Eine ketogene Ernährung könnte den Verlauf des polyzystischen Ovarsyndroms positiv beeinflussen. Das zeigt eine Studie – allerdings finanziert von Nestlé. Diät-Wunder oder schlichte Abzocke?
Die Entscheidung, ob es Spiegelei oder Haferflocken zum Frühstück gibt, mag Geschmackssache sein. Aber was, wenn diese und weitere Essgewohnheiten den Verlauf von schwerwiegenden Krankheiten beeinflussen können? Diät-Trends kommen und gehen, doch ist vor allem die ketogene Diät in letzter Zeit in aller Munde. Ebenso in der Forschung: Während des internationalen Symposiums New Frontiers in Scientific Research, welches kürzlich in Barcelona stattfand, lag ein Fokus auf der Rolle der ketogenen Diät, bei der die Zufuhr von Kohlenhydraten stark reduziert ist. Eine Studie aus Italien bezog sich dabei auf eine Komorbidität, die bei übergewichtigen Patientinnen häufiger auftritt: das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS). Ziel der Studie war es, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob eine ketogene Ernährung von Vorteil für den Krankheitsverlauf sein könnte.
Unter der Leitung von Prof. Alessandra Gambineri präsentierte die Forschungsgruppe aus Bologna ihre Ergebnisse über den Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und dem polyzystischen Ovarsyndrom. Das PCOS ist eine chronische Erkrankung, bei der etwa 10 % der Frauen im gebärfähigen Alter unter verschiedenen Symptomen leiden. Die Pathophysiologie dieses Syndroms ist durch das Zusammenspiel von drei Faktoren gekennzeichnet: Androgenüberschuss, Fettgewebedysfunktion und Insulinresistenz. Diese Faktoren stehen in Wechselwirkung zueinander und sind bei jedem Phänotyp unterschiedlich ausgeprägt.
Bei der italienischen Studie ist vor allem die Dysfunktion des Fettgewebes von großer Bedeutung. Diese zentrale Rolle ergebe sich daraus, dass aus dem Fettgewebe stammende Substanzen wie freie Fettsäuren, proinflammatorische Zytokine, Adipokine, Glukokortikosteroide und Androgene den Krankheitsverlauf stark negativ beeinflussen können, besonders bei gleichzeitiger Fettleibigkeit. Die These ist sichtlich einfach: Wenn Betroffene durch eine Diät Gewicht verlieren, werden Lipotoxizität und Entzündungen sowie die Insulinresistenz gesenkt. Doch welchen Zusatznutzen kann dabei die ketgone Diät zeigen?
Von einer ketogenen Diät spricht man im klassischen Sinne, wenn nur geringe Mengen an Kohlenhydraten auf den Teller kommen. Der Verzicht auf Kartoffeln, Nudeln und anderen Kohlenhydratquellen führt zu einem Mangel an eben diesen, woraufhin der Körper seine Reserven verbrennt. Soll später im Rahmen der Gluconeogenese Energie gewonnen werden, müssen Fettreserven herhalten. Dabei kann durch vermehrte Bildung von Ketonkörpern ein Zustand der Ketose entstehen, welcher zeitweise sogar lebensgefährlich werden kann. Doch was bringt das Ganze?
Neben bisher etablierten Erkenntnissen, dass Kohlenhydratrestriktion bei Erkrankungen wie Epilepsie und Amyotrophe Lateralsklerose supportiv sein kann, sind nun auch Typ-2-Diabetes, die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung und PCOS in der Diskussion. Wie fast alle Diäten ist aber auch die ketogene Diät umstritten. Unter anderem werden als mögliche Gesundheitsschäden angeführt: Anstieg des Cholesterinspiegels, Nierenschäden, erhöhtes Brust- und Darmkrebsrisiko, Knochenschäden und Arteriosklerose.
