Lange hat man gerätselt, jetzt ist’s sicher: Nur Vektorimpfstoffe sind Auslöser für schwere prothrombotische Nebenwirkungen. Was passiert und wie man vorgehen kann, lest ihr hier.
Anfang vergangenen Jahres hatte eine Arbeitsgruppe um Prof. Andreas Greinacher von der Universitätsmedizin Greifswald die Ursachen für die Entstehung von Hirnvenenthrombosen nach einer COVID-19-Impfung mit dem Vektorimpfstoff von AstraZeneca aufgeklärt. Das Team hat außerdem einen Labortest zum Nachweis sowie eine Behandlungsmöglichkeit entwickelt. Jetzt liegen die Ergebnisse der ersten Patientenstudie mit 69 betroffenen Frauen und Männern aus ganz Deutschland vor.
Es geht klar hervor, dass allein die verabreichten Vektorimpfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson für die sehr seltenen, aber gefährlichen Impfnebenwirkungen verantwortlich sind und nicht das Spike-Protein oder die Infektion mit SARS-CoV-2. Die Studie wurde im New England Journal of Medicine veröffentlicht.
Bei einer Impfung gegen SARS-CoV-2 mit Adenovirusvektor-Impfstoffen kommt es zu Reaktionen des Immunsystems. In sehr seltenen Fällen können dabei Komplikationen entstehen, wie beispielsweise Hirnvenenthrombosen. Die Ursache für die schwere sogenannte vakzine-induzierte prothrombotische Immunthrombozytopenie (VITT) sind Antikörper gegen das Thrombozytenprotein Plättchenfaktor 4 (PF4), die die Blutgerinnung stark aktivieren. Die Antikörper werden durch Bestandteile im Impfstoff, die sich an PF4 binden, ausgelöst.
„Auf einem Treffen der Europäischen Arzneimittel-Agentur stellen Wissenschaftler aus der ganzen Welt ihre Forschungsdaten zu Thromboseereignissen als Impfnebenwirkung vor“, sagte Greinacher. Dort wurden auch seine Studienergebnisse präsentiert.
Das Durchschnittalter der 69 Probanden betrug 48 Jahre, der jüngste Patient ist 18 und der älteste 80 Jahre alt. Etwa 60 Prozent der betreuten Gruppe sind Frauen. „Diese Patienten benötigen Unterstützung bei vielen Fragen und Unsicherheiten, was sie nach einer schweren VITT-Erkrankung beachten müssen“, so Greinacher.
Dr. Linda Schönborn hat mit Hilfe der ehemaligen VITT-Patienten jetzt sicher widerlegen können, dass die Immunantwort gegen SARS-CoV-2 oder das Spike-Protein die gefährlichen PF4-Antikörper bei einer Hirnvenenthrombose auslösen. „Von den 69 VITT-Patienten haben elf Frauen und Männer im weiteren Verlauf eine COVID-19-Erkrankung durchlaufen. Bei keinem der Patienten stiegen nach COVID-19 die Anti-PF4-Antikörpern wieder an. Niemand entwickelte erneut eine Thrombozytopenie oder eine neue Thrombose“, unterstrich die Ärztin.
„Wenn beide Immunantworten miteinander verbunden wären, müssten VITT-Überlebende mit einer COVID-19-Erkrankung einen Anstieg der Anti-PF4-Antikörper zeigen, der möglicherweise sogar eine Thrombozytopenie und Thrombose erneut auslöst. Das geschieht jedoch nicht. Damit gibt es nach bisherigen laborbasierten Studienergebnissen nun erstmals auch den wissenschaftlichen Nachweis anhand tatsächlich erkrankter Menschen, der einen Zusammenhang zwischen der Anti-SARS-CoV-2- und der Anti-PF4-Immunantwort ausschließt.“
Somit ist klar, dass die seltenen thrombotischen Erkrankungen allein ein Problem der Zusammensetzung der Impfstoffe auf Adenovirus-Vektorbasis sind, die durch eine Modifizierung der Impfstoffe ausgeräumt werden könnten. „Unser Befund, dass COVID-19 bei VITT-Patienten keine Anti-PF4-Antikörper reaktiviert und Thrombosen auslöst, liefert weitere Einblicke in die Entstehung, Entwicklung und Behandlung von VITT und erleichtert die Entscheidungsfindung bezüglich einer weiteren COVID-19-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff“, betont Greinacher.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Greifswald. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Tingey Injury Law Firm, Unsplash