Nicht immer liefert ein PSA-Test zuverlässige Ergebnisse. Ein neu entwickelter Bluttest will es besser machen: Innerhalb von 15 Minuten kann er Prostata-Krebs mit hoher Spezifität entdecken.
Zur Früherkennung von Prostatakrebs, einer der häufigsten Krebsarten bei Männern, wird oft ein PSA-Test herangezogen. Dieser Bluttest auf Prostata-spezifische Antigene liefert jedoch viele falsch positive Ergebnisse und zieht häufig überflüssige Biopsien und Übertherapien nach sich. In der Zeitschrift Angewandte Chemie stellte ein chinesisches Team jetzt eine hochspezifische, nichtinvasive Alternative zur Biopsie vor: Der „thermophoretische AND-Gate-Operation“-Test – kurz Tango – weist Prostatakrebs direkt in Blutproben rasch und verlässlich nach.
Der Tango-Test basiert auf der Analyse extrazellulärer Vesikel. Sie stammen von allen möglichen Körperzellen, zirkulieren im Blut und enthalten eine Vielzahl typischer Biomarker, die für ihre jeweilige Herkunft spezifisch sind. Zur Isolierung und Anreicherung dieser heterogenen Vesikel aus komplexen Proben sind jedoch aufwändige, teure Vorbehandlungen nötig. Der neue Ansatz des Teams um Fei Tian, Bo Dai und Jiashu Sun fasst die Anreicherung mit einer logischen AND-Gate-Operation zur Identifizierung der gesuchten Tumor-Vesikel in einem einzigen Schritt ohne Probenvorbereitung zusammen.
Die Anreicherung funktioniert mittels Thermophorese, also der Bewegung von Teilchen aufgrund eines Temperaturgradienten in der Probe. Die Probe wird in eine speziell entworfene Mikrokammer gegeben, die lokal mit einem IR-Laser erwärmt wird. Die Vesikel aus der gesamten Probe wandern dann in Richtung des erwärmten Punktes. Zusätzlich zugegebenes Polyethylenglykol bildet zudem einen Konzentrationsgradienten, der diesen Effekt noch verstärkt. So gelang es, die Probe um den Laser-Spot herum um das etwa 2.800-Fache anzureichern.
Um die gesuchten Vesikel eindeutig und hochspezifisch zu identifizieren, sollten diese zwei Proteine tragen, die in Prostatatumoren in hoher Konzentration vorkommen: das Prostata-spezifische Antigen (PSMA) sowie das epitheliale Zelladhäsionsmolekül (EpCAM). Auf der Basis von Aptameren (kurzen DNA-Einzelsträngen mit einer Art einprogrammierten 3D-Struktur) stellte das Team zwei Sonden her, die spezifisch an ihre Zielmoleküle binden – PSMA beziehungsweise EpCAM. Beide Sonden tragen zusätzlich je einen Fluoreszenzfarbstoff.
Damit auch nur die Vesikel nachgewiesen werden, die beide Tumormarker tragen, wurde eine logische AND-Operation entworfen. Sie funktioniert folgendermaßen: Beide Sondentypen tragen einen kleinen molekularen Anker, der jeweils spezifisch an ein Ende eines DNA-Verbindungsstücks bindet. Befinden sich beide Zielproteine auf einer Vesikelmembran, werden beide Sondentypen über das Verbindungsstück verknüpft. So kommen sich die beiden unterschiedlichen Farbstoffe nah genug für einen Energietransfer: Der eine Typ Farbstoff absorbiert Licht und gibt einen Teil dieser Energie strahlungslos (ein sogenannter Förster-Resonanzenergie-Transfer, FRET) an den anderen weiter, der dann wieder Licht anderer Wellenlänge abstrahlt. Die Intensität dieser FRET-Fluoreszenz entspricht dann der Menge an Vesikeln mit beiden Tumormarkern.
Früherkennung durch Tango. Credit: Wiley-VCH
Trägt ein Vesikel lediglich einen der Tumormarker, bindet auch nur eine der Sonden-Arten daran. Es kommt zu keiner Verknüpfung und der Farbstoff kann nicht mit dem zweiten Farbstoff interagieren. Dementsprechend liefern diese Vesikel keinen Beitrag zur FRET-Fluoreszenz.
In der Praxis konnte sich die Neuentwicklung in kleinem Rahmen bereits beweisen. Mit dem Tango-Test ließen sich aus einer Gruppe Patienten mit uneindeutigen PSA-Befunden innerhalb von 15 Minuten die Patienten mit Prostatakrebs mit einer 91 %-igen Genauigkeit identifizieren. Das Forscherteam hofft, dass sich auch für andere Krebsarten sich spezifische Tango-Tests entwickeln lassen.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Gesellschaft Deutscher Chemiker. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Preillumination SeTh, unsplash.