Die untersuchten Endpunkte der Studie sind angelehnt an die häufigsten Symptome des PCOS. Dabei analysierte die Forschungsgruppe Körpergewicht, Insulinresistenz, Menstruationszyklus, Eisprung, Eierstockmorphologie und Hyperandrogenismus bei einer Gruppe von 30 fettleibigen Frauen (zwischen 18 und 45 Jahren) mit PCOS und Insulinresistenz. Die Frauen wurden per Zufallsprinzip zwei gleich großen Gruppen zugeteilt: Die Teilnehmerinnen der Keto-Gruppe hielten sich acht Wochen lang an eine kommerzielle ketogene Diät nach der sogenannten PronoKal Methode (mehr dazu später) und wechselten dann für weitere acht Wochen auf eine hypokalorische Diät. Die Kontrollgruppe hielt sich 16 Wochen lang an eine hypokalorische Diät, wobei in beiden Gruppen nicht ersichtlich ist, wie hoch das Kalorienziel gesetzt wurde.
Die Autoren der Studie konnten in beiden Gruppen sowohl signifikante Gewichtsverluste als auch Besserung der ovariellen Funktion beobachten. Dabei wiesen Frauen der Keto-Gruppe eine Reduktion des Gewichts von 12,4 kg gegenüber 4,7 kg in der Kontrollgruppe auf (P < 0,001). Auch der Taillenumfang (-8,1 % im Vergleich zu -2,2 %, P = 0.004) sowie die Fettmasse (-15,1 % gegenüber -8,5 %, P = 0,02) verringerten sich nach ketogener, kalorienarmer Diät stärker als bei reiner hypokalorischer Ernährung. Der HOMA-Index als Abschätzung der endogenen Insulin-Resistenz war in den ersten 8 Wochen in der Keto-Gruppe ebenfalls geringer (-36.1 % vs. -26.1 %, P = 0,02) als in der Kontrollgruppe.
Als Indikatoren, dass ein Gewichtsverlust den Hyperandrogenismus verbessert, wurden das freie Testosteron (-30,3 % gegenüber +10,6 %, P = 0,002) und die Anzahl der Ovulationen analysiert. Für die Autoren ist unter all diesen positiven Effekten die Verbesserung des Eisprungs besonders bemerkenswert. Zu Beginn der Studie hatten nur 38,5 % der Teilnehmerinnen in der Versuchsgruppe und 14,3 % der Teilnehmerinnen in der Kontrollgruppe einen Eisprung. Nach dem Eingriff gelang es 84,6 % der Keto-Gruppe, einen Eisprung zu haben. (Kontrollgruppe 35,7 %, P = 0,031).
Trotz kleiner Studienpopulation eignet sich die ketogene Diät, laut Autoren, die Fettmasse zu reduzieren und den Hyperandrogenismus bei fettleibigen Frauen mit PCOS zu verbessern. Aber wie alltagstauglich und reproduzierbar ist der vorgeschlagene Ansatz und was hat es mit der PronoKal-Methode auf sich?
Ein deutlicher Kritikpunkt der Studie besteht darin, dass die tatsächliche Kalorienzufuhr der hypokalorischen Diät nicht angeführt wurde und in ähnlichen Studien sogar bis unter 1.000 kcal pro Tag fallen kann, um gute Ergebnisse zu produzieren. Dass eine solche Ernährung langfristig nicht durchzuhalten ist, bleibt unumstritten.
Des Weiteren fällt auf, dass die Studie in Kooperation mit PronoKal durchgeführt wurde, welches ein Tochterunternehmen der Nestlé Gruppe ist. Auf ihrer Homepage wirbt PronoKal mit fantastischen Gewichtserfolgen innerhalb der ersten Tage und „wissenschaftlich erwiesener” Reduktion von 9 kg in einem Monat. Inwieweit die Ernährung der PCOS-Patientinnen auf PronoKal-Produkte beschränkt und die Studie finanziert wurde, ist nicht angegeben. Ob eine eigenständige ketogene Diätplanung ohne kommerzielle Produkte genauso gut funktioniert und welcher Interessenkonflikt durch die Kooperation projiziert werden könnte, bleibt in Frage zu stellen.
Bildquelle: Nadezhda Moryak, unsplash