Schlaflose Krebszellen, Muskelschwund bei Astronauten und die hormonellen Ursachen für die Grill-Lust im Sommer – darum geht es heute in unseren News für wahre Nerds.
Was haben metastatische Krebszellen und Eulen gemeinsam? Sie sind beide am liebsten nachts unterwegs! Bei den Raubvögeln ist das offensichtlich nichts neues, bei den Krebszellen hingegen schon – ging man doch bisher davon aus, dass Tumoren ihre Zell-Ableger kontinuierlich absondern.
Schweizer Forscher kamen nun aber zu dem überraschenden Schluss: Die zirkulierenden Zellen, die später zu Metastasen heranwachsen können, entstehen vor allem während der Schlafphase der betroffenen Patienten. In ihrer in Nature veröffentlichten Studie untersuchten sie Blut- und Gewebsproben von 30 Brustkrebspatientinnen, die zu unterschiedlichen Tageszeiten entnommen wurden; weitere Untersuchungen im Mausmodell unterstützten ihre Entdeckung. Dabei stellten sie fest, dass nachts nicht nur mehr Zellen die Tumoren verließen – besagte Zellen teilten sich auch deutlich schneller als Tumorzellen, die tagsüber entnommen wurden, und hatten dementsprechend höheres Potential zur Metastasenbildung.
Die Forscher fanden heraus, dass das Entweichen der Krebszellen durch Hormone des zirkadianen Rhythmus wie Melatonin gesteuert wird. Sie vermuten also, dass bei Biopsien der Zeitpunkt der Entnahme den onkologischen Befund beeinflussen könnte. „Unserer Ansicht nach deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass medizinisches Fachpersonal den Zeitpunkt, zu dem sie Biopsien durchführen, systematisch erfassen sollte“, kommentiert Studienleiter Prof. Nicola Aceto. „Das könnte helfen, die Daten wirklich vergleichbar zu machen.“
Im nächsten Schritt wollen die Forscher nun herausfinden, ob das Phänomen nur bei Brustkrebs auftritt, oder ob sich auch andere Krebsarten ähnlich verhalten. Ist dies der Fall, steht auch die nächste Fragestellung fest: Könnten Tumortherapien erfolgreicher sein, wenn die Patienten künftig zu anderen Zeitpunkten behandelt werden? Dies muss weitere Forschung nun zeigen.
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Eine der wichtigen Funktionen der Skelettmuskulatur ist die Aufrechterhaltung der Körperhaltung. Dabei müssen die Muskeln in Nacken, Rücken und Gliedmaßen der Schwerkraft entgegenwirken, um uns das aufrechte Stehen und Gehen zu ermöglichen. Aber was passiert eigentlich mit den Muskeln, wenn keine Schwerkraft mehr da ist, gegen die sie ankämpfen müssen? Für uns auf der Erde ein reines Gedankenspiel, aber für Astronauten eine überaus relevante Frage.
In einem umfassenden Review in einer Weltraum-Sonderausgabe von Neuroscience & Biobehavioral Reviews widmete sich ein japanisches Forscherteam dieser Fragestellung. Naheliegenderweise führt die verringerte Beanspruchung zu einer Verkümmerung und Veränderungen von Struktur und Eigenschaften der „antigravitätischen“ Muskeln – wie bei anderen Muskeln auch. Beispielsweise konnte bei Astronauten beobachtet werden, dass sich während des Aufenthalts im All das Volumen der Wadenmuskulatur verringert. Der Muskelschwund ist auf einen Umbau und Rückgang der Sarkomere zurückzuführen.
Anhand von Simulationsmodellen stellten die Forscher fest, dass die afferente neuronale Aktivität – also die Signale, die während der Aktivität vom Muskel an das ZNS gesendet werden – eine Schlüsselrolle bei der Regulierung der Muskeleigenschaften und auch der Gehirnaktivität spielt. Nicht nur die Muskeln selber, auch die Nerven werden also von einer gravitationslosen Umgebung beeinträchtigt. So schwindet nicht nur die Kraft der Muskeln, auch die motorische Kontrolle verschlechtert sich; dies zeigt sich dann in einer gestörten Koordination und Mechanik antagonistischer Muskeln. Die Folge: Kehren die Astronauten nach einigen Monaten Schwerelosigkeit auf die Erde zurück, lassen sich bei ihnen Gehschwierigkeiten beobachten – trotz des täglichen Trainings, dass in der Raumstation ISS an der Tagesordnung ist.
Das Training auf dem Laufband und auch anderen Geräten, das die Auswirkungen der reduzierten Schwerkraft ausgleichen soll, ist nicht immer wirksam und kann den Japanern zufolge noch verbessert werden – gerade in Hinblick auf lange, bemannte Flüge zum Mars. So empfehlen sie beispielsweise eine gezielte, angemessene Stimulierung des Musculus soleus beim Lauftraining auf der ISS durchs Auftreten mit der Ferse, sowie regelmäßiges, passives Dehnen des Muskels.
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Jedes Jahr das gleiche Spiel: Steigen ab Frühling die Temperaturen und traut sich die Sonne wieder hervor, werden die Grillzangen gezückt. Vor allem das männliche Geschlecht scheint (in der öffentlichen Wahrnehmung) der Versuchung nicht widerstehen zu können, wie von magischer Hand wird es im Sommer zu Kohle, Flamme und Grillgut gelockt. Ist das wirklich so – und woher kommt’s? Eine neue Studie könnte darauf zumindest im Ansatz Antworten liefern: Mehr Sonnenlicht macht Männer womöglich hungriger.
In einer Studie in Nature Metabolism untersuchte ein Forscherteam der Universität Tel Aviv die Daten einer mehrjährigen nationalen Ernährungserhebung mit 3.000 Teilnehmern. Dabei fiel auf: Von März bis September erhöhten die männlichen Probanden ihre durchschnittliche Nahrungsaufnahme um ca. 300 zusätzliche Kilokalorien pro Tag – die weiblichen jedoch nicht. Das Phänomen wollten die Forscher genauer ergründen und rekrutierten zu diesem Zweck zehn Probanden, 5 Männer und 5 Frauen. Nach 25 Minuten Mittagssonne an einem klaren Tag ausgesetzt zeigte sich im Blut ein Anstieg von Ghrelin, einem appetitanregenden Hormon – und zwar wieder nur bei den Männern. Eine Studie im Tiermodell demonstrierte das gleiche Phänomen: Männliche Mäuse aßen nach einer Exposition durch UV-B-Strahlung mehr und zeigten erhöhte Ghrelin-Werte, weibliche Mäuse hingegen nicht.
In weiteren Untersuchungen in Tier- und Zellmodellen konnten die Forscher auch eine mögliche Erklärung für das Phänomen finden: Durch die UV-Strahlung wurden Adipozyten in der Haut aktiviert, was zu einer Ausschüttung von Ghrelin führte. Östrogen blockierte diese Wirkung jedoch – was erklären würde, warum Frauen nicht betroffen sind.
Die Probandenzahl der Studie war nicht allzu hoch, weitere Studien zu dem Thema wären dementsprechend wünschenswert. Interessant sind auch die möglichen Gesundheitseffekte dieses Mechanismus: Ghrelin wirkt nämlich auch entzündungshemmend. Dies könnte dabei helfen zu erklären, warum sich Sonnenlicht in Maßen positiv auf die kardiovaskuläre Gesundheit auszuwirken scheint – zusätzlich zu den bekannten förderlichen Effekten der angekurbelten Vitamin-D-Produktion.
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Bildquelle: Vincent Keiman, Unsplash