Kindliche Traumata begünstigen die Entwicklung schizophrenieähnlicher Symptome. Welche Form von Missbrauch den größten Einfluss hat, untersucht jetzt eine Metaanalyse.
Psychische, emotionale und physische Misshandlungen in der Kindheit haben große Auswirkungen auf die Entwicklung einer gesunden Psyche im Erwachsenenalter – das ist bekannt und gut dokumentiert. Studien zeigen außerdem: Negative Erfahrungen, wie Kindesmissbrauch und Vernachlässigung, werden speziell mit dem erhöhten Risiko zur späteren Entwicklung von Schizophrenie und Psychosen in Verbindung gebracht. Aktuelle Forschungsergebnisse legen nun nahe, dass auch nicht-diagnostizierte Personen, die in ihrer Kindheit Traumata erlebten, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, schizophrenieähnliche Symptome zu entwickeln.
Der Begriff Schizophrenie beschreibt eine heterogene Gruppe von psychischen Erkrankungen, die den Psychosen zuzuordnen sind. Sie sind durch eine Reihe gemeinsamer Symptome gekennzeichnet. Dabei sind die Ursachen einer Schizophrenie-Entwicklung bis heute nicht vollständig geklärt. Während man lange von einem intrapsychischen, organischen Prozess als Auslöser ausging, vermutet man heute ein Zusammenspiel aus hirnorganischen Dysfunktionen und psychosozialen Einflüssen. Hierbei wird die Bedeutung des Vulnerabilitäts-Stress-Modells noch diskutiert. Spezifische Stressfaktoren könnten als Trigger fungieren oder bereits bestehende Symptome verschlechtern. Die genetische Komponente ist jedoch nicht außer Acht zu lassen.
Eine zusammenfassende Studie der aktuellen Forschungsarbeit zu Kindheitstraumata und Schizophrenie zeigt, dass stärkere Traumata mit der Entwicklung von ausgeprägteren Schizophrenie-Symptomen korrelieren – besonders mit depressiven Symptomen, schlechten kognitiven Leistungen, beim visuellen episodischen Gedächtnis und den exekutiven Funktionen. „Darüber hinaus wurde bei Patienten mit einem hohen Maß an kindlicher körperlicher Vernachlässigung und sexuellem Missbrauch eine verringerte Konnektivität zwischen der Region des hinteren Cingulums/Präcuneus und der Amygdala festgestellt. Das deutet darauf hin, dass Störungen in bestimmten Gehirnnetzwerken den kognitiven Fähigkeiten zugrunde liegen.“
Kindliche Traumata können also die spätere Entwicklung schizophrenieähnlicher Symptome beeinflussen. Eine aktuelle Metaanalyse versucht nun, den Zusammenhang von Misshandlungen im Kindesalter und der Ausbildung eben solcher Symptome bei ansonsten nicht diagnostizierten, gesunden Erwachsenen herzustellen.
„Der Zusammenhang zwischen frühen Lebensumständen und Psychose-Symptomen ist in klinischen Populationen gut dokumentiert; ob sich dieser Zusammenhang jedoch auch auf die subklinische Psychose erstreckt, ist bisher unklar“, so die Forscher. Aktuell stammt ein Großteil des Wissens über die Entwicklung psychischer Störungen aus Studien mit klinischen Populationen. Durch die Untersuchung nicht-klinischer Stichproben wollen die Forscher die „Unterschiede in der Art und im Ausmaß der Traumatisierung zwischen klinischen und nicht-klinischen Populationen aufklären – und möglicherweise das Verständnis für die Mechanismen verbessern, durch die Traumata zu Psychosen führen können“.
Die aktuelle Metaanalyse inkludiert 25 Studien mit 15.253 Probanden und untersucht den Zusammenhang zwischen kindlichen Lebensumständen und schizophrenieähnlichen Erfahrungen in nicht-klinischen Stichproben. Diese Analyse zeigt einen signifikanten Zusammenhang aller Formen von Missbrauch (emotional, körperlich und sexuell) sowie Vernachlässigung (emotional und körperlich) und schizophrenieähnlichen Symptomen. Die aktuelle Analyse ist jedoch die erste, die den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Formen von Kindheitstraumata und schizophrenieähnlichen Erfahrungen quantifiziert und vergleicht. Das Interessante daran: „Die Assoziation von schizophrenieähnlichen Merkmalen mit emotionalem Missbrauch in der Kindheit war signifikant größer als für alle anderen Formen von Missbrauch oder Vernachlässigung.“
Außerdem zeigte die Analyse, dass der Zusammenhang zwischen körperlichem Missbrauch und schizophrenieähnlichen Symptomen bei weiblichen Probanden und der Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch und den Symptomen bei jüngeren Probanden stärker ausgeprägt war.
„Diese Untersuchung zeigt eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen allen Formen von Missbrauch und Verwahrlosung mit schizophrenieähnlichen Erfahrungen in nicht-klinischen Stichproben; ein stärkerer Zusammenhang ergab sich jedoch für emotionalen Missbrauch“, so die Forscher in ihrer Arbeit. Es seien jedoch weitere Studien erforderlich, um den Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Traumatypen und spezifischen Symptomen zu untersuchen.
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