Führt die Nutzung von Diabetes-Risiko-Scores bei Menschen mit Übergewicht zu einer Lebensstiländerung? Oder kommt es eher zu unerwünschten Effekten? Das untersucht eine aktuelle Studie des Deutschen Diabetes-Zentrums.
Internationale Leitlinien zur Prävention und Therapie des Diabetes enthalten häufig die Empfehlung zur Nutzung sogenannter Diabetes-Risiko-Scores zur Identifikation des zukünftigen Diabetesrisikos. Dabei werden Faktoren wie Taillenumfang, Ernährungsgewohnheiten oder körperliche Aktivität abgefragt. Eine neue Studie des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) hat nun den Nutzen und die Wirkungen solcher Risiko-Scores im hausärztlichen Bereich untersucht.
Welche Auswirkungen hat die Nutzung der Diabetes-Risiko-Scores bei Menschen mit Übergewicht – bei denen noch kein Diabetes diagnostiziert wurde? „Diese neue Studie ist nicht nur deshalb so wichtig, weil sie uns hilft, die Folgen und Nebeneffekte der Diabetes-Prävention besser zu verstehen, sondern es geht hier auch um die Auswirkungen der Nutzung solcher Risikofragebögen auf die Bevölkerung mit Übergewicht“, erklärt Prof. Michael Roden, wissenschaftlicher Geschäftsführer und Vorstand des DDZ. Er fährt fort: „Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schauen daher genau hin, wie sich das Verhalten der Menschen nach solchen Tests ändert und welche Rückschlüsse sich daraus für uns ziehen lassen, um die Verfahren zu optimieren.“
Bei der Gesundheitsuntersuchung beim Hausarzt wurden die teilnehmenden Probanden in zwei Gruppen unterteilt: In der einen Gruppe wurde eine routinemäßige Gesundheitsuntersuchung durchgeführt (Kontrollgruppe) – in der anderen Gruppe wurde zusätzlich der deutsche Diabetes-Risiko-Test eingesetzt (Interventionsgruppe).
Primär interessierten sich die Forscher am DDZ für die Veränderung der körperlichen Aktivität zwölf Monate nach der Gesundheitsuntersuchung. Darüber hinaus wurden Unterschiede hinsichtlich körperlicher (Body-Mass-Index und Taillenumfang) und mentaler Veränderungen (empfundene Gesundheit, Angst, Depression) sowie die Motivation zur Lebensstiländerung ausgewertet. Nach zwölf Monaten wurde in der Interventionsgruppe nur ein leichter Anstieg der körperlichen Aktivität beobachtet, wie etwa 30 Minuten moderate Aktivität beim Fahrradfahren oder das Tragen leichter Lasten an drei Tagen in der Woche.
Hinsichtlich der physischen und mentalen Endpunkte zeigten sich keine relevanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Die Motivation für eine Lebensstiländerung (Reduktion des Körpergewichts, Intensivierung körperlicher Aktivität und gesunde Ernährungsgewohnheiten) war bei Personen in der Interventionsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe ebenfalls nur geringfügig erhöht.
„Die von Experten lange geforderte Studie zur Effektivität von Diabetes-Risiko-Scores im primärärztlichen Setting zeigt eindrucksvoll, dass die Nutzung inklusive Einordnung dieser Ergebnisse beim Abschlussgespräch mit dem zuständigen Arzt nicht ausreicht, um die körperliche Aktivität bei dieser exponierten Personengruppe zu fördern“, erklärt Dr. Esther Seidel-Jacobs, Projektleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Biometrie und Epidemiologie. Eine ganze Reihe ähnlicher Studien zur Effektivität von Risiko-Scores für kardiovaskuläre Erkrankungen zeigten ebenfalls nur klinisch unbedeutende Einflüsse auf einzelne Risikofaktoren und des Weiteren keine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse und Mortalitätsrate.
„Möglicherweise hat die Art und Intensität der Gesprächsführung zwischen dem Hausarzt und Patient im Zusammenhang mit der Nutzung von Diabetes-Risiko-Scores einen Einfluss auf die Effektivität der Maßnahme“, mutmaßt Rathmann und empfiehlt, dass Wissenschaftler weitere randomisierte Studien unter Bezugnahme der gewählten Beratungstechnik durchführen sollten. Darüber hinaus betont Rathmann, dass die Nutzung von solchen Fragebögen in der hausärztlichen Praxis dennoch sinnvoll ist, um das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes objektiv quantifizieren zu können. Als alleinige Intervention reichen Diabetes-Risiko-Scores jedoch nicht aus, um den weiter steigenden Fallzahlen des Diabetes entgegen zu wirken.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ). Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Afif Kusuma, unsplash.com