Öffentliche Apotheken suchen händeringend nach Approbierten oder PTA. Liegt der Fachkräftemangel an zu niedrigem Gehalt oder an fehlenden Perspektiven? Im europäischen Vergleich zeigen sich viele Gemeinsamkeiten, aber auch drastische Unterschiede.
Berta Huber (46, Name geändert) ist frustriert: „Kein weiterer Gehaltsaufstieg nach dem 15. Berufsjahr und keine Anerkennung für Weiterbildungen“, beklagt sich die Münchener PTA. Ihren wahren Namen möchte sie hier nicht lesen, was angesichts der Pläne auch verständlich ist. Sie kann sich vorstellen, jenseits der deutschen Grenzen zu arbeiten, vielleicht in Dänemark. „Das Land kenne ich von mehreren Reisen“, erzählt sie weiter. „Und ich war auch schon in etlichen Apotheken zu Besuch.“
Ihr Wunsch, Deutschland zu verlassen, überrascht angesichts der fehlenden Perspektiven in öffentlichen Apotheken kaum. Erhebungen der European Association of Pharmacy Technicians (EAPT), einer Interessensvertretung auf EU-Ebene, zeigen, welche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten es in verschiedenen Nationen gibt. Alle Interviews fanden im Jahr 2017 statt. Hier zeigt sich vor allem ein Unterschied: PTA dürfen in allen Nationen zu nicht rezeptpflichtigen oder nicht apothekenpflichtigen Produkten, also OTCs und Freiwahl-Artikeln, beraten. Bei Rx-Präparatensehen kommen eher Apotheker als PTA zum Zuge. In der Tschechischen Republik, in Finnland, Frankreich, Irland, Norwegen, Serbien, Slowenien und Schweden kontrollieren studierte Pharmazeuten die Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente durch PTA. Kollegen aus Kroatien haben nicht die Befugnis, rezeptpflichtige Präparate abzugeben. Deutschland hat sich mit einer schwammigen Formulierung aus der Verantwortung gezogen. „Der pharmazeutisch-technische Assistent ist befugt, in der Apotheke unter der Aufsicht eines Apothekers pharmazeutische Tätigkeiten auszuüben“, heiß es im Gesetz über den Beruf des pharmazeutisch-technischen Assistenten. Genauere Definitionen sucht man vergebens. Bei unklaren ärztlichen Verordnungen sind oft Rückfragen in Praxen erforderlich. Den Kontakt zu Medizinern dürfen PTA nur in wenigen Ländern, nämlich in Dänemark, Frankreich, Deutschland, Irland und Portugal suchen. Und bei der Abgabe sowie der Dokumentation von Betäubungsmitteln gibt der Gesetzgeber lediglich Kollegen aus Dänemark, Deutschland, Frankreich, Irland, Portugal und Schweden entsprechende Befugnisse. Wenig überraschend sind EU-weit Rezepturen eine Domäne der Berufsgruppe. Bleibt als Fazit: Verglichen mit anderen Nationen haben Kollegen aus Deutschland fachlich recht weite Spielräume. Doch wie sieht es beim Gehalt aus?
Besonders gut schneiden dänische PTA ab (brutto 48.000 Euro), gefolgt von Kollegen aus Norwegen (40.000 Euro), Schweden (33.000 Euro), Großbritannien (26.000 Euro) oder Finnland (25.000 Euro). Am Ende der Skala rangieren Portugal (11.000 Euro), Ungarn (7.800 Euro) und Serbien (3.000 Euro). Alle Angaben basieren auf Durchschnittswerten für 40 Wochenstunden, zwölf Monatsgehälter und wurden im Jahr 2015 erfasst. Das Tarifgehalt liegt in Deutschland derzeit bei rund 26.000 bis 34.000 Euro, falls man 13 Monatsgehälter zugrunde legt. Abweichungen nach unten oder seltener nach oben kommen vor. Wer jetzt schon ans Kofferpacken denkt, sollte sich erst gut über mögliche Beschränkungen informieren. Von Land zu Land unterscheiden sich die Kriterien zur Anerkennung. Ohne Sprachkenntnisse wird die Sache schwierig. Und nicht zu vergessen: In der Schweiz, in Italien, Österreich oder Griechenland gibt es keine PTA. Damit bleiben dort nur PKA-Tätigkeiten übrig. Und Großbritanniens PTA sind „bessere Verkäuferinnen“ des Freiwahlsortiments.
Auch bei studierten Pharmazeuten sind Jobs in öffentlichen Apotheken nicht gerade der Traum ihrer schlaflosen Nächte. Andere Länder scheinen deutlich attraktiver zu sein. Angestellte Kollegen erhalten in Deutschland laut Tarifvertrag in den meisten Kammerbezirken derzeit 3.362 bis 4.077 Euro brutto pro Monat. Das entspricht 43.700 bis 53.000 Euro bei 13 Monatsgehältern. Viele Chefs zahlen 13 Prozent über Tarif. Damit ist der Notdienst gleich abgegolten (Bundesrahmentarifvertrag, § 6). Damit rangiert Deutschland eher im Mittelfeld, verglichen mit anderen Nationen. Das Portal „Pharmacy Times“ kürt auf Basis eigener Befragungen angestellte US-Offizinapotheker mit umgerechnet 87.000 bis 96.000 Euro als Top-Verdiener, dicht gefolgt von Approbierten aus der Schweiz (68.000 Euro), aus Kanada (66.000 Euro) und aus Großbritannien (46.000 Euro). Die Zahlen beziehen sich jeweils auf ein Brutto-Jahresgehalt, Stand 2015. Da Pharmazeuten in fast allen Ländern bei großen Ketten angestellt sind, lassen sich die Werte schwer mit heimischen Zahlen vergleichen. Im Nachbarland Österreichs können sich angestellte Apotheker laut European Association of Community Pharmacists in Europe (EPhEU) über 45.000 bis 73.000 Euro freuen. „Insider Monkey“, ein weiteres Business-Portal, hat sich ebenfalls mit Vergleichen befasst, Stand 2015. Experten kommen zu deutlich abweichenden Zahlen. Sie geben für die USA umgerechnet bis zu 132.000 Euro, für Kanada bis zu 117.000 Euro und für Australien 86.300 Euro an. Danach folgen Großbritannien (80.000 Euro), Irland (67.800), Neuseeland (49.200 Euro) und Südafrika (46.800 Euro). Der Fremd- und Mehrbesitz liefert eine mögliche Erklärung: Angestellte Approbierte können in Apothekenketten Karriere machen. Große Konzerne benötigen Führungskräfte auf unterschiedlichen Ebenen. Bei uns ist eine Filialleitung das Höchste der Gefühle, denn Apothekenketten sind hierzulande verboten.
Wer sein Glück im Ausland sucht, kann sich laut ABDA über gute Chancen freuen. Mit der seit 1989 gültigen novellierten Approbationsordnung haben Kollegen automatisch Anspruch auf Anerkennung in der Europäischen Union, im Europäischen Wirtschaftsraum und in der Schweiz. Außerhalb dieser Region führen Staaten oft individuelle Gleichwertigkeitsprüfungen durch. Dann entscheiden sie, ob Examina nachgeholt werden müssen.