Ein Drittel der Frauen mit prämenstrueller Dysphorie unternimmt einen Suizidversuch. Warum die Krankheit zu selten diagnostiziert wird, lest ihr hier.
Eine aktuelle Studie, die in der Zeitschrift BMC Psychiatry veröffentlicht wurde, berichtet, dass 34 % der Menschen mit prämenstrueller dysphorischer Störung (PMDS) versuchen, sich das Leben zu nehmen. Die Studie ist die größte ihrer Art, die die Suizidgedanken und -verhaltensweisen von Menschen untersucht, bei denen diese Störung diagnostiziert wurde. Die Diagnose kann aktuell nur auf Grundlage einer täglichen Symptombewertung durch medizinisches Personal erfolgen.
Da frühere Studien zu Suizid und Suizidgedanken auf weniger validen Selbstauskünften über die prämenstruelle dysphorische Störung beruhten, bieten die neuen Ergebnisse den bisher stärksten wissenschaftlichen Beweis dafür, dass die Störung wahrscheinlich einen unabhängigen Beitrag zu Suizidgedanken und -handlungen leistet.
„Wir fanden eine äußerst besorgniserregende Rate von Suizidgedanken und -versuchen bei Menschen mit PMDS. Das unterstreicht die Notwendigkeit, dieses Problem ernst zu nehmen“, so Tory Eisenlohr-Moul, Assistenzprofessorin für Psychiatrie an der University of Illinois Chicago und Hauptautorin der Studie. „Diese Ergebnisse sind ein aussagekräftiger Beweis dafür, dass der Zusammenhang zwischen PMDS und Suizid unabhängig von Depression, posttraumatischen Belastungsstörungen oder anderen psychischen Erkrankungen ist – von denen bekannt ist, dass sie Suizidgedanken und -versuche fördern.
Bei PMDS handelt es sich um eine zyklische, hormonell bedingte Störung, von der etwa eine von 20 Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter betroffen ist. Die Erkrankung wird häufig unterdiagnostiziert, fehldiagnostiziert oder von medizinischen Fachkräften ganz abgetan, obwohl die Patientinnen von lähmender Angst, Hoffnungslosigkeit und einer Vielzahl körperlicher Symptome in bis zu zwei Wochen vor der Menstruation berichten.
Um PMDS besser zu verstehen, analysierten die Forscher Informationen aus der globalen Erhebung über prämenstruelle Störungen, an der 3.153 Personen aus über 56 Ländern teilnahmen. Die Analyse der Angaben von 599 Befragten, die eine frühere, auf täglichen Bewertungen basierende Diagnose von PMDS durch einen Gesundheitsdienstleister (23 % der Befragten) angaben, ergab, dass 34 % während einer PMDS-Episode einen Suizidversuch unternommen haben. Im Durchschnitt besuchten die Patientinnen 6 Ärzte in 12 Jahren, bevor sie eine PMDS-Diagnose erhielten.
Die Daten zeigten außerdem hohe Raten von lebenslangen aktiven Suizidgedanken (72 %), Planung (49 %), Absicht (42 %) und Vorbereitung (40 %) eines Versuchs sowie von nicht-suizidalen Selbstverletzungen (51 %) bei Patienten mit PMDS-Diagnosen. Ein geringes bis mittleres Einkommen, eine schwere Depression oder eine posttraumatische Belastungsstörung in der Vorgeschichte sowie Nulliparität waren Prädiktoren für lebenslange aktive Suizidgedanken und -versuche. Höheres Alter und eine Borderline-Persönlichkeitsstörung waren weitere Prädiktoren für lebenslange Versuche.
Die Raten der selbstverletzenden Gedanken und Verhaltensweisen wurden auch aufgeschlüsselt nach denjenigen, die ausschließlich eine PMDS-Diagnose aufwiesen und denjenigen, die mindestens eine zusätzliche psychische Diagnose erhielten. Selbst bei denjenigen, die nie eine andere psychische Diagnose erhalten hatten, waren die Raten hoch: 67 % berichteten über aktive Suizidgedanken, verglichen mit 74 %, die auch eine psychologische Komorbidität aufwiesen.
Eisenlohr-Moul hätte einen weitaus größeren Unterschied zwischen den Kategorien erwartet. Die Daten deuten ihrer Meinung nach darauf hin, dass Frauen, die neurobiologisch empfindlich auf Hormonveränderungen reagieren, wie dies bei PMDS der Fall ist, ein erhöhtes Risiko für Suizidgedanken und -verhalten aufweisen.
„Eine der großen Herausforderungen bei PMDS ist, dass die medizinische Gemeinschaft diesen Zustand offensicht nicht nur nicht versteht, sondern schlicht nicht an seine Existenz glaubt“ sagt die Hauptautorin. „Ärzte tun die Sorgen der Patientinnen oft ab – zum Teil, weil die Beschwerden von Frauen weniger ernst genommen werden als die von Männern – aber auch, wegen der anhaltenden und sogar sexistischen Stigmatisierung sowie der falschen Vorstellungen über die Menstruation im Allgemeinen.“
„PMDS ist kein Hormonungleichgewicht. Es handelt sich um eine neurobiologische Empfindlichkeit gegenüber natürlichen und normalen Veränderungen des Progesteron- und Östrogenspiegels“, erklärt Eisenlohr-Moul.
„Unsere Studie zeigt, wie zerstörerisch PMDS sein kann“, sagt Sandi MacDonald, Mitbegründerin und Geschäftsführerin der International Association for Premenstrual Disorders. Obwohl PMDS seit 2013 als schwere depressive Störung in das Diagnostische und Statistische Handbuch Psychischer Störungen aufgenommen wurde, gibt es immer noch kein empfohlenes Standardscreening auf Suizidgedanken bei Patienten mit dieser Erkrankung.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der University of Illinois, Chicago. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Sasun Bughdaryan, unsplash