Möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben, ohne ständige Arztbesuche und stationäre Aufenthalte – das wünschen sich chronisch Kranke und Risikopatienten. Ein mobiles Überwachungslabor könnte das ermöglichen und den Alltag des Arztes erleichtern.
Gemeinsam mit der Berliner Charité sowie weiteren internationalen Forschungspartnern haben die Wissenschaftler ein mobiles Überwachungslabor entwickelt und getestet. Nur wenige Millimeter groß ist das mobile, drahtlose System, mit dem sich alle wichtigen Parameter zur Gesundheitsüberwachung von Risikopatienten messen lassen.
An das Gerät können verschiedene Mess-Sensoren angeschlossen werden: Ein mit einem Bluetooth-Modul ausgestattetes Pulsoxymeter zur Ermittlung von Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung. Oder ein Blutdruckmessgerät, das die ermittelten Werte von der Armmanschette über WLAN an das System übermittelt. Mit dem Nanopotentiostat, einem elektrochemischen Sensor, lassen sich der Glucose-, Laktat- oder Cholesterolwert bestimmen. Zudem liefert ein Fluoreszenzsensor durch optische Auswertung mit einer Laserdiode die Konzentrationen bestimmter Herz-Kreislauf-Marker. Erfasste Vital-Parameter:
Zur Überprüfung der Risikomarker im Blut nutzt der Patient spezielle Einmal-Kartuschen, in die er mit einem Finger-Pieks einen Bluttropfen bringt. Die Kartusche ist mit einem Mikrochip ausgestattet und so vorbereitet, dass die im Blut enthaltenen Marker nachgewiesen werden können. „Alles, was der Laborarzt im Großen macht, kann der Nanopotentiostat im Kleinen ermitteln – und das bei vergleichbarer Qualität“, erklärt Professor Harald Mathis, Leiter der Abteilung Biomolekulare Optische Systeme des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT.
Dass die Messergebnisse aus dem Mini-Labor vergleichbar präzise sind wie die aus großen Laboren, war den Entwicklern besonders wichtig. „Wäre das nicht so, hätte unser Heimlabor mehr Skeptiker als Befürworter“, so Prof. Mathis. Und Skeptiker gibt es ohnehin schon zur Genüge. „Viele Hausärzte, mit denen wir gesprochen haben, lehnen das Heimlabor von vornherein ab“, berichtet Mathis. Zu groß scheint die Angst, ersetzbar zu sein. „Unsere Mikro-Messstation für zu Hause wird die Arbeit des Hausarztes nicht ersetzen, sie wird sie lediglich vereinfachen“, betont der Wissenschaftler. Die Ängste der Hausärzte will Prof. Mathis mit seinen Kollegen in Zukunft durch Gespräche nehmen.
Das mobile Heimgerät wertet alle Messdaten aus und übermittelt diese über eine sichere Internetanbindung an den Arzt oder ein Medizinzentrum. Über eine Smartphone-App erhält der Patient die Messergebnisse und das Feedback vom Arzt, oder er verbindet sich direkt per Skype oder über ein anderes, digitales Kommunikationssystem mit seinem betreuenden Arzt. „Der direkte Austausch von Arzt und Patient ist dabei sehr wichtig. Denn alle Systeme, die versuchen, ohne eine direkte Verbindung auszukommen, sind bisher kläglich gescheitert“, berichtet Prof. Mathis. Behandlungszentren und Krankenhäuser zeigten sich hingegen offen für die neue Technologie und hätten die Notwendigkeit der Gesundheitsüberwachung von Risikopatienten sofort eingesehen, wie Mathis berichtet. Ein weiterer möglicher Einsatzort des Gerätes wäre auch die Intensivstation. Dort müssten die Daten allerdings mit denen anderer Überwachungsgeräte kombiniert werden – eine Herausforderung, an der die Wissenschaftler momentan arbeiten.
Zusammen mit der Charité haben die Forscher eine Vorstudie durchgeführt, in der die physikalischen Parameter der Messstation evaluiert wurden. Die erste klinische Studie steht unmittelbar bevor. Auch die passende Smartphone-App ist bereits programmiert; natürlich gibt es sie nicht zum freien Download, sondern nur im Zusammenhang mit der Messstation.
Ein miniaturisiertes High-Tech-Diagnoselabor kombiniert mit einer App – taugt das System tatsächlich für Menschen, die an der Schwelle zur Unselbstständigkeit stehen? Zumindest die Entwickler sind zuversichtlich: „Die dauerhafte Überwachung könnte gerade älteren Menschen mit Vorerkrankungen zu mehr Sicherheit und Lebensqualität verhelfen“, erklärt Prof. Mathis. Profitieren würden vor allem IT- und Lifestyle-affine Menschen, die gerade an der Grenze zum Rentenalter stehen. Denn bis die Messstation marktreif ist, werden noch etwa drei bis fünf Jahre vergehen. Und wer noch gar keinen Kontakt zu Smartphones, Skype und WLAN hatte, für den wird die mobile Mikro-Gesundheitsstation im hohen Alter sicher mehr Verwirrung als Erleichterung bringen. Wie viel das Gerät einmal kosten wird, steht noch nicht genau fest. „Einige tausend Euro“, schätzt Prof. Mathis, und weiter: „Doch wenn sich dadurch teure Krankenhausaufenthalte vermeiden lassen, relativiert sich der Preis.“