Im Rahmen einer Lebendspende haben Sicherheit und Gesundheit der Organspender:innen die höchste Priorität, und es gelten strenge Voraussetzungen, um diese zu gewährleisten.1 Um diesen besonderen Schutz zu garantieren, sollten die körperlichen, psychischen und sozialen Belastungen von Organlebendspender:innen in der präoperativen Evaluation und in der postoperativen Nachsorge erfasst und anschließend behandelt werden.1 Zur rechtlichen Lage in Deutschland sowie Ursachen für eine erhöhte Belastung vor und nach der Operation informieren wir hier:
Derzeit werden in Deutschland vor allem Nieren und Teile der Leber von lebenden Spender:innen auf Empfänger:innen übertragen.2 Medizinisch möglich und gesetzlich erlaubt ist auch die Übertragung eines Teils der Lunge, des Dünndarms und der Bauchspeicheldrüse.2 Die Lebendorganspende dieser Organe wird jedoch in Deutschland kaum durchgeführt.2 Im Jahr 2022 wurden 535 Nierentransplantationen und 41 Lebertransplantationen nach Lebendspende durchgeführt.3 Zum Vergleich: im selben Jahr wurden 1.431 Nieren und 706 Lebern postmortal transplantiert.3
In Deutschland sind Lebendspenden nur zulässig, wenn ein enges genetisches oder emotionales Näheverhältnis zwischen Organspender:in und -empfänger:in besteht.1 Zudem ist laut Transplantationsgesetz darauf zu achten, dass die Spendenden nach ärztlicher Beurteilung geeignet sind.1 Außerdem sollten sie nicht über das Operationsrisiko hinaus gefährdet und über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hinaus beeinträchtigt werden.1 Dies beinhaltet die körperlichen sowie psychosozialen Aspekte.1
Im Jahr 2012 wurden verschiedene Gesetzesänderungen vorgenommen, um finanzielle Nachteile für Lebendspender:innen zu verhindern.1 So erhalten Spender:innen eine
Lohnfortzahlung bzw. eine Erstattung des entgangenen Arbeitseinkommens, und auch die
Kostenübernahme für die erforderliche Nachsorge und eventuelle medizinische
Behandlungen ist sichergestellt.1
Das körperliche, psychische und soziale Wohlbefinden einiger Spender:innen kann vor der Operation stark beeinträchtigt werden.1 Der Großteil fühlt sich vor der Spende jedoch wenig eingeschränkt.1 Die folgenden Faktoren tragen zu einer erhöhten psychosozialen Belastung bei:
Für viele Spender:innen steht präoperativ die Sorge um die Organempfänger:innen im
Mittelpunkt, insbesondere bei einem sehr engen Näheverhältnis.1
Eine anhaltende Unsicherheit bezogen auf die Spendeentscheidung steht mit einem ungünstigeren psychosozialen Outcome in Verbindung.1 Eine verringerte Unsicherheit wurde bei Spender:innen mit hoher Lebensqualität, familiärer Unterstützung und emotionaler Nähe zum/zur Empfänger:in beobachtet.1
Die Mehrzahl der Spender:innen bewertet die Option der Lebendspende positiv, doch einige Spender:innen berichten auch vom einem Gefühl moralischer Verpflichtung oder sogar subtilem bis explizitem Druck, beispielsweise seitens der Familie oder behandelnden Ärzt:innen.1 Insbesondere, wenn keine weiteren Spender:innen zur Verfügung stehen und die Aussichten auf eine zeitnahe postmortale Spende gering sind, kann das Gefühl einer moralischen Verpflichtung eine enorme Belastung sein.1
Die notwendigen Untersuchungen und Wartezeit bis zum Vorliegen aller Befunde wirken sich belastend auf die Psyche der Spender:innen aus.1 Hinzu kommen die Angst vor möglicherweise bedrohlichen Befunden (z. B. Erstdiagnose einer schweren Erkrankung) sowie vor der Operation als zusätzlich Belastung.1
Obwohl der Großteil der Spender:innen nach einem günstigen Verlauf der Transplantation eine Entlastung verspüren, so kommt es bei einigen Spender:innen zu langanhaltenden Belastungen (> 6 Monate nach Spende).1 Diese manifestieren sich in einer Verschlechterung ihrer körperlichen und psychischen Lebensqualität sowie einen Anstieg an Fatigue und an depressiven Symptomen.1
Einigen Spender:innen berichten von der Sorge nach Transplantation ihrer Verantwortung der Familie gegenüber, insbesondere der Kinder, nicht mehr gerecht werden zu können.1 Zudem kann die Vereinbarkeit der Lebendspende mit der beruflichen Tätigkeit für einige Spender:innen problematisch sein.1 Das Ausmaß ist dabei abhängig von der Unterstützung durch den/der Arbeitgeber:in und der körperlichen Belastung.1 Bereits 2012 wurde durch verschiedene Gesetzesänderungen versucht, die Belastungen durch berufliche und finanzielle Einschränkungen für Spender:innen weitgehend zu verhindern.1
Studien zeigten, dass insgesamt bis zu 67 % aller Spender:innen von Angststörungen und bis zu 47 % von einer Depression betroffen waren.4 Die Häufigkeit einer Depression war für Nieren- und Leberspender:innen vergleichbar hoch.1 Eine Depression wurde bei etwa bis zu 47 % der Nierenspender:innen und etwa bis zu 34 % der Leberspender:innen festgestellt.1 Eine Fatigue kam bei Nierenspender:innen hingegen häufiger vor als bei Leberspender:innen.1
Ein Großteil der Studien verglichen den Schweregrad der psychosozialen Belastungen nicht mit dem individuellen Ausgangswerten vor der Spende, sondern mit der Allgemeinbevölkerung.1 Diese ist jedoch als Referenzgruppe weniger gut geeignet, da es sich bei Lebendspender:innen um eine selektive Stichprobe von vergleichsweise gesunden Personen handelt.1 Zudem beruhen die Ergebnisse auf der subjektiven Auffassung der Spender:innen und lassen sich objektiv nur schwer ermitteln.1
Lebendspender können durch zahlreiche und spezifische Belastungen im Rahmen einer Transplantation relevant beeinträchtigt werden.1 Einige Belastungen lassen sich reduzieren, während andere wieder unvermeidbar sind, wie z. B. präoperative Untersuchungen oder der postoperativer Wundschmerz.1 Sie zu identifizieren ist ein wichtiges Ziel der psychosozialen Evaluation und Nachsorge.1 Hierzu können verschiedene Fragebögen zur quantitativen und qualitativen Selbsteinschätzung zur Bestimmung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (Health Related Quality of Life) eingesetzt werden.1,5 Beispiele sind der SF-36 Fragebogen zum Gesundheitszustand, der Fragebogen „Gesundheit und Wohlbefinden 1 Jahr nach der Lebendspende“ (Gesundheit Österreich GmbH) sowie „Sozialer Status ein
Jahr nach der Lebendspende“ (Gesundheit Österreich GmbH).5
Diplomarbeit: Schwane MH. Die Lebensqualität von NierenlebendspenderInnen an der Medizinischen Universität Graz ein Jahr nach der Lebendspende, Medizinischen Universität Graz, 201