Ärzte sollten ihre Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit zu regelmäßigen Gehtrainings ermutigen. Aber müssen sie trainieren, bis es weh tut? Eine aktuelle Studie liefert Antworten.
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) gehört inzwischen zu den Volksleiden. Die Prävalenz wird in Deutschland mit bis zu 10 % in der Allgemeinbevölkerung angegeben. Bei Personen über dem 70. Lebensjahr ist sogar fast jeder Fünfte betroffen. Zu Beginn zeigen sich noch keine Symptome, später folgt dann das Leitsymptom: die Claudicatio intermittens, also das zeitweilige Hinken der Betroffenen. Patienten klagen über belastungsabhängige, krampfartige Schmerzen in Füßen und Beinen. Sie sind oft verbunden mit Schwäche- und Kältegefühl und zwingen den Patienten dazu, stehen zu bleiben – daher wird pAVK auch umgangssprachlich „Schaufensterkrankheit“ genannt.
Je früher die gefährliche Durchblutungsstörung entdeckt wird, desto besser die Prognose. Neben medikamentöser Therapie wird dem Gehtraining von Fachgesellschaften und der S3-Leitlinie eine große Bedeutung eingeräumt. Grund ist, dass das Bewegungstraining die Kollateralisation in den betroffenen Extremitäten fördert, also die Neubildung von Blutgefäßen um verstopfte Blutbahnen herum. Das lindert Symptome und verbessert die Gehleistung.
Die Wirksamkeit dieser Internvention wurde schon vielfach gezeigt. Nicht ganz so sicher sind sich Ärzte und Patienten allerdings, ob das Training bis zum Schmerz ausgereizt werden soll – ganz im Sinne der alten Sportlerweisheit „No pain, no gain“ also. Mit dem Thema hat sich nun eine Studie beschäftigt, deren Ergebnisse im Journal der American Heart Association erschienen sind.
In der Studie wurden insgesamt 264 Personen mit pAVK und einem Durchschnittsalter von 69 Jahren eingeschlossen. Die Forscher teilten die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip für 12 Monate einer von drei Gruppen zu. Die erste Gruppe (38 %) ging zu Hause in einem angenehmen Tempo, die zweite Gruppe (41 %) in einem Tempo, das Beschwerden in den Beinen auslöste, während die dritte Gruppe (21 %) gar nicht trainierte. Beide Trainingsgruppen trugen einen ein Gerät, das die Intensität des Gehens und die Dauer des Gehens überwachte.
Für jede Person in den Bewegungsgruppen wurden personalisierte Schwellenwerte für die Intensität festgelegt, die einem Gehen in einem Tempo entsprachen, das Beinbeschwerden auslöste (hohe Intensität), und die einem Gehen in einem angenehmen Tempo ohne Beinbeschwerden (niedrige Intensität) entsprachen.
Zu Beginn der Studie sowie nach 6 und 12 Monaten absolvierten die Teilnehmer drei Tests zur Beurteilung der Beinfunktion: Gehgeschwindigkeit über eine vier Meter lange Strecke bei normalem Tempo und bei schnellem Tempo sowie einen Test zur Beurteilung der allgemeinen Mobilität, dem Short Physical Performance Battery Test (SPPB), der oft in der Geriatrie zum Einsatz kommt. Dieser misst die Gehgeschwindigkeit auf einer vier Meter langen Strecke, die bei normalem Tempo absolviert werden soll, einem Gleichgewichtstest im Stehen und der Zeit für fünf wiederholte Aufstehversuche.
Nach 6 Monaten gingen die Teilnehmer, deren Gehtempo Schmerzen oder Beschwerden in den Beinen verursachte, rund 3 Meter pro Minute schneller als Teilnehmer, deren Gehtempo keine Schmerzen oder Beschwerden in den Beinen verursachte. Nach 12 Monaten waren sie sogar knapp 5 Meter pro Minute schneller als die Vergleichsgruppe.
Auch im Vergleich zu Personen, die keinen Sport trieben, liefen die Teilnehmer der hohen Intensitäts-Gruppe nach sechs Monaten fast 3 Meter pro Minute schneller; dieser Anstieg war jedoch nach 12 Monaten nicht mehr statistisch signifikant. Die Gruppe mit niedriger Intensität zeigte weder nach 6 noch nach 12 Monaten eine Verbesserung der Gehgeschwindigkeit im Vergleich zu den Nichttrainierenden.
Auch beim SPPB-Test schnitten die Teilnehmer mit hoher Gehintensität besser ab. Nach 12 Monaten erzielten sie einen um fast 1 Punkt höheren Wert von insgesamt 13 Punkten (0-12) als die Personen, die in einem angenehmen Tempo und ohne Schmerzen in den Beinen gingen.
„Wir waren von den Ergebnissen überrascht, da man davon ausging, dass das Gehen in einem Tempo, das bei Menschen mit pAVK Schmerzen in den Beinen verursacht, mit einer Schädigung der Beinmuskulatur einhergeht“, kommentiert Hauptautorin Mary M. McDermott die Ergebnisse. Sie ist Professorin für Medizin in der Abteilung für Allgemeine Innere Medizin und Altersmedizin sowie für Präventivmedizin an der Northwestern University's Feinberg School of Medicine in Chicago. „Auf der Grundlage dieser Ergebnisse sollten Ärzte ihren Patienten raten, zum Sport in einem Tempo zu gehen, das Beschwerden in den Beinen hervorruft, anstatt in einem angenehmen Tempo ohne Schmerzen.“
Die Studienergebnisse stehen in Bezug auf das Gehtraining bei pAVK also ganz im Einklang mit dem Grundsatz: „No Pain, No Gain“. Bleibt nur noch die Frage, wie man seine Patienten dazu motiviert, so intensiv zu trainieren, dass es wehtut. Dazu liefert die Studie leider keine Antworten.
Bildquelle: Anastase Maragos, unsplash