Mögliche Nebenwirkungen gibt es bei jeder Impfung – doch führen die Corona-Vakzine zu stärkeren Monatsblutungen? Davon berichten zumindest viele Frauen.
Bereits Anfang 2021 berichteten viele Frauen über unerwartete Menstruationsblutungen nach der COVID-19-Impfung. Damals gab es keine Studien, um dieses Phänomen einzuordnen. Auch die klinischen Zulassungsstudien zu den Impfungen erfassten in ihrem Follow-up keine Veränderungen beim Menstruationszyklus oder bei Blutungen – Menstruationsstörungen wurden lediglich innerhalb einer Woche nach Erhalt des Impfstoffes erfasst. Auch in der Öffentlichkeit erklärten Ärzte und Experten zügig, dass es keinen biologischen Mechanismus oder Daten gebe, die einen Zusammenhang stützen würden. Vielmehr sei die Veränderung auf „Stress“ zurückzuführen (wir berichteten).
Eine Forschergruppe um Anthropologin Dr. Kathryn Clancy von der University of Illinois startete im April letzten Jahres eine Umfrage zu Erfahrungen mit der Corona-Impfung und Menstruationsveränderungen. Sie selbst erhielt ihre erste Dosis von Moderna Anfang 2021 und bemerkte nach eigener Aussage bereits 10 Tage später eine ihrer schwersten Perioden, die sie je erlebte. Clancy wäre nicht auf die Idee gekommen, diese Erfahrung mit der Impfung, die sie erhalten hatte, in Verbindung zu bringen – wenn nicht ihre damalige Doktorandin Katharine Lee eine ähnliche Geschichte erzählt hätte. „Ich hatte die schlimmsten Krämpfe meines Lebens“ nach der COVID-19-Impfung, sagte Lee. Darüber fasziniert, teilte sie ihre Erfahrungen auf Twitter, woraufhin Hunderte mit ähnlichen Erlebnissen antworteten. Das weckte in ihr wiederum den Verdacht über einen möglichen Zusammenhang zwischen der COVID-19-Impfung und stärkeren Menstruationsbeschwerden.
Sollte der Tweet nicht angezeigt werden, bitte die Seite neu laden.
In ihrer aktuellen Studie schließt sie Befragungen von etwa 39.000 Probanden im Alter zwischen 18 und 80 Jahren ein, die vollständig geimpft waren und bisher nicht an COVID-19 erkrankt waren. Nicht Menstruierende wurden wiederum in zwei Kategorien eingeteilt: Frauen vor der Menopause – die reversible Langzeitkontrazeptiva, kontinuierliche hormonelle Kontrazeptiva und/oder eine geschlechtsanpassende Behandlung anwenden, die die Menstruation stoppen – und Frauen nach der Menopause, die 55 Jahre alt waren und mindestes ein Jahr vor der COVID-19-Imfpung nicht menstruierten. In die Studie mit eingeschlossen wurden Personen, die jeweils zwei Impfstoffdosen erhielten, also entweder von Moderna, Biontech, Vaxzevria oder Novavax. Da für den Impfstoff von Johnson & Johnson zum Erhebungszeitpunkt lediglich eine Dosis vorgesehen war, wurden Personen, die diesen Impfstoff erhielten, ausgeschlossen.
Nach Erhalt der ersten und zweiten Dosis berichteten 54,3 % bzw. 74,6 % der Befragten, über mindestens eine der üblichen systemischen Impfnebenwirkungen, wie etwa Kopfschmerzen, Übelkeit und Fieber. Von diesen beschrieben 40,6 % nach Erhalt der zwei Dosen folgende systemische Nebenwirkungen: Veränderungen bei Menstruationssymptomen sowie beim Zeitpunkt dieser Symptome.
Die Forscher stellten vermehrte Blutungen als die am weitesten verbreitetste, impfbedingte Veränderung der Menstruation fest. Insbesondere Frauen, die regelmäßig menstruierten, berichteten über diese Veränderungen im Menstruationszyklus. Insgesamt erlebten 41,1 % eine stärkere Menstruation nach der Impfung, während 14,3 % entweder von keiner sonderlichen Veränderung bzw. einer geringeren Menstruation berichteten. Wiederum 43,6 % der Befragten bemerkten keine Veränderungen ihrer Menstruation nach der Impfung.
Darüber hinaus berichteten Frauen mit reproduktiven Erkrankungen wie Endometriose (51.1%), Menorrhagie (44.3%), Myomen (49.1%), polyzystischem Ovarialsyndrom (46.2%) und Adenomyose (54.9%) über eine stärkere Menstruation nach der Impfung als Frauen ohne identifizierte reproduktive Störungen (40.9%). Hingegen traten bei nicht menstruierenden, prämenopausalen Befragten (N = 1.815), die sich einer Hormontherapie unterzogen, Zwischenblutungen mit 65,7 % signifikant häufiger auf als bei denen, die eine geschlechtsanpassende Behandlung durchmachten – dort traten sie nur bei 38,5 % auf. Unter den 238 Menschen in der Postmenopause, die keine Hormonbehandlung erhielten, lag der Anteil mit Zwischenblutungen bei 66 %.
Auffällig war, dass sich die impfbedingten Menstruationsveränderungen nicht innerhalb einer Woche manifestierten. Daher konnten diese Veränderungen wahrscheinlich in den klinischen Zulassungsstudien zu den Impfstoffen nicht erfasst werden.
Insgesamt waren also die Anteile, der Menstruierenden, bei denen stärkere oder keine Blutungsveränderungen nach der Impfung auftraten, etwa gleich. Allerdings können diese Ergebnisse schlecht auf die Gesamtbevölkerung übertragen werden: Nicht 40 % aller gegen COVID-19 geimpften Frauen haben mit stärkeren Blutungen während ihrer Periode zu kämpfen. Zudem können auch keine kausalen Zusammenhänge aus diesen Ergebnissen geschlossen werden, da es sich lediglich um Befragungen handelt. Dennoch sind solche Untersuchungen wichtig, um Trends aufzuzeigen, die wiederum weiter untersucht werden sollten.
„Wir betonen, dass Veränderungen der Menstruationsblutung dieser Art im Allgemeinen nicht auf Veränderungen der Fertilität hinweisen“, schreiben die Autoren zu ihren Ergebnissen. „Die von uns beobachteten Trends unterstützen jedoch die Entwicklung von Hypothesen für weitere prospektive Studien zu hämostatischen und entzündlichen Veränderungen des Endometriums nach einer akuten Immunreaktion.“
Trotz der Vorbehalte der Autoren können solche Umfrageergebnisse die Bevölkerung verunsichern. Immerhin suggerieren die Ergebnisse eine hohe Wahrscheinlichkeit, mit der Menstruationsstörungen nach der Impfung auftreten können. Dr. Lill Trogstad, Gynäkologin und Epidemiologin am Norwegischen Institut für öffentliche Gesundheit, vermutet dass das tatsächliche Ausmaß nicht so hoch ist, wie es die Umfragedaten zeigen. Sie selbst war nicht an der Studie beteiligt.
Sie sieht gleich zwei Probleme: Die Umfrage zog wahrscheinlich nicht nur eher Menschen an, die diese Probleme erlebt hatten, sondern umfasste auch keine Umfragen mit einer Kontrollgruppe von nicht geimpften Personen oder verglich die Menstruationszyklen der Befragten vor der Impfung mit den Zyklen nach der Impfung. „Diese beiden Dinge schränken die Studie ein“, sagt Trogstad. „Sie können das übermäßige Risiko nach der Impfung nicht abschätzen“ ohne eine Kontrollgruppe. Ihre eigene Umfrage, die sie mit Kollegen über Smartphones durchgeführt hat, ergab: Etwas mehr als 13 % der jungen Frauen in Norwegen hatten eine stärkere Periode nach der COVID-19-Impfung. Dazu gaben im Vergleich 7 % der gleichen Gruppe an, dass ihre Periode vor der Impfung stärker als normal war.
Dennoch scheint sich bei einigen Frauen ein Trend nach Erhalt der COVID-19-Impfung abzuzeichnen – insbesondere nach der ersten Dosis. Spannend wäre es an dieser Stelle zu wissen, bei welchen Impfstoffen Menstruationsveränderungen häufiger vorkommen. Das wurde allerdings nicht untersucht. Unklar ist bislang auch, auf welche Art und Weise die Impfung in den Menstruationszyklus eingreifen könnte. Weitere kontrollierte und gut aufgebaute Studien sind also nötig, um mögliche kausale Zusammenhänge sowie die tatsächliche Prävalenz zu ermitteln. Am Ende liefert die Umfrage mehr Fragen als Antworten.
Bildquelle: Joel Filipe, unsplash