 bis 3,5 cm langen, knöchernen Gehörgang ist reichlich innerviert und praktisch frei von Unterhautfettgewebe. Exsudate bilden zusammen mit abgeschilferten Epithelien das Cerumen. Der normale pH-Wert des Gehörgangs liegt bei 5–5,7. Das saure Milieu und die hydrophoben Eigenschaften des Cerumens hemmen das Bakterienwachstum. Nehmen schädliche Bakterien jedoch überhand und dringen in die Haut ein, können eine Entzündung von Kutis und Subkutis die Folge sein.
Die Infektion äußert sich bei leichten Verläufen mit Juckreiz, Schmerzen und einer geringen Schwellung der Gehörgangshaut, bei schwereren Verläufen treten starken Schmerzen und eine Obstruktion des äußeren Gehörgangs auf. Die Haut ist gerötet und schuppt. Typisches Symptom ist die starke Druckschmerzempfindlichkeit des Tragus, also der knorpeligen Erhebung vor dem Gehörgang. Dadurch lässt sich die OE von der Mittelohrentzündung unterscheiden. Die Schmerzen verstärken sich ebenfalls, wenn der Patient oder Arzt an der Ohrmuschel zieht.
Wenn sich die Infektion über den Gehörgang hinaus ausbreitet und umgebene Knochen miteinbezieht, liegt die Sonderform nekrotisierende OE (OE maligna oder necroticans) vor. Die potenziell tödlich verlaufende Krankheit tritt vor allem bei älteren Patienten mit Diabetes mellitus oder Immunsuppression auf und kann lebensbedrohlich sein. Beim Erreger handelt es sich meist um Pseudomonas aeruginosa. Eine systemische Antibiotika-Behandlung im Krankenhaus ist erforderlich.
Dauert eine OE länger als drei Monate an oder erkranken Patienten öfter als vier Mal pro Jahr, liegt eine chronische Gehörgangsentzündung vor. Betroffene leiden meist an einer dermatologischen Grunderkrankung wie Psoriasis oder atopisches Ekzem oder an einer Kontaktdermatitis. Symptomatisch steht oft Juckreiz im Vordergrund.
Eine eigene Behandlungsleitlinie gibt es in Deutschland nicht für die OE. Sie wird aber in der mittlerweile abgelaufenen AWMF-S2k-Leitlinie „Ohrenschmerzen“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin berücksichtigt. Die Behandlung umfasst eine Reinigung des Gehörgangs, die Applikation von antiseptisch und antimikrobiell wirksamen Mitteln sowie ggf. eine Schmerztherapie.
Im ersten Schritt muss der Gehörgang vorsichtig, aber gründlich von Cerumen und Exsudat befreit werden. Das gehört in professionelle Hände und sollte nicht vom Patienten in Eigenregie durchgeführt werden. Gegen die oft starken Schmerzen helfen analgetische Ohrentropfen. Als Pharmakotherapie stehen bei der unkomplizierten akuten OE topische Antibiotika, Antiseptika und Glukokortikoide sowie Kombinationen daraus zur Verfügung. Die Medikamente können als Tropfen oder Sprays angewendet werden, auch kann der HNO-Arzt sie mit einer getränkten Tamponade oder zusammengerollten Kompresse in das Ohr einbringen.
Die Wirksamkeit von Antibiotika und Glukokortikoiden, ggf. in Kombination mit Antiseptika, wurde in Studien bestätigt. Bei unkomplizierter akuter OE sind die Patienten mit topischer Behandlung im Mittel nach sechs Tagen symptomfrei. Auch Antiseptika wie Essigsäure alleine helfen und sind bei einer Behandlung bis zu einer Dauer von einer Woche vergleichbar wirksam wie Antibiotika/Glukokortikoid-Tropfen. Alkohol in vielen antiseptischen Zubereitungen wirkt desinfizierend und austrocknend. Zudem senken Präparate wie zweiprozentige Essigsäure den pH-Wert ab, was das Bakterienwachstum hemmt.
Bei Kombinationen von Antibiotika und Glukokortikoiden wie Neomycin/Dexamethason oder Neomycin/Polymyxin B/Hydrocortison gibt es keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit. Auch die Unterschiede verschiedener topischer antimikrobieller Mittel bei akuter OE sind allenfalls geringfügig. Wichtig ist allerdings, dass ototoxische Substanzen bei einer Trommelfellperforation nicht angewendet werden dürfen.
Obsolet in der Behandlung der OE sind antiseptisch und austrocknend wirkende Farbstoffe wegen ihrer toxischen Eigenschaften.
Während die OE abheilt, sollten Reizstoffe aus Shampoos oder Seifen und Feuchtigkeit vom Gehörgang ferngehalten werden. Da ein feuchtes Milieu eine (Re-) Infektion begünstigt, sind die Ohren nach dem Baden und Duschen gut abzutrocknen bzw. trocken zu föhnen.
Um überschüssiges Cerumen zu entfernen, reicht es, dieses mit einem feuchten Tuch aus dem äußeren Teil des Gehörgangs zu wischen. Mit Wattestäbchen drücken Patienten das Cerumen unter Umständen tiefer in den Gehörgang hinein oder fügen der Haut kleine Verletzungen zu. Festsitzendes Ohrenschmalz lässt sich mit speziellen Produkten aus der Apotheke oder Olivenöl aufweichen. Wird viel Cerumen produziert, was beispielsweise bei Hörgeräteträgern der Fall sein kann, lassen Betroffene am beste regelmäßig den Gehörgang durch den HNO-Arzt reinigen. Nach dem Schwimmen oder Tauchen können essigsäurehaltige Ohrentropfen das Infektionsrisiko senken.
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