Die Praxisrelevanz von Forschungsergebnissen kann auch maßgeblich davon abhängen, ob sie reproduzierbar sind. Neue Ansätze sollen helfen, die Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen in der Krebsforschung zu verbessern.
Ein großer Teil potentieller Krebsmedikamente, die in präklinischen Studien vielversprechende Wirkung gezeigt haben, liefern in klinischen Studien wiederum nicht die gewünschten Ergebnisse. In den letzten Jahren haben die Ergebnisse multizentrisch durchgeführter Konsortialprojekte ergeben, dass eine mögliche Ursache auch in der niedrigen Erfolgsrate der Reproduzierbarkeit von Laborergebnissen liegen könnte.
Das bedeutet, dass andere Wissenschaftler in einem anderen Labor unter ähnlichen oder standardisierten Bedingungen nicht zu dem gleichen Ergebnis kommen. Prof. Ulf Kahlert und sein Team aus der Molekularen und Experimentellen Chirurgie (MEC) der Universitätsklinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie an der Universitätsmedizin Magdeburg haben untersucht, was notwendig ist, um präklinische Forschung in der Frühphase der Entwicklung von Krebsmedikamenten weiter zu standardisieren.
„Bevor ein möglicher Wirkstoff gegen Krebs identifiziert werden kann, testet man die Substanzen in Zellkultur oder im Tierversuch. Diese Tests sind essentiell für die spätere Therapieentwicklung und -steuerung und deshalb ist das Schaffen von pathophysiologisch relevanten und verlässlichen, d.h. reproduzierbaren Befundungen, eine entscheidende Grundlage. Allerdings gibt es eine Vielzahl von Gründen, warum ein bestimmtes Ergebnis in einem anderen Labor nicht wiederholt werden kann. So werden in der von uns analysierten Kohorte nur in etwa einem Drittel der publizierten Versuche ausreichend klare Angaben zu den Bedingungen, die als Kontrollversuche bezeichnet wurden, gemacht“, erläutert Prof. Kahlert einen von vielen Aspekten, der bereits zu Abweichungen in den Resultaten führen kann.
Um die Nachvollziehbarkeit bestimmter Laborresultate künftig zu verbessern, setzen die Wissenschaftler deshalb auf die Entwicklung neuer Laborutensilien für die funktionellen Untersuchungen im Reagenzglas auf der Basis von Stammzellen. Auch ein umsetzbares Qualitätsmanagementsystem sowie Empfehlungen zur Verbesserung der Beschreibung der eingesetzten Materialen und Methoden in wissenschaftlichen Veröffentlichungen sind wichtig. Prof. Kahlert erklärt: „Akademische Labore sind ein Treiber der Innovation in der Biomedizin. Technische Innovation und rigides, aber realisierbares Qualitätsmanagement sollten auch den Fortschritt der Reproduzierbarkeit und Transparenz im eigenen Hause unterstützen.“
Die Forschergruppe hat dazu unter anderem mit Prof. Malcolm MacLeod und dem Team der CAMARADES (The Collaborative Approach to Meta Analysis and Review of Animal Experimental Studies) an der Universität Edinburgh in Schottland als ein weltweit führendes Zentrum in der Wissenschaftsintegritätsforschung zusammengearbeitet. Der Einsatz von elektronischer Laborbuchführung, wie sie in den Laboren der MEC aktiv vorangetrieben und weiterentwickelt wird, kann auch beim Etablieren von Reportingstandards sowie der Transparenz der Forschung unterstützen.
Ein weiterer Ansatz, der laut Prof. Kahlert von entscheidender Bedeutung sein könnte, ist die standardisierte Verwendung sogenannter humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPSZ) als Krankheitsmodelle für Wirksamkeitstests von Medikamenten und anderer Therapieoptionen gegen bestimmte Krebsarten. „Wir wissen aus anderen Studien, dass patientenstämmige Krebszelllinien in Zellkultur genetisch und zellulär instabil sind, was wiederum Veränderungen im Ansprechen auf Substanzen verursacht und damit die Reproduzierbarkeit beeinflusst. hiPSZ sind nach aktuellem Stand der Forschung zellulär sehr uniform und können in diverse spezialisierte Zelltypen des Körpers (=Pluripotenz) differenziert werden.“
Prof. Kahlert und sein Team haben durch Anwendung von Gen-Ingenieurswissenschaft (Genetic Engineering) auf der Grundlage von solchen hiPSZ neuartige Krebsmodelle erzeugt und deren Anwendung in der Identifizierung von Anti-Krebs-Wirkungsweisen von Substanzen aufgezeigt („Cancer Alternatives“).
Der Stammzellbiologe erläutert: „Die Resultate zeigen auch die hohe Reproduzierbarkeit dieser Befunde, beispielsweise nach Einfrieren der Zellen, was einen typischen Vorgang im Labor und eine essentielle Notwendigkeit für jegliche Langzeitanwendung zellulärer Testsysteme darstellt.“ Mit der Entwicklung von solchen humanen in vitro Testsystemen zur Wirkstoffentwicklung trägt die Medizinische Fakultät Magdeburg zudem zur 3R-Strategie (Replace, Reduzce, Refine) zur Reduzierung von Tierversuchen bei.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Universitätsmedizin Magdeburg.
Bildquelle: National Cancer Institute, unsplash