Politiker verfolgten mit ihrer Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) ein klares Ziel: Bürgern sollte es möglich sein, sich mit einem Blick über Inhaltsstoffe zu informieren. Ein easy-Apotheker nutzte jetzt die Gunst der Stunde – und überzieht Kollegen mit Abmahnungen.
Seit 13. Dezember 2014 gilt in Deutschland die Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) – ein Regelwerk, das auch Apotheken betrifft. Wer beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel oder Produkte für Sportler online anbietet, muss gewährleisten, dass Kunden alle Informationen gemäß LMIV schon vor dem Kauf vorfinden. Die technische Umsetzung war mit erheblichem Aufwand verbunden, sprich Apotheker mussten tief in die Tasche greifen. Wer selbst entsprechende Portale betreibt, hatte zusätzlich Zeit zu investieren, um neue Informationen einzupflegen.
Grund genug für einige Kollegen, das Thema auf die lange Bank zu schieben. Welche Sanktionen vom Staat bei Verstößen gegen die LMIV möglich sind, lässt sich momentan nicht sagen. Darüber ärgerte sich ein easy-Apotheker mit großem Webshop. Er hatte zusammen mit einem Angestellten über drei Monate lang seine Onlinepräsenz überarbeitet. Der Knackpunkt: Nicht alle Informationen gemäß LMIV lassen sich leicht beschaffen – in vielen Fällen mussten Hersteller kontaktiert werden. Umso verärgerter war der Pharmazeut, als Mitte Dezember manche Kollegen das Thema LMIV einfach ignorierten. Über einen Anwalt ließ er knapp 50 Betreiber von Online-Apotheken abmahnen. Im Mittelpunkt standen zwei Produkte, nämlich Hustenbonbons und Molkedrinks. Kostenpunkt: 600 Euro für jeden Betroffenen bei einem Streitwert von 6.000 Euro. Da einige Kollegen Webshops großer Anbieter verwenden, könnte sich schnell ein Flächenbrand entwickeln. Weitere 300 Anbieter kamen trotz kleiner oder größerer Fehler ungeschoren davon.
Über die aktuelle Situation hinaus zeigt sich eine ungute Tendenz: Apotheker haben Abmahnungen als Möglichkeit entdeckt, um gegen Kollegen vorzugehen. Zuletzt sorgten Leipziger Anwälte für großen Wirbel. Im Auftrag eines augenscheinlich wirtschaftlich angeschlagenen Apothekekenleiters überzogen sie Inhaber bundesweit mit entsprechenden Schreiben. Inhaltlich ging es um vermeintliche oder tatsächliche Fehler beim Impressum des Online-Auftritts – leicht verdientes Geld für jede Kanzlei. Die schöne, neue Abmahnwelt hat auch öffentliche Apotheken erreicht.