Mit einer Checkliste zur Herzgesundheit können Ärzte ihren Patienten bei Lebensstiländerungen helfen. Jetzt gibt es aus den USA eine aktualisierte Version – mit einem neuen Punkt.
Seit 2010 empfiehlt die US-amerikanische Kardiologie-Gesellschaft American Heart Association (AHA) ein Lebensstilpaket als Grundlage für eine optimale Herzgesundheit: „the Life’s Simple 7“. Diese Checkliste soll Menschen dazu motivieren, entsprechende Verhaltensweisen umzusetzen, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen und somit ihre Lebensqualität und Lebenserwartung zu erhöhen. Die Autoren des Updates um Prof. Donald Lloyd-Jones ergänzten die sieben Lebensstilfaktoren um einen weiteren Aspekt – die Schlafdauer. Die aktualisierte Version heißt aus diesem Grund jetzt „the Life’s Essential 8“.
Ergänzend dazu sind andere bereits im Score enthaltene Punkte teilweise angepasst worden, wenn die Autoren es angesichts neuer Erkenntnisse für erforderlich hielten. Der „Life’s Essential 8“ kann zur Evaluierung der Herzgesundheit bei Personen ab einem Lebensalter von 2 Jahren eingesetzt werden. Für eine exakte Einschätzung der Herzgesundheit empfehlen die Autoren die Cholesterinwerte, den Blutzucker, den Blutdruck, die Größe und das Gewicht mindestens alle fünf Jahre zu bestimmen.
Der Score selbst setzt sich aus folgenden Punkten zusammen:
Die Definition bzw. Evaluierung einer herzgesunden Ernährungsweise ist aktualisiert worden. In der initialen Checkliste für Lebensstilfaktoren wurde auf fünf Ernährungskomponenten eingegangen:
In der neuen Version wurden die Empfehlungen auf weitere Nahrungsbestandteile ausgeweitet. Generell raten die Autoren zu einer DASH-ähnlichen (Dietary Approach to Stop Hypertension) oder mediterranen Ernährungsform. Der DASH-Ansatz verzichtet in hohem Maße auf tierische Fette. Es solle eine hohe Zufuhr von Früchten/Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüchten erfolgen. Die Zufuhr von Salz, rotem und verarbeitetem Fleisch und gesüßten Getränken soll deutlich reduziert werden. Zur Erfassung der Ernährungsqualität auf Bevölkerungsebene kann den AHA-Autoren zufolge der DASH-Diet-Score eingesetzt werden.
Körperliche Bewegung und Aktivität gehören zu einem herzgesunden Lebensstil dazu. Empfohlen werden für Erwachsene mindestens 150 Minuten moderate körperliche Aktivität pro Woche oder 75 Minuten anstrengende bis intensive Aktivität. Kinder ab 6 Jahren sollen sich mindestens 420 Minuten pro Woche bewegen. Für jüngere Kinder sollte dies altersentsprechend angepasst werden. Hier blieben sich die Autoren der Empfehlungen der letzten Version treu.
Es wird weiterhin generell zum absoluten Nikotinverzicht aufgerufen. Neu ist allerdings in dem Update, dass damit nicht nur traditionelle Zigaretten, sondern auch E-Zigaretten und andere Vaping-Devices gemeint sind. Berücksichtigung findet diesmal auch das Passivrauchen bei Kindern und Erwachsenen als Einflussfaktor.
Hierbei handelt es sich um einen neuen Lebensstilfaktor, da die Schlafdauer Studien zufolge die Herzgesundheit beeinflusst. Als optimal wird bei Erwachsenen eine Schlafdauer von 7 bis 9 Stunden pro Nacht angesehen. Bei Kindern bis 5 Jahren werden 10 bis 16 Stunden als ideal bewertet, bei Kindern in einem Alter von 6 bis 12 Jahren 9 bis 12 Stunden und bei Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren 8 bis 10 Stunden.
Auch wenn der Body-Mass-Index (BMI) nach Einschätzung der AHA-Experten nicht der perfekte Messwert ist, sei er aber einfach berechenbar und könne überall eingesetzt werden. Deshalb betrachten Lloyd-Jones und die anderen Autoren den BMI weiterhin als sinnvolles Messinstrument zur Erkennung von Gewichtsproblemen. Erstrebenswert für die bestmögliche Herzgesundheit sei ein BMI von 18,5 bis 24,9. Allerdings, so betonen die Autoren, kann die Grenze, ab dem ein BMI als „ungesund“ einzustufen ist, in Abhängigkeit der Ethnizität des Patienten niedriger ausfallen.
Laut der aktualisierten Version sollte zur Erfassung des Lipidstatus bevorzugt das Non-HDL-Cholesterin statt vormals das Gesamtcholesterin gemessen werden. Für diese Änderung haben sich die Autoren nach eigenen Angaben entschieden, weil der Patient zur Messung des Non-HDL-C nicht nüchtern sein muss und dieser Laborwert über jegliche Populationen hinweg zuverlässig ist.
In dem Update ist neu, dass neben dem Nüchternblutzucker auch der HbA1c-Wert zur Erfassung der Stoffwechsellage verwendet werden kann. Der HbA1c-Wert spiegle die langfristige glykämische Kontrolle besser wider, erläutern die Autoren ihre Entscheidung.
Für die Beurteilung der Blutdruckwerte gelten die in den AHA-Leitlinien von 2017 genannten Kriterien. Optimal sind demnach systolische/diastolische Werte von < 120/80 mmHg. Ab einem Blutdruckwert von 130–139 mmHg systolisch bzw. 80–89 mmHg diastolisch sprechen die US-Amerikaner bereits von einer arteriellen Hypertonie. Dies ist ein Unterschied zu den europäischen Leitlinien: Hier liegt die Grenze, ab der von einem Bluthochdruck gesprochen wird, bei 140/90 mmHg.
Bei jedem der aufgelisteten Aspekte kann eine Person einen Wert von 0 (schlecht) bis 100 Punkten (sehr gut) erreichen. Aus der sich daraus ergebenden Gesamtsumme wird ein Mittelwert gebildet, der eine Einschätzung der Herzgesundheit erlaubt: Ein Gesamt-Score unter 50 Punkten deutet dabei auf eine „schlechte“ kardiovaskuläre Gesundheit hin, ein Score von 50–79 wird als „mittelmäßig“ und ein Wert ≥ 80 als „gut“ betrachtet.
Neben dem „the Life’s Essential 8 Score“ der AHA gibt es auch in Europa Scores, um das kardiovaskuläre Risikoprofil einzuschätzen. Zu den bekanntesten zählen der PROCAM-Score, der Framingham-Risk-Score, der ESC–Score / SCORE2 und der arriba-Score.
Hier eine kleine Übersicht:
Der PROCAM-Gesundheitstest basiert auf der PROCAM-Studie und ist für Frauen und Männer im Alter von 20 bis 75 Jahren zur Ermittlung des Risikos für einen Herzinfarkt innerhalb der nächsten 10 Jahre anwendbar. Zur Durchführung des PROCAM-Tests werden das Patientenalter, der Raucherstatus, das Vorliegen eines Diabetes mellitus, der systolische Blutdruck, die Einnahme von blutdrucksenkenden Mitteln und die familiäre Vorbelastung (Myokardinfarkt bzw. Apoplex bei Verwandten 1. Grades < 60 Jahre) benötigt. Außerdem müssen laborchemisch das HDL- und LDL-Cholesterol, die Triglyceride und die Nüchtern-Glucose bestimmt werden.
Der Framingham Risk Score ist ein geschlechtsspezifischer Algorithmus, mit dem das 10-jährige kardiovaskuläre Risiko einer Person geschätzt wird. Der Score wurde zuerst auf der Basis von Daten aus der Framingham Heart Study entwickelt, um das 10-Jahres-Risiko für die Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit abzuschätzen.
Um das 10-Jahres-Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen vorherzusagen, wurden zerebrovaskuläre Ereignisse, periphere Arterienerkrankungen und Herzinsuffizienz als Krankheitsergebnisse für den Framingham Risk Score 2008 zusätzlich zur koronaren Herzerkrankung ergänzt. Der erste Framingham Risk Score bewertete Alter, Geschlecht, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin, Diabetes, Rauchen, Blutdruck und der Tatsache, ob der Patient wegen seines Bluthochdrucks behandelt wurde. Die aktualisierte Version wurde dahingehend geändert, dass sie Dyslipidämie, Altersspanne, Bluthochdruckbehandlung, Rauchen und Gesamtcholesterin umfasst.
Dieser Score eignet sich für die Einschätzung des 10-Jahres-Risikos von bisher kardiovaskulär gesunden Menschen ohne Diabeteserkrankung, also in der Primärprävention. Die Risikoabschätzung wird dabei in Abhängigkeit des Geschlechts, Alters, des Raucherstatus, systolischen Blutdrucks und des Non-HDL-Cholesterin-Spiegels ausgegeben. Im März 2005 wurde eine Version mit den Daten für Deutschland veröffentlicht. Im Jahr 2021 erschien mit dem SCORE2 ein Update. Das aktualisierte SCORE2-Modell erlaubt eine Vorhersage von tödlichen und nicht-tödlichen kardiovaskulären Ereignissen. In dem Vorgängermodell wurden nur tödliche Ereignisse berücksichtigt. Außerdem basiert der aktualisierte SCORE2 auf zeitgemäßen, repräsentativen Daten. Der ursprüngliche SCORE basierte auf Daten, die vor 1986 erhoben wurden.
Mit dem arriba-Rechner kann unter anderem das persönliche Risiko für einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall berechnet werden. Der Name „arriba“ setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Programm-Ziele zusammen: Aufgabe gemeinsam definieren, Risiko subjektiv, Risiko objektiv, Information über Präventionsmöglichkeiten, Bewertung der Präventionsmöglichkeiten und Absprache über weiteres Vorgehen. Der Rechner bezieht neben dem Effekten von Statinen und ASS auch jenen von Verhaltensänderungen in die Auswertung ein. Die durch die Maßnahme zu erwartende absolute Risikoreduktion wird individuell berechnet und grafisch dargestellt. Die Berechnung zur kardiovaskulären Prävention beruht auf der Framingham-Formel.
Allen in Europa verwendeten Risikoscores ist gemein, dass der Aspekt der Schlafdauer keine Berücksichtigung findet, obwohl in zahlreichen Studien gezeigt werden konnte, dass zu wenig oder zu viel Schlaf das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. Es scheint sogar so zu sein, dass auch der Zeitpunkt des Einschlafens einen Einfluss auf das Risiko hat, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu erleiden (Doccheck berichtete). Auch die Deutsche Herzstiftung gab aktuell eine Pressemeldung zum Thema Schlaf heraus und betont, dass Schlafmangel auf Dauer das Herzkreislaufsystem schädigt. Es bleibt abzuwarten, ob die europäischen Experten der AHA folgen und ein Update der Risikoscores erscheinen wird.
Weitere Quellen:
